Politiker in sozialen Medien:"Instagram wird nicht so schnell unsexy werden"

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Welchen Einfluss hat Instagram auf die Politik und den Kampf um Sitze im Bundestag?

(Foto: Michael Kappeler/dpa/Bearbeitung SZ)

Robert Habeck beim Joggen, Dorothee Bär mit Hund, Kevin Kühnert im Fußballstadion: Politiker sind auf Instagram unterwegs. Politikberater Martin Fuchs erklärt, wer sich dabei gut anstellt - und warum die AfD lieber Facebook mag.

Interview von Simon Hurtz, Berlin

Facebook, Instagram oder Tiktok? Welches soziale Netzwerk jemand am liebsten nutzt, ist meist eine Frage des Alters. Menschen von Anfang 20 bis Mitte 40 etwa trifft man am häufigsten auf Instagram. Für Politiker ist diese Generation immens wichtig, in dieser Zeitspanne festigt sich die politische Haltung. Und Instagram bietet mehr als Selfies, Essensfotos und Influencerinnen - das haben auch deutsche Parteien und Abgeordnete erkannt, die sich dort tummeln. Wie verändert das die Politik? Ein Anruf bei Digital- und Politikberater Martin Fuchs.

SZ: Herr Fuchs, wird die Bundestagswahl auf Instagram entschieden?

Martin Fuchs: Definitiv nicht. Die Wahl wird auf keiner einzelnen Plattform entschieden. Parteien müssen alle analogen und digitalen Wege gehen, um Menschen zu mobilisieren. Im Vergleich zu 2017 hat Instagram aber massiv an Bedeutung gewonnen.

Fast 90 Prozent der Abgeordneten des Bundestags haben einen Instagram-Account. Warum ist die Plattform für sie so interessant?

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Dieser Artikel ist Teil des Projekts #wahlfilter, mit dem die SZ untersucht, welche Rolle der Instagram-Algorithmus im Bundestagswahlkampf 2021 spielt. Unsere Leserinnen und Leser können dabei mithelfen, die "Black Box" Instagram zu durchleuchten. Mehr zum Projekt sowie alle Artikel und Videos finden sie unter sz.de/wahlfilter.

Das hat mehrere Gründe. Zum einen hat Instagram in Deutschland Facebook bei der täglichen Nutzung überholt. Es ist also ein echtes Massenmedium, über das man Millionen Menschen erreicht. Zum anderen kann man sich auf keiner anderen Plattform so ungestört inszenieren wie auf Instagram. Die Erlebniswelt ist fast komplett geschlossen, es gibt weniger Widerspruch als etwa auf Facebook oder Twitter, wo gern heftig gestritten wird. Abgesehen von Tiktok baut man nirgendwo sonst eine solche emotionale Nähe auf.

Emotionale Nähe ist nicht das Erste, was einem zu Politik einfällt. Wie behaupten sich Ministerinnen und Parteifunktionäre in einem Feed mit Freunden, Influencerinnen und Promis?

Tatsächlich sieht man eine Menge Graubrot-Content: ein bisschen uninspiriert, nicht gut kuratiert und produziert. Da reicht ein Blick auf die Accounts vieler Bundestagsmitglieder oder Lokalpolitikerinnen. Aber es gibt auch Gegenbeispiele. Markus Söder, Aminata Touré und Robert Habeck haben sehr gut verstanden, wie Instagram funktioniert. Dafür braucht es auch keine fancy Filter. Sie vermitteln den Eindruck, Menschen an ihrem Alltag teilhaben zu lassen. Da postet Söder etwa Bilder von seiner Radtour, Habeck teilt verschwitzte Selfies beim Joggen oder gibt vor seinem Bücherregal Lesetipps. Das ist oft komplett inszeniert, trotzdem wirken sie glaubwürdig und nahbar. Auf keiner anderen Plattform kommt man Politikerinnen und Politikern so nah.

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Der unabhängige Digitalberater Martin Fuchs analysiert, was Politiker und Parteien im Internet treiben.

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Wer macht das besonders gut?

Dorothee Bär, die Staatministerin für Digitalisierung, hat eine eigene Form der Kommunikation gefunden. Das hat wenig damit zu tun, wie sie sich in der Berliner Politikblase darstellt. Auf Instagram zeigt sie sich als starke Frau und setzt sich für Gleichberechtigung ein. Damit gewinnt sie viele junge Nutzerinnen für sich. Ganz anders, aber ebenfalls gelungen finde ich den Auftritt der Bundesregierung rund um Angela Merkel. Da sieht man eine Mischung aus Informationen, Redeausschnitten und Blicken hinter die Kulissen. Die Kanzlerin weiß vermutlich gar nicht immer im Detail, was da mit ihr geschieht, aber die Inszenierung passt zu Instagram.

Habeck, Touré und Bär sind verhältnismäßig jung. Ist es eine Frage des Alters, ob und wie Instagram politisch genutzt wird?

Die Unterscheidung würde ich nicht aufmachen. Es gibt junge Politikerinnen, die überhaupt nicht verinnerlicht haben, wie die Plattform tickt. Und ältere, die ganz natürlich auf Instagram kommunizieren. Entscheidend ist etwas anderes: Bin ich bereit, mich auf ein neues Medium einzulassen? Und habe ich den Mut, mich nahbarer und vielleicht weniger staatstragend zu geben, als es manche Parteikollegen für angemessen halten?

Politik ist komplex, Social Media belohnt oft einfache Botschaften. Wie verändert Instagram die politische Kommunikation?

Ich glaube nicht, dass Inhalte auf Social Media immer kurz oder verkürzt sein müssen. Gerade Instagram bietet eine viel bessere Möglichkeit, Menschen über einen längeren Zeitraum und kontinuierlich zu erreichen als herkömmliche Medien. Mir fällt da der Grünen-Politiker Lasse Petersdotter aus Schleswig-Holstein ein, der hochkomplexe finanzpolitische Themen verständlich und dramaturgisch spannend in sehr reduzierten Insta-Stories erklärt. Für mich ist Instagram eher eine Chance als eine Gefahr für politische Kommunikation. Man kann mit Menschen in Kontakt kommen, die sich sonst vielleicht nicht für Politik interessieren.

Corona-Hilfen und Bafög auf Instagram zu erklären, wie es Petersdotter macht, ist eher die Ausnahme. Welche politischen Inhalte funktionieren dort am besten?

Fridays for Future, Klimaschutz und alles, was mit Umweltpolitik zu tun hat, das findet oft großen Widerhall. Andere starke Themen sind Gender, LGBTQ und Menschenrechte, also Fragen, die auch viele Jüngere bewegen. In der Corona-Pandemie werden Politiker belohnt, die klar Stellung beziehen. Zum Beispiel drehen sich einige der erfolgreichsten Postings des Außenministers um Innenpolitik: Heiko Maas hat sehr eindeutige Aussagen zur "Querdenker"-Bewegung gemacht, was offenbar viele Menschen gut fanden.

Wir sprechen gerade viel über Personen und wenig über Parteien.

Instagram hat einen stark personalisierenden Effekt. Genau wie Influencer können Politikerinnen die Plattform nutzen, um ihre eigene Marke aufzubauen. Klassische Parteistrukturen verlieren an Bedeutung: Mitglieder ohne Mandat oder Funktion können trotzdem große Reichweite und damit auch Macht entwickeln. Das verändert parteiinterne Diskurse und ermöglicht es Quereinsteigern und Jüngeren, schneller auf sich aufmerksam zu machen.

Keine Partei versteht es besser, Facebook für die eigenen Zwecke zu nutzen, als die AfD. Gilt das auch für Instagram?

Der Social-Media-Erfolg der AfD zeigt sich in erster Linie auf Facebook. Die Logik der Partei ist voll auf Facebook ausgerichtet, dort funktionieren ihre Inhalte am besten. Auf Instagram tut sich die AfD viel schwerer. Sie hat sich mittlerweile eine gewisse Community aufgebaut, aber die Reichweite ist nicht mit Facebook zu vergleichen.

Wie erfolgreich sind Rechtsradikale und andere Extremisten auf Instagram, die dort losgelöst von Parteistrukturen unterwegs sind?

Rechte haben es schon immer gut verstanden, neue Medien und Kommunikationsplattformen strategisch zu nutzen. Das zeigt sich auch auf Instagram, wo die rechte Szene subtil und ganz gezielt versucht, junge Menschen anzusprechen. Sie vereinnahmen die Popkultur, nutzen Codes und bauen Influencerinnen auf, die sich vermeintlich unpolitisch geben. Da geht es dann um Heimat, Natur oder deutsches Essen. Mit solchen Inhalten werden Nutzerinnen und Nutzer geködert und dann später politisiert. Im Feed geht es noch harmlos zu, in den Stories wird es drastischer. Auf anderen Plattformen wie Telegram fallen dann alle Masken.

Facebook und Youtube wird oft vorgeworfen, dass ihre Algorithmen zu Radikalisierung beitragen. Wie sieht das auf Instagram aus?

Die spielen auch auf Instagram eine Rolle. Aber es sind vor allem Menschen, die wenig von Technik und digitaler Kultur verstehen, die sagen: Algorithmen gefährden die Demokratie. Ich will das Risiko nicht klein reden, aber alles nur mit Technik zu erklären, ist unterkomplex.

Bei der Bundestagswahl 2017 hieß das SZ-Datenprojekt "Der Facebook-Faktor". In diesem Jahr geht es um Instagram. Welche Plattformen werden 2025 bei der Wahl die größte Rolle spielen?

Okay, zum Abschluss die Eine-Million-Dollar-Frage. Meine Glaskugel rotiert heftig, aber ich fürchte, das kann man nicht seriös voraussagen. Tiktok hat ja auch niemand kommen sehen. Aber zumindest bei einer Sache bin ich mir relativ sicher: Der Facebook-Konzern ist klug genug, aus den Fehlern zu lernen, die er mit der Facebook-App gemacht hat. Instagram wird nicht so schnell unsexy und alt werden. Ich glaube, dass wir auch in vier Jahren noch über Instagram reden werden.

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