Volleyball:Regisseurin im Ruhestand

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16 Jahre Leistungssport, davon sechs Jahre in Vilsbiburg: Die frühere Volleyball-Nationalspielerin Lena Hartl beendet ihre Karriere in Niederbayern. (Foto: Marcel Lorenz /imago)

Vilsbiburgs Zuspielerin Lena Hartl beendet ihre Karriere - nicht aus sportlichen, sondern auch aus finanziellen Gründen. Der Schritt der früheren Nationalspielerin spiegelt die Entwicklung im Volleyball wieder.

Von Katrin Freiburghaus

Lena Hartl hat mehr als 200 Bundesliga-Partien absolviert. Sie spielte fünf Jahre im Ausland, gewann mit Vilsbiburgs Erstliga-Volleyballerinnen die Meisterschaft und wurde mit der deutschen U20-Auswahl Weltmeisterin. Andere Sportlerinnen reifen angesichts solcher Erfolge nicht nur zu Führungsspielerinnen, sondern werden im Zuge dessen auch nach außen präsenter. Hartl aber hat Lautstärke nie ausgezeichnet. Sie ist auf dem Platz eine Anführerin im Stillen gewesen und so passte auch ihr leiser Abschied von dieser Bühne zu ihrer Karriere.

Das Aus der Roten Raben Vilsbiburg im Viertelfinale der Meisterschaft hat nicht nur die Bundesliga-Saison des Vereins beendet, es markiert nun auch den Schlusspunkt von Hartls Laufbahn. Und das auf andere Weise, als sie es sich wohl vorgestellt hatte. "Es wäre sicher ein schöneres Ende im großen Kreis mit Fans gewesen", sagt sie. Ihre Entscheidung hatte sie Anfang April bekannt gegeben. Aufgrund der Einschränkungen durch die Coronavirus-Pandemie war der Kreis klein, ein gemeinsames Abendessen des Teams im VIP-Raum der Halle statt einer großen Party mit vielen Gästen. Den idealen Ort für ihren Abschied vom Leistungssport hatte die 31-Jährige dagegen mit Bedacht gewählt, als sie vor zwei Jahren zurück nach Niederbayern gewechselt war. Zurück zu jenem Verein, in dem sie auch ihre ersten vier Jahre als Profi bestritten hatte.

Im Zuspiel steht Hartl neben ihrer sportlichen Qualität vor allem für Ruhe und Erfahrung

"Wir haben schon bei der Verpflichtung gewusst, dass sich Lena diese Gedanken macht", sagt Vilsbiburgs Geschäftsführer André Wehnert. Der Kontakt zu Hartl, die bis zur ihrer Heirat 2021 Möllers hieß, war während ihrer Auslandsstationen nie abgerissen, weil Niederbayern längst zu ihrer Wahlheimat geworden war. "Wir haben ihr immer wieder gesagt, dass sie uns herzlich willkommen ist, wenn sie ihre Karriere ausklingen lassen möchte", sagt Wehnert.

Die gebürtige Bocholterin spielte insgesamt sechs Jahre für die Roten Raben. Als 19-Jährige war sie 2009 vom VCO Berlin gekommen und wurde gleich in ihrer ersten Saison deutscher Meister. Nach Erfahrungen in Italien, Frankreich, Rumänien und Dresden kam sie 2019 wieder und bildete in den vergangenen beiden Jahren ein Zuspielduo mit Corina Glaab. Dabei stand Hartl neben sportlicher Qualität vor allem für Ruhe und Erfahrung.

In der Schlussphase der Saison hatte Hartl gegenüber der 20-jährigen Glaab auch deshalb die Nase vorn. "Sie ist keine Lautsprecherin und führt die Mannschaft nicht, indem sie besonders extrovertiert vorneweg geht", sagt Trainer Florian Völker, "aber man braucht auch solche Charaktere, die ein bisschen bedachter und ruhiger sind." In Kombination mit ihrer Blockstärke und 16 Jahren Erfahrung führte Hartl zuletzt als Nummer eins im Zuspiel Regie. Sie hätte aus sportlichen Gründen nicht aufhören müssen. Die Harmonie zwischen ihr und Glaab stimmte, ihre Leistung ebenfalls. Doch das ist nicht immer der ausschlaggebende Punkt.

Für Hartl ist nach den 16 Jahren Leistungssport "ein Gewöhnungseffekt" eingetreten

Dass im deutschen Volleyball mit knapp über 30 Jahren für viele Spielerinnen eine kritische Grenze erreicht ist, liegt nicht zuletzt am finanziellen Aspekt. "Wir sind nicht Fußball, wo man mit ein paar Jahren Profi-Status in der ersten Liga ausgesorgt hat oder mindestens ein Polster für nach der Karriere anlegt", sagt Wehnert. Die Frage, wie der Berufseinstieg nach der Laufbahn gelingt, begleitet die Mehrzahl der deutschen Profis. Während viele Männer aber bereits während der Karriere Eltern werden, müssen die meisten Spielerinnen auch diesen Teil der Lebensplanung auf die Zeit nach dem Volleyball verschieben.

Und für Hartl trat nach den 16 Jahren, in denen sie dem Leistungssport alles untergeordnet hat, "ein Gewöhnungseffekt" ein: "Je länger man dabei ist, desto mehr kennt man schon - und sieht irgendwann eher die Sachen, die einen stören". Wenn Sportler alle Hallen kennen, jede Auswärtsstrecke, und das Profi-Dasein kein ferner Traum mehr, sondern ein Beruf ist, "dann denkt man irgendwann auch an die Familienfeier, die man gerade verpasst, oder wünscht sich einen Sommer, in dem man sich nicht nach dem Nationalteam richten muss", sagt Hartl.

Für sie sind momentan genau die Dinge spannend, die Fans hinter sich lassen, wenn sie in die Halle kommen: Das Leben abseits des Sports. Diesen Schritt begleite "schon auch ein mulmiges Gefühl", räumt Lena Hartl ein, "ich gebe das auf, was ich konnte - und fange ganz von vorne an".

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