Finanzen:Oberschleißheim verliert 5,5 Millionen im Greensill-Skandal

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Der Kommune stehen "Hungerjahre" bevor, die Neubaupläne für ein Hallenbad müssen ausgesetzt werden.

Von Klaus Bachhuber, Oberschleißheim

Beim Crash der Bremer Greensill Bank hat die Gemeinde Oberschleißheim fünf Millionen Euro verloren, nahezu ihre gesamten Ersparnisse. Seit 2019 hatte das Rathaus über zwei Drittel seiner Rücklagen in einer Geldanlage konzentriert, um dort 0,45 Prozent Zinsen abzugreifen. Die Gemeinde hat nun zunächst die Neubaupläne für ein Hallenbad begraben müssen. Ende 2021 wird Oberschleißheim wohl komplett ohne Anlagevermögen dastehen. Bürgermeister Markus Böck (CSU) nannte die Situation "äußerst fatal", der Gemeinde würden nun "Hungerjahre" bevorstehen.

Es waren wohl Dutzende Kommunen, die bei der Greensill Bank ihr Festgeld angelegt haben, um Negativzinsen bei kommunalen Geldinstituten zu vermeiden. Die Bremer Tochter einer australisch-britischen Muttergesellschaft hatte mit Zinssätzen im Bereich eines halben Prozents gelockt. In einem Zeitraum zwischen Juli 2019 und August 2020 hat das Oberschleißheimer Rathaus in fünf Tranchen frei werdende Geldanlagen immer wieder nach Bremen transferiert, zu Zinssätzen von 0,44 bis 0,51 Prozent. Anfang März dieses Jahres stellte die bundesdeutsche Finanzaufsicht den Zahlungsverkehr der Greensill Bank ein, Mitte März wurde das Insolvenzverfahren eröffnet, zudem wurde Strafanzeige wegen des Verdachts auf Bilanzmanipulation gestellt.

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Es habe schon "diverse Termine" mit der Insolvenzverwaltung gegeben, berichtete Böck dem Finanzausschuss des Gemeinderats, aber ob man Chancen habe, etwas Geld wiederzusehen, stehe "in den Sternen". Mindestens ist zu erwarten, dass sich die diesbezüglichen Verhandlungen über Jahre hinziehen werden. Die staatlich garantierte Einlagensicherung, über die Privatanleger bei Bankpleiten entschädigt werden, greift für Kommunen nämlich nicht.

Böck versicherte dem Ausschuss, die Anlage habe zum Zeitpunkt der Abschlüsse "völlig seriös" gewirkt. Die Bank habe beste Ratings vorgewiesen und man habe zu "völlig marktüblichen Zinssätzen" angelegt und "in keinster Weise spekulativ". Es sei "nicht wirklich was falsch gemacht worden, nur blöd gelaufen". Die erste Anlage hatte der damalige Bürgermeister Christian Kuchlbauer (Freie Wähler) zusammen mit der Gemeindekämmerei getätigt, zwei weitere folgten, die jüngsten beiden unterzeichnete bereits Böck. Der Gemeinderat war in die Anlage von fünf Millionen Euro nicht involviert, hatte sich andererseits aber offenbar auch nie darum gekümmert.

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Nach dem Verlust hat Oberschleißheim aktuell noch knapp zwei Millionen Euro Rücklagen, von denen 1,8 Millionen Euro zur Deckung des Etats 2021 vorgesehen sind. Demnach wird die Gemeinde zum Jahresende gerade noch die gesetzliche Mindestrücklage zur Sicherstellung der Liquidität besitzen. Folglich ist von 2022 an nahezu jede größere Investition nur mit einem Kredit zu finanzieren. Unter anderem wäre ein neues Kinderhaus überfällig. Den in den kommenden Jahren geplanten Neubau des Hallenbades für kalkulierte zwölf Millionen Euro hat der Gemeinderat schon mal ohne einen Termin zur Wiedervorlage abgesetzt.

Die Gemeinde hat nach Darstellung Böcks zunächst die Rechtsaufsicht im Landratsamt informiert, dann setzte der Bürgermeister die Gemeinderatsfraktionen in Kenntnis. Bei der Sitzung des Finanzausschusses am Dienstagabend machte er das Malheur dann publik. Die Grünen zeigten sich verwundert, warum die Gemeinde zwei Drittel ihres Anlagevermögens auf eine Bank konzentriert habe. Und 0,45 Prozent Zinsen seien derzeit durchaus ungewöhnlich, rügte ihr Sprecher Fritz-Gerrit Kropp: "Da hätte man schon deutlich vorsichtiger agieren können."

Böck sagte, es sei "glasklar, dass sich was ändern muss". Er werde "eine Art Richtlinie" zur Geldanlage vorlegen. Für die SPD-Fraktion forderte Florian Spirkl, bei derartigen Anlagesummen künftig wieder den Gemeinderat einzubeziehen. "Dieser Aufgabe müssen wir uns stellen", sagte er.

© SZ vom 15.04.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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