Missglücktes Marketing:Viral, letal

Mit einer Blog-Kampagne wollte sueddeutsche.de für ein neues Produkt werben. Doch weil das gründlich schiefging, hagelte es im Netz Kritik.

Marc Felix Serrao

Virales Marketing ist eine heikle Sache. Wenn es gutgeht, wirbt nicht die Firma, sondern deren Zielgruppe für ein neues Produkt. Doch wenn es schiefgeht, ist der Schaden groß. Denn was dann passiert, ist in den meisten Fällen das Gegenteil von Werbung.

Missglücktes Marketing: Marketing in Zeiten des Internets: Nicht nur Schlagworte

Marketing in Zeiten des Internets: Nicht nur Schlagworte

(Foto: Foto: iStock)

Diese Erfahrung musste nun auch die Online-Tochter der Süddeutschen Zeitung machen. Die Werbe-Abteilung von sueddeutsche.de wollte mit viralem Marketing für die neuen Smartphone-Anwendungen ("Apps") werben. Sie hat dafür die Schweizer Firma Trigami beauftragt, die ihre Arbeit als "Social Media Marketing" bezeichnet.

Dahinter verbirgt sich ein Geschäftsmodell, in dem Unternehmen dafür zahlen, dass Blogger erst von Trigami auf ihre Produkte aufmerksam gemacht werden, um dann selbst andere darauf aufmerksam zu machen. In diesem Fall war das Interesse groß - aber anders als erhofft. "Peinlich, peinlich" titelte das Portal Upload-Magazin. Von "manipulierten App-Kritikern" war anderswo die Rede. Die Kritik wurde von vielen Kommentatoren geteilt. Zu Recht.

Textbausteine mitgeliefert

Die Trigami AG unterscheidet mehrere Angebote. Kunden können unter anderem sogenannte Advertorials buchen - ein Wortspiel aus Anzeige und Kommentar. Trigami verspricht den Auftraggebern auf der eigenen Website in diesem Fall "redaktionelle Berichte über Ihre Produkte".

Und mehr noch: "volle Inhaltskontrolle" und "100% positive Berichte". Ein anderes Angebot heißt "Text-Reviews". Dahinter, so die Beschreibung, stecken "redaktionelle Testberichte (...) mit Meinungsfreiheit". Die Blogger werden von Trigami bezahlt; je nach Aufwand und Bekanntheit gebe es meistens zwischen zehn und 150 Euro.

Die Marketingabteilung von sueddeutsche.de hat einer internen "Briefing-Checkliste" zufolge den Kampagnentyp Advertorial gebucht. Nun könnte man sich wundern, weshalb die Marketingabteilung eines Medienhauses eine Firma beauftragt, die etwas als "redaktionellen Bericht" bezeichnet, das inhaltlich voll kontrolliert wird und immer positiv ausfällt.

Doch in diesem Fall geschah noch mehr. Die teilnehmenden Blogger erhielten in der Ausschreibung ganze Textbausteine mitgeliefert. Unter dem Stichwort "Vorteile des Produkts aufzeigen" standen mehrere Vorschläge. "Die bekannt hohe journalistische Qualität von SZ und sueddeutsche.de kann jetzt auch komfortabel mit dem iPhone genutzt werden", hieß es.

Oder auch: "sueddeutsche.de hat eine Meinung." Von der "Stärke" der Autoren war die Rede, von den Informationsbedürfnissen moderner Menschen. Es gab auch Blogger, die dieses Lob so oder ähnlich verbreiteten. Laut Trigami wurden 25 Aufträge erteilt, sieben Rezensionen seien bis Montag erschienen. Sucht man die Einträge heute, heißt es mal, ein Text sei auf Wunsch entfernt, ein andermal, er sei wegen Missverständnissen geändert worden.

"Nicht zu rechtfertigen"

Die Redaktion der Süddeutschen Zeitung war über die Trigami-Kampagne ebenso wenig informiert wie die Redaktion von sueddeutsche.de. Beide verurteilen den Versuch, über bezahlte Blog-Einträge Werbung zu treiben.

Es sei legitim, neue Werbeformen zu testen, sagt Hans-Jürgen Jakobs, Chefredakteur von sueddeutsche.de: "Doch der Versuch, sich eine bestimmte Berichterstattung zu erkaufen, ist nicht zu rechtfertigen. Selbst wenn die sogenannten Advertorials als Anzeigen gekennzeichnet wurden."

Peter Bilz-Wohlgemuth, Marketingchef von sueddeutsche.de, hat die Kampagne in einem Kommentar unter dem Bericht des Upload Magazins als "Fehler" bezeichnet und versprochen, künftig von solchen Werbeformen Abstand zu nehmen. Der Auftrag selbst wurde umgehend gestoppt.

Auch Remo Uherek, Geschäftsführer der Trigami AG, äußerte sich im Internet selbstkritisch. Trigami habe "großen Mist gebaut", schrieb er. Bilz-Wohlgemuth habe ihm "telefonisch ausdrücklich bestätigt, dass das Ziel der Kampagne niemals war, Bloggern vorzuschreiben, was sie zu sagen hätten". Es sei lediglich "zum Ausdruck gebracht worden, dass das Wunschresultat der Kampagne möglichst viele positive Berichte und Kommentare (...) wären". Aufgrund eines internen Fehlers sei diese Information auch ins Briefing der Blogger übertragen worden.

Bilz-Wohlgemuth sagt, Trigami habe seinen Auftrag "falsch verstanden". Er habe in drei Telefonkonferenzen Wert darauf gelegt, "keine Lobhudelei" zu bestellen; die neuen Apps sollten lediglich besprochen werden. Er habe nach den mündlichen Vereinbarungen nicht mehr geprüft, was sich hinter dem Begriff "Advertorial" im Falle von Trigami verberge. "Das", sagt er, "war ebenfalls ein großer Fehler."

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