Moderner Tanz:Exquisite Corpse Extra - So manche schöne Leich'

Exquisite Corpse

"Me inside Me": Carlos Blanco als optimaler Interpret seines Stücks.

(Foto: Bettina Stöß)

Junge Choreografen präsentieren sich in Nürnberg mit "Exquisite Corpse Extra".

Von Eva-Elisabeth Fischer, Nürnberg

Der Titel klingt pikant. "Exquisite Corpse Extra". Hinter dieser superben Leich' verbirgt sich einer jener Abende, die an subventionierten Ballettbühnen üblich und gelegentlich durchaus lebendig sind: Junge Choreografen präsentieren darin erstmals ihre Arbeit, beim Nürnberger Ballett ist das üblich seit 2011. In diesem Jahr müssen die Zuschauerreihen leer bleiben, und so läuft die Vorstellung, wie derzeit üblich, de facto ins Schwarze. Dass dabei die große Bühne des Nürnberger Opernhauses bespielt wurde, ist schwer zu glauben und lässt sich optisch kaum nachvollziehen.

Eine Serie von acht Stücken in drei Episoden kommt zur Aufführung. Das Spielerische hat dabei Priorität. Zunächst stellen nur drei Mitglieder des Balletts, Carlos Blanco, Edward Nunes und Andy Fernández, ihre minutenkurzen Tanzminiaturen vor. Programmatisch folgt man den Surrealisten um André Breton. Bei derlei Exerzitien einer Runde ausgesuchter Spinner war es geboten, den kritischen Geist auszuschalten, wenn sie einen langen Satz figürlich fortschrieben, ohne den jeweils vorhergehenden Beitrag gelesen zu haben. Andersherum könnte man als Betrachter das Dreierlei der präsentierten choreografischen Häppchen allen Divergenzen zum Trotz miteinander in Beziehung setzen. Als Zuschauer neigt man ja immer dazu, einen Sinnzusammenhang herstellen zu wollen. Und, siehe da, das funktioniert sogar!

Zehn Minuten sind kurz, können aber auch sehr lang sein, gemessen daran, ob ein Choreograf es versteht, Spannung aufrecht zu erhalten. Das gilt auf jeden Fall für die hochexpressive solistische Innenschau des Kubaners Carlos Blanco mit "Me Inside Me". Platterdings beim Wort genommen, stellt sich hier der Protagonist in komplexesten, bodennahen Posen zu markerschütterndem kehligem Gesang buchstäblich immer wieder selbst ein Bein - sich darüber krümmend in sichtbarer Seelenpein. In der Folge thematisiert der Brasilianer Edward Nunes in "Maria" das Leiden der Frauen am Machismo. Die eigene Mutter hat er dabei vor Augen. Sechs Frauen in weißen Hemdchen erzählen mit Schreckensgesten - Hände vor dem Mund, die Arme barmend vor der Brust - in Tanztheatermanier von Unterdrückung.

Epigonales wie dieses ist in solchen Programmen durchaus erlaubt, denn junge Choreografen müssen sich ja erst einmal an Vorbildern orientieren, um Eigenes zu entwickeln. Der Amerikaner mit puerto-ricanischen Wurzeln Andy Fernández allerdings scheitert an solchem Ehrgeiz. Er versucht, das kodifizierte System des Hip-Hop in "Music for Spirit Monkeys" zu unterlaufen. Also nimmt er den Moves den Drive, das Machogehabe und die kämpferische Attacke. Da ist dann leider komplett die Luft raus.

2. und 3. Episode am 17. April, 19.30 Uhr, Video on demand unter https://fundus.staatstheater-nuernberg.de/detail/exquisite-corpse-extra-ua

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