Machtkampf beim DFB:Die Fußball-Basis hat genug

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Im Zentrum vieler Debatten: DFB-Präsident Fritz Keller (links) und Vize Rainer Koch (Mitte). (Foto: Maik Hölter/TEAM2sportphto/imago images/Team 2)

Landes- und Regionalverbände bereiten einen scharfen Protestbrief an den DFB vor, dessen Zustand sie als "desolat" wahrnehmen. Die Unterzeichner fordern einen Schnitt an der Spitze, besonders heikel ist das für Vize Rainer Koch.

Von Thomas Kistner, München

Alles beim Alten am Frankfurter Sitz des Deutschen Fußball-Bundes: Es wird kraftvoll intrigiert und gefeuert, gemahnt und geklagt. Allerdings bleibt der Machtkampf zwischen den Funktionärslagern um Generalsekretär Friedrich Curtius und Präsident Fritz Keller auch der Basis nicht verborgen. Hinter den Kulissen formulieren Landes- und Regionalverbände gerade eine scharfe Protestnote. Ihre Präsidenten erwarten von der zerrissenen DFB-Spitze nun Rechenschaft, endlich Klartext zum bizarren Grabenkrieg im Sieben-Millionen-Mitglieder-Verband, dessen Zustand sie als "desolat" wahrnehmen. So steht es in dem Entwurf für ein Positionspapier, das der SZ vorliegt und nächste Woche offiziell an das DFB-Präsidium ergehen soll.

An der DFB-Spitze, heißt es in dem Schreiben, brauche es jetzt den klaren Schnitt: "Eine Zusammenarbeit zwischen Fritz Keller, Friedrich Curtius, Stephan Osnabrügge und Rainer Koch ist in der aktuellen Konstellation undenkbar."

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Die große Mehrheit der Landespräsidenten stützt diese Erklärung, die seit Wochenanfang diskret unter gut zwei Dutzend Topfunktionären kursiert - und in bemerkenswerter Offenheit die widerstreitenden Lager benennt. Hier Curtius, Schatzmeister Osnabrügge sowie der ewige erste Vizepräsident Koch, die in der Vergangenheit, wie lobend erwähnt wird, "sehr viele positive und elementar wichtige Prozesse angestoßen" hätten. Und auf der anderen Seite: Fritz Keller. "Ein authentischer Präsident", wie ihn das Gros der Landesfürsten wahrnimmt, "der glaubwürdig um Aufklärung der offenen Fälle aus der älteren und jüngsten Vergangenheit bemüht ist." Ein guter Teil dieser "Fälle" hat bezeichnenderweise mit dem Trio um Curtius und Koch zu tun - da verwundert es nicht, dass der Entwurf seit Tagen aufgeregte Flüsterdebatten in der DFB-Zentrale nährt.

Die Amateurvertreter beklagen, dass die absurden Verwerfungen an der Spitze nicht nur die Außendarstellung des Riesenverbandes beschädigen, sondern auch in ihre ureigenen Gefilde abstrahlen: "Hausdurchsuchungen und Ermittlungsverfahren gegen DFB-Funktionäre und persönliche Differenzen an der DFB-Spitze schaden nicht nur dem DFB selbst, sondern auch allen Regionalverbänden und Landesverbänden bis hin zu Kreisfußballverbänden und Vereinen. Sie schaden dem Fußball in seiner Gesamtheit."

Die Resthoffnung auf einen Burgfrieden sei Anfang März geplatzt

Das ans Präsidium gerichtete Schreiben, das erst zur Sitzung des Gremiums Ende nächster Woche vorgelegt werden sollte, war Ende März in Schleswig-Holstein aufgesetzt worden. Nach SZ-Informationen wird es bisher von weiteren 16 Kollegen unterstützt; die restlichen vier sollen sich bis zum Stichtag nicht geäußert haben. Dass die Amateurfürsten nun zur Notbremse greifen, liegt daran, dass ihre Resthoffnung auf einen Burgfrieden bei der unbefriedigenden Länderkonferenz am 8. März zerplatzt sei. Ein Weiter-so sei nun undenkbar, jeder Tag mehr werde "nicht nur den Personen selbst, sondern vor allem dem gesamten Fußball in Deutschland massiv schaden".

Das einzig Positive bei besagter Krisensitzung habe Präsident Keller beigetragen: "Ungefiltert und entwaffnend ehrlich" habe er zur Schieflage des Verbandes gesprochen. Doch die handlungsunfähige Verbandsführung kreise nur um sich selbst, statt just in einer gesellschaftspolitisch "beispiellos schweren Lage" Stärke auszustrahlen. Es brauche eine Lösung.

So ein Brandbrief, auch im Entwurf-Stadium, ist besonders heikel für den langjährigen Chef des DFB-Amateurlagers: Rainer Koch, 62. Auch, weil die Kollegen den einstigen Münchner Richter, der sich in DFB-Grabenkriegen gern als Unparteiischer "an der Mittellinie" verkauft, konkret einem der Streitlager zurechnen. Koch wird im Lager von Curtius und Osnabrügge verortet, er zählt zu den Funktionären mit Altlasten, Informationshändlern und Strafermittlungen im Gepäck. Das ist jene Fraktion, die Verdienste besitzt, aber jetzt im Showdown gegen den als "authentisch" eingeschätzten Präsidenten steht.

Auch in diesem Sommer in Nationalfarben? Am Montag befindet die Uefa-Exekutive darüber, ob die Münchner Arena ihre vier EM-Partien in diesem Sommer behält. (Foto: Marc Müller/dpa)

So konstruktiv der geplante Aufstand der Amateure ist: Der sportpolitische Sprengstoff dürfte verpuffen, käme er wie geplant erst zur Präsidiumssitzung Ende nächster Woche auf den Tisch. Manchen Amateurvertreter plagt die Sorge, ein zu früher Auftritt könnte deutsche Interessen torpedieren - weil Anfang nächster Woche, Montag und Dienstag in Montreux, wegweisende Beschlüsse im internationalen Fußball anstehen. Am Genfer See tritt die Europa-Union Uefa zusammen. Am Montag befindet ihre Exekutive auch darüber, ob München seine vier EM-Partien behält; die Stadt hat bisher keine Garantien für Zuschauer im Stadion abgegeben. So wie Dublin, das nun durch Manchester ersetzt werden soll. Alle übrigen Veranstalterländer machten bereits Zusagen; und die Uefa will nicht in leere Stadien ziehen, solange ihr anderswo Arenen mit tausend Fans offenstehen.

Zudem steht die Reform der Champions League ab 2024 auf der Agenda. Zu diesem Thema wird Uefa-Vorstand Koch bereits mit Protestnoten deutscher Vereine eingedeckt, denn der mächtige Spitzenklub-Verbund ECA fordert auch in der geplanten, von 32 auf 36 aufgestockten Meisterliga mehr Startplätze für seine Klientel. Auf erbitterten Widerstand stößt die Idee, feste Startplätze über eine Zehn-Jahres-Rangliste an Traditionsklubs zu vergeben, die sich über die Liga vielleicht nicht qualifizieren - aber dank vergangener Erfolge in der Königsklasse gesetzt sein sollen. Wie wird der passionierte Taktiker Koch, daheim Amateurvertreter, damit umgehen?

Wie angespannt die Lage auch im Amateurlager ist, zeigt ein Vorgang aus dem Rheinland

Noch heikler wird es dann am Dienstag. Dann wählt der Uefa-Konvent acht neue Vorstandsmitglieder. Koch, der zur Wiederwahl steht, ist einer von neun Kandidaten, doch nicht nur an der Uefa-Spitze wird der Deutsche mit Unbehagen beäugt. Der Kreis um Präsident Aleksander Ceferin wähnt Koch allzu nahe an Fifa-Boss Gianni Infantino - dessen ständige Attacken auf die Uefa sehr zu den Turbulenzen um eine Reform der Champions League beitrugen. Die ECA droht mit Abspaltung und Superliga.

So gärt auch im Uefa-Vorstand Skepsis, ob es wirklich gleich zwei deutsche Vertreter in den Leitgremien von Uefa und Fifa braucht, zumal eingedenk des eskalierenden Führungsdesasters im DFB. Einen Fixplatz haben die Deutschen ja sicher: Peter Peters rückt definitiv - auf dem Uefa-Ticket - in den Rat des Weltverbands Fifa ein. Als Fifa-Vorstand darf er auch mit der Uefa-Exekutive tagen, zwar ohne formales Stimmrecht, aber mit der Macht eines Großverbandes im Rücken. Die deutsche Repräsentanz auf internationaler Bühne ist also gesichert. Da stellt nun mancher die Frage, ob wirklich auch Koch in ein weiteres internationales Gremium einziehen muss. Als zweiter Vertreter eines DFB, in dem er, Koch, in seiner Amtszeit die turbulenten Abgänge dreier Präsidenten miterlebt hat und gerade die Demontage des vierten aus nächster Nähe begleitet; eines Verbandes, dessen Erscheinungsbild kaum noch zu unterscheiden ist von dem eines lokalen Karnevalsvereins.

Wie angespannt die Lage auch im Amateurlager ist, zeigt ein typischer Vorgang. Kaum war die in Schleswig-Holstein entworfene Protestnote zur Kenntnisnahme rundgegangen, kursierte plötzlich ein Schreiben aus dem Rheinland. Darin wird der "liebe Rainer" gebeten, er möge doch selbst zu einem Krisentreffen der Regionalfürsten einladen: zwei Tage nach der Uefa-Kür, und explizit ohne Keller und Curtius. Wieder mal als vermeintlich Unparteiischer an der Mittellinie solle er die Amateure über die Schlachten an der Spitze aufklären sowie über den Stand des Steuerstrafverfahrens, in dem er selbst als beschuldigt gilt - natürlich mithilfe "unabhängiger und neutraler Berichterstatter". Solche lassen sich wohl finden.

Die Idee, bei einem strikt abgeschotteten Treffen der Kritiker ausgerechnet den Musterstrategen als Aufklärer zu bestellen, fand wenig Anklang. Das würde eher "nicht aus der Krise führen", heißt es in einem Austausch dazu. Was nicht ganz richtig ist: Einem bestimmten Funktionär hülfe das schon.

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