Golf:Cool in der Kälte

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Extra die Mütze abgenommen: Auch Martin Kaymer legt in Gedenken an Prinz Philip eine Schweigeminute während der dritten Runde ein. (Foto: Andrew Redington/Getty)

Seit fast sieben Jahren wartet Martin Kaymer auf einen Sieg. Nun hat er in Österreich die Chance: Vor der Schlussrunde führt er das Feld an.

Von Felix Haselsteiner, Atzenbrugg/München

7529 Kilometer, etwa 25 Grad Außentemperatur und mindestens eine Golfwelt liegen zwischen dem Pinehurst Resort in North Carolina und der kleinen niederösterreichischen Ortschaft Atzenbrugg. Pinehurst No. 2 ist einer der legendärsten Plätze der Golfgeschichte, alle paar Jahre werden dort die US Open ausgetragen. Es ist ein warmer, sonniger Ort im ländlichen North Carolina mit einem riesenhaften Südstaaten-Clubhaus, einem extrem schwierigen, sandigen Terrain umringt von wohlriechenden Pinienwäldern. Atzenbrugg ist Heimat des Diamond Country Clubs, eines sehr eleganten, österreichischen Golfplatzes, in dem jedoch die Winter hart und die Grüns weich sind. Pinien wachsen in Atzenbrugg nicht.

Ein weiterer Unterschied ist, dass im Clubhaus in Pinehurst ein Foto von Martin Kaymer hängt, wie er den Pokal des US-Open-Siegers in die Höhe hält. Kaymer ist in North Carolina ein hochrespektierter Mann, jeder in Pinehurst kennt schließlich den Namen des Mannes, der ihren Platz damals, bei den US Open 2014, mit einem Gesamtscore von neun Schlägen unter Par völlig in seine Einzelteile zerlegte. Kaymers Sieg ist eine der beachtenswertesten Leistungen in der Geschichte seines Sports; eine, die ihm in den USA viel Respekt eingebracht hat und in Kaymers Heimatland gerne vergessen wird - ein Phänomen, das Kaymer sich mit Sportlern wie Dirk Nowitzki und Leon Draisaitl teilt. Acht Schläge Vorsprung hatte er damals vor den Zweitplatzierten, führte am Donnerstag, Freitag, Samstag und Sonntag durchgehend. Er gewann so deutlich wie das sonst nur Tiger Woods vor ihm geschafft hatte.

In Atzenbrugg brauchen die Spieler dicke Fäustlinge

Sieben Jahre später liegt Kaymer nun an einem Samstagabend erneut bei einem Gesamtscore von neun Schlägen unter Par in (geteilter) Führung. (Auf Platz drei lauert, einen Schlag zurück, der Düsseldorfer Maximilian Kieffer.) In Atzenbrugg, wo die European Tour an diesem Wochenende gastiert, weil das Turnier in Portugal abgesagt werden musste, kämpfte sich Kaymer am dritten Turniertag erneut hervorragend durch die 18 Löcher in der niederösterreichischen Kälte, die dazu führt, dass manche Spieler sich während ihrer Runden zwischen den Schlägen dicke Fäustlinge anziehen, damit ihre Finger nicht kalt werden.

"Es ist gut, wieder in der Position zu sein, um ein Golfturnier zu gewinnen", sagte Kaymer nach seiner dritten Runde. Seit jenem überragendem Sieg in Pinehurst 2014 hat Kaymer kein Turnier mehr gewonnen. "Es ist schon ein bisschen her", sagt der 36-Jährige. Mit der Erfahrung von zwei Major-Siegen, elf European-Tour-Siegen, drei Ryder-Cup-Teilnahmen und einer kurzen Zeit als Nummer Eins im Golfsport weiß Kaymer, dass Gewinnen im Golf irrsinnig schwierig ist - und das einiges zusammenkommen muss, damit es perfekt läuft.

Ungewöhnliche Aussichten: Martin Kaymer auf der zehnten Bahn von Atzenbrugg. Als einer von wenigen Spielern trug der Deutsche keine winterliche Mütze. (Foto: Andrew Redington/Getty Images)

Lange Zeit war das in den vergangenen Jahren nicht so. Kaymer spielte jahrelang nur noch mit, ohne Siegen nahe zu kommen. Das führte ihn im Jahr 2018 auf Platz 172 der Weltrangliste, selbst sein Status als Bezwinger von Pinehurst wurde da Makulatur. Vom Tiefpunkt weg hat der Mettmanner jedoch wieder einen Weg gefunden, um mithalten zu können. 2019 wäre er beinahe in den USA beim Memorial Tournament siegreich gewesen, im vergangenen Jahr hatte er mehrfach gute Gelegenheiten für erste Plätze. Das alles unter erschwerten Bedingungen: Kaymer ist nicht mehr auf der PGA Tour in den USA spielberechtigt, sondern musste ausgerechnet in der Corona-Phase, in denen die europäischen Turniere unter einer schwierigen Terminplanung und mangelnder Finanzierung leiden, wieder vollständig nach Europa zurückkehren.

In Atzenbrugg ist ihm das nun erneut gelungen, Kaymer hat am Sonntag eine gute Chance auf den erhofften Sieg. Der wäre, rein sportlich betrachtet, sicherlich weniger beachtlich als sein Triumph bei den US Open 2014. Für Kaymer jedoch wäre es eine Erlösung, "es wäre wichtig für das Selbstvertrauen", sagte er vor der vierten Runde. Und es wäre ein Sieg, der den Weg von seinem aktuellen Weltranglistenplatz 99 wieder in die vorderste Front bringen könnte. Mit 36 Jahren ist Kaymer noch längst nicht am Ende seiner Karriere - und 2024 finden die US Open erneut in Pinehurst statt.

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