Klimaschutz:Wie Münchner Lokale umweltfreundlicher werden sollen

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Die "Goldene Rakete" gibt es dreimal in der Stadt - für Gerichte zum Mitnehmen gibt es in den Lokalen seit eineinhalb Jahren Mehrweggeschirr. (Foto: Stephan Rumpf)

Die Zeit drängt: Bald darf die Gastronomie kein Wegwerf-Geschirr mehr ausgeben. Fünf Mehrweg-Pfandsysteme gibt es bereits, jetzt will auch die Stadt helfen.

Von Jakob Wetzel, München

Das System hat sich eingespielt. Anfangs, vor etwa eineinhalb Jahren, sei der Zuspruch der Gäste noch verhalten gewesen, sagt Andreas Salger. Seine drei "Goldene Rakete"-Restaurants in Neuhausen, Schwabing und in der Isarvorstadt sind ihm zufolge damals unter den ersten gewesen, die sich in der Stadt an einem Pfandsystem für Mehrweggeschirr beteiligt hätten. Für den Klima- und Umweltschutz, sagt Salger: "Wenn man sieht, was man an Einweg-Verpackungen rausballert, das ist ja nicht cool".

Aus Sicht der Gäste hätten anfangs aber noch zu wenige Lokale mitgemacht, in denen sie das Geschirr auch wieder zurückgeben konnten. Inzwischen aber gebe es ein solches Netzwerk. Und wenn Gäste jetzt in einem seiner Lokale etwas zum Abholen bestellen, einen der Salate oder der Burger, wolle bereits etwa jeder Vierte ein Mehrweg-Geschirr haben, keine Verpackung zum Wegwerfen.

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Salgers Lokale beteiligen sich am Mehrweg-System der Firma Vytal, einem von fünf überregionalen Pfandsystemen, die sich bisher in München etabliert haben. Die Goldene Rakete kann damit beispielhaft stehen für einen Wandel, mit dem alle Gastronomie-Betriebe in Deutschland zu tun haben: Sie müssen rasch weg von Einweg-Plastikverpackungen und Styroporbechern.

Vor dieser Veränderung stehen sie ausgerechnet in der Corona-Pandemie, in der viele Lokale geschlossen sind, sodass ihnen nur das Geschäft "to go" bleibt. Während die Umsätze eingebrochen sind, hat sich der Verkauf außer Haus und damit die Menge an Verpackung vervielfacht. Die Stadt München möchte die Betriebe unterstützen, den Wandel anzugehen. Anfang Mai will der Stadtrat entscheiden, wie.

Die Zeit drängt bereits. Schon vom 3. Juli an dürfen in Deutschland kein Wegwerf-Geschirr und Einweg-Besteck aus Plastik mehr in Umlauf gebracht werden. Ab 2023 soll es eine noch weitergehende Mehrweg-Pflicht geben; das hat das Bundeskabinett beschlossen, der Bundestag muss noch entscheiden. Geplant ist, dass Cafés und Restaurants, die Getränke oder Essen "to go" anbieten, diese zwingend auch in Mehrweg-Verpackungen anbieten müssen. Für kleine Betriebe soll es Ausnahmen geben.

Um bei der Umstellung zu helfen, will die Stadt hauptsächlich auf mehr Beratung setzen: Das Kommunalreferat schlägt unter anderem eine digitale Informationsplattform vor; die Stadtratsfraktionen von Grünen und Rosa Liste, SPD und Volt hatten im Juli vergangenen Jahres eine solche Anlaufstelle angeregt. Im Raum steht auch eine kommunale Steuer auf Einwegverpackungen und -geschirr; das hatten ÖDP und Freie Wähler im Dezember vorgeschlagen.

Eine solche Abgabe sei rechtlich wohl zulässig, urteilt die Stadtverwaltung; es sei aber fraglich, wie wirksam sie noch sei, wenn Einweg-Geschirr aus Plastik ab dem 3. Juli bereits verboten sei. Ebenfalls im Gespräch ist eine Finanzspritze, um Mehrweg-Systemen zum Durchbruch zu verhelfen; auch das hatten ÖDP und Freie Wähler angeregt, mit Verweis auf Tübingen. Dort konnten sich Gastro-Betriebe zuletzt Anschaffungskosten von Mehrweg-Geschirr oder Spülmaschinen oder auch Kosten für ein Pfand-Pool-System erstatten lassen.

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Die bisher in München vertretenen Systeme Recup, Vytal, Tiffin Loop, Recircle und Relevo funktionieren unterschiedlich. Bei Vytal zum Beispiel fallen für Lokale keine Anschaffungskosten an, dafür gibt es laufende Kosten: Abgerechnet wird pro Ausleihe. "Wir haben nichts investieren müssen, nur etwas Zeit, um es den Kunden zu erklären", sagt auch Roberto Careri. Mit seinem italienischen Feinkostgeschäft "Trinacria - der Sizilianer" an der Balanstraße in Haidhausen kooperiert er seit Oktober mit der Münchner Firma Relevo. Er habe sich schon gedacht, dass im Viertel viele umweltbewusste Leute lebten, sagt er. Tatsächlich sei das Pfandsystem gut angenommen worden. Mittlerweile wählten schon etwa 40 Prozent der Kunden die Mehrweg-Verpackungen.

Kosten habe er aber natürlich schon. Es koste ihn zum Beispiel 20 Cent, eine Schüssel auszugeben, sagt Careri, das sei doppelt so viel wie bei einer Einweg-Verpackung. Wenn die Stadt über eine Förderung nachdenke, sei das gut. "Wir zahlen das der Umwelt zuliebe gerne, aber es darf auch ein bisschen weniger kosten". Idealerweise solle sie auch versuchen, ein einheitliches System zu schaffen, findet er.

Andreas Salger von der Goldenen Rakete hat noch einen Vorschlag: Gutscheine. Einige Kommunen hätten zuletzt versucht, Betrieben mit solchen Bons durch die Krise zu helfen. Wenn man Verzehr-Gutscheine an die Bedingung knüpfe, dass Mehrweg-Geschirr verwendet wird, würden viele die Pfandsysteme neu kennenlernen, glaubt Salger. "Von solchen Gutscheinen würde die Gastronomie extrem profitieren." Die Mehrweg-Systeme auch. Und am Ende die Stadt.

© SZ vom 16.04.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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