Corona-Politik:Zaghaft in der kritischen Phase

Da sich wegen der guten Wetterlage zahlreiche Personen, Spaziergänger, erlebnisorientierte Jugendliche auch in Gruppen

Zu viele Menschen, zu wenig Abstand: Die Stadt Köln hat deshalb wieder einige Plätze am Rheinufer gesperrt.

(Foto: imago images/Future Image)

Forscher fordern viel härtere Corona-Maßnahmen und warnen vor einer Überlastung der Intensivstationen. Doch die Politik in Deutschland tut sich schwer und nimmt die Lockerungen nur langsam zurück.

Von Markus Balser, Hanno Charisius und Matthias Kolb

Wohin die falsche Politik jetzt führen kann? Modellrechnungen, die das Robert-Koch-Institut am Donnerstag veröffentlichte, machen das unmissverständlich klar. Sie zeigen eine drastische Zunahme von Todesfällen und Intensiv-Patienten, falls es vorzeitig Lockerungen geben sollte. Eine Überlastung der Intensiv-Kapazitäten sei nur zu vermeiden, wenn "Lockerungen vorsichtig erst ab Mai/Juni 2021" kommen, heißt es in dem Bericht. Aktuell könne nur "durch eine möglichst frühe und umfassende Reduktion der seit März 2021 wieder gestiegenen Kontakte in der Bevölkerung" eine Überlastung der Intensivstationen vermieden werden.

Doch während Forscher von Lockerungen abraten und härtere Maßnahmen fordern, tut sich die Politik schwer. Nachdem Kanzlerin Angela Merkel sich bei den Deutschen für die zuerst angekündigte und dann gleich wieder abgeblasene Osterruhe entschuldigt hat, beließ sie es auch in ihrem wöchentlichen Podcast bei Mahnungen, an Ostern nicht zu verreisen. Ärzte und Pflegekräfte könnten den Kampf gegen die dritte Welle der Pandemie alleine nicht gewinnen, sagte Merkel. "Wir sollten sie nicht allein lassen, sondern sie mit unserem Verhalten unterstützen", appellierte die Kanzlerin und ergänzte: "Wir werden das Virus gemeinsam besiegen."

Noch allerdings wird der Kampf eher zaghaft geführt. Deutlich wird das etwa am Umgang mit Urlaub im Ausland. Der soll auch in der kritischen Phase der Pandemie möglich bleiben. Allerdings will die Bundesregierung die Vorsichtsmaßnahmen im Flugverkehr verlängern und zum Gesetz machen. Die Einreise per Flugzeug nach Deutschland ist nach bisherigen Beschlüssen bis zum 12. Mai bereits nur mit einem negativen Corona-Test möglich.

Testpflicht soll gesetzlich verankert werden

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) spricht sich nun dafür aus, die generelle Testpflicht so lange zu verlängern, bis die Deutschen weitgehend geimpft sind. "Sie muss beibehalten werden", fordert Scheuer. "Testen wird zu einer Selbstverständlichkeit werden, wenn man unterwegs ist. Das brauchen wir als Brücke, bis wir durchgeimpft sind." Den Plänen der Regierung zufolge soll die Testpflicht, die dann auch noch im Sommer gelten könnte, ins Infektionsschutzgesetz aufgenommen werden.

Zuletzt hatte für heftige Diskussionen gesorgt, dass Tausende deutsche Urlauber auf die spanische Insel Mallorca flogen, für die die Testpflicht wegen niedriger Infektionszahlen weggefallen war. Per Verordnung hatte die Bundesregierung am Dienstag auf die Schnelle und per Verordnung eine generelle Testpflicht für alle Flugreisen nach Deutschland eingeführt. Der Test muss vor dem Start im Abflugland erfolgen. Wer der Fluggesellschaft keinen Nachweis über ein negatives Ergebnis vorlegen kann, darf nicht in die Maschine einsteigen. Ausgenommen sind nur Crews und Kinder bis fünf Jahre.

Wie weit das Leben in Deutschland zum Schutz vor der Pandemie nach den jüngsten leichten Öffnungen wieder heruntergefahren werden soll, ist jedoch weiter offen. Ob etwa die Schulen nach den Osterferien wieder öffnen, ist laut dem CDU-Vorsitzenden Armin Laschet noch nicht entschieden. Er gehe davon aus, dass "wir bis zum Ende der nächsten Woche Klarheit haben, wie es mit dem Schulstart und den sicheren Bedingungen" weitergehe. In jedem Fall müsse gewährleistet sein, dass in jeder Schule zweimal pro Woche getestet werden könne und sich Schüler dem Test nicht entziehen. Auch in Kitas planen die ersten Länder neue Einschränkungen. So kündigte Berlin an, den Regelbetrieb von Kitas ab dem 8. April wieder einzuschränken und auf Notbetrieb umzustellen.

Nicht alle EU-Staaten zeigen sich solidarisch

Auf internationaler Ebene beendeten derweil die EU-Mitglieder ihren erbitterten Streit über die Verteilung von zehn Millionen Impfdosen, die Biontech/Pfizer vorzeitig liefern kann. Weil die Impfstoffe zurzeit besonders dringend in Bulgarien, Estland, Kroatien, Lettland und der Slowakei benötigt werden, erhalten sie zwischen April und Juni zusammen zusätzliche 2,85 Millionen Dosen. Die Länder hatten vor allem auf Astra Zeneca gesetzt und von anderen Herstellern nicht die Maximalmengen an Impfstoffen geordert, die ihnen zugestanden wären.

Als Zeichen der innereuropäischen Solidarität verzichten 19 EU-Staaten auf jene zusätzlichen Biontech-Vakzine, die sie nach der üblichen Pro-Kopf-Verteilung erhalten würden, und spenden diese, wie die portugiesische Ratspräsidentschaft am Donnerstagabend mitteilte. Deutschland verzichtet dabei auf fast 560 000 Dosen. Dass sich Tschechien, Slowenien und Österreich nicht beteiligen, sorgte in Brüssel für Verärgerung. In der Kritik steht vor allem Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz: Dieser hatte Mitte März mit Klagen über einen angeblichen "Basar" bei der Impfstoffverteilung jene Regeln kritisiert, denen auch Österreich zugestimmt hatte, und öffentlich einen Korrekturmechanismus gefordert. Mehrere EU-Diplomaten bezeichneten Wiens Vorgehen als "unsolidarisch", Österreich sei "der Schutz der eigenen Interessen wichtiger als längerfristige Fortschritte für die ganze EU", klagte einer. Hartnäckig hält sich in Brüssel der Eindruck, Kurz wolle vor allem eigene Fehler bei der Beschaffung korrigieren, ohne dies einzugestehen.

Der Bundeskanzler sprach wiederum von einem "soliden Ergebnis", weil Österreich nicht wie vorgesehen 139 000 zusätzliche Impfdosen im zweiten Quartal erhalte, sondern 199 000 Dosen. Den portugiesischen Vorschlag habe man abgelehnt, weil Tschechien nicht genügend unterstützt worden sei, so Kurz. 30 000 Vakzine wird Österreich nun an den Nachbarn abgeben. Wieso die Regierung in Prag sich dem Kompromiss verweigert, bleibt rätselhaft: Das Land hätte so 70 000 zusätzliche Impfdosen erhalten.

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