James David Vance:Sensationsautor, der sich Trump annähert

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Schriftsteller J. D. Vance auf einer Tech-Konferenz im Jahr 2018. (Foto: STEVE JENNINGS/Getty Images via AFP)

Mit seinem Buch "Hillbilly Elegy" wurde James David Vance 2016 zu einer Art offiziellem Trump-Wähler-Erklärer. Nun hegt er offenbar selbst politische Ambitionen.

Von Hubert Wetzel

Die US-Bundesstraße 23 führt von Florida bis hinauf nach Michigan. Sie durchquert dabei die Appalachen, jene arme, ländliche, bewaldete Bergregion im Osten der USA. Dort leben die "Hillbillies", die Hinterwäldler aus den Hügeln, und von dort sind die Großeltern von J. D. Vance in den Sechzigerjahren ausgewandert, so wie Hunderttausende andere Menschen aus Kentucky, Tennessee, Georgia oder den Carolinas. Sie sind die Route 23, den "Hillbilly Highway", nach Norden gefahren, um in den Fabriken des Rostgürtels, der damals noch nicht verrostet war, sondern glänzte, Arbeit zu finden. Gelandet sind sie in der Stahlstadt Middletown in Ohio, und dort baute sich der Großvater von Vance ein gutes Mittelklasseleben auf - der amerikanische Traum.

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In Middletown wurde James David Vance am 2. August 1984 geboren. Der amerikanische Traum begann damals allerdings zu zerbrechen. Die Fabriken und Stahlwerke in Ohio machten dicht, die Arbeitsplätze wurden ins Ausland verlegt, zurück blieben Industrieruinen und verzweifelte Menschen. Vances' Mutter Bev betäubte das Elend mit Opioiden und wechselnden Männern. Der junge J. D. wurde weitgehend von seiner Oma großgezogen, seiner "Mamaw", einer etwas ruppigen Frau, die aber entschlossen war, dass aus ihrem Enkel etwas werden solle. Das hat sie geschafft: Vance absolvierte die Highschool, ging zur Marineinfanterie, studierte Politikwissenschaft an der Ohio State University und danach Jura in Yale. Er zog nach San Francisco, arbeitete dort für eine Firma des Investors und Milliardärs Peter Thiel und wurde reich.

Netflix machte aus dem Buch einen klischeetriefenden Film

Nachlesen kann man das alles in "Hillbilly Elegy", der Autobiografie, die Vance im Sommer 2016 veröffentlicht hat. Das Buch, aus dem Netflix voriges Jahr einen klischeetriefenden Film gemacht hat, war sofort eine Sensation, weil es dem linksliberalen, urbanen Amerika ein Blick auf einen weitgehend ignorierten Teil der Bevölkerung eröffnete: arme Weiße draußen im Land. Es wurde zu einer noch größeren Sensation, nachdem sehr viele dieser armen weißen Amerikaner im November 2016 zum republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump übergelaufen waren und ihm so zum Sieg verholfen hatten. Vance wurde damals zu einer Art offiziellem Trump-Wähler-Erklärer.

Das war insofern interessant, als Vance 2016 kein Trump-Fan war. Vance ist ein zurückhaltender und zudem sehr intelligenter Mensch, mit dem polternden Populisten Trump konnte er nichts anfangen. Doch das hat sich geändert. Glaubt man den Gerüchten, dann plant Vance, nächstes Jahr in Ohio für die Republikaner für einen Sitz im US-Senat zu kandidieren. Zuerst müsste er jedoch die parteiinterne Vorwahl gewinnen, und ohne den Segen von Trump wird das schwierig. In den vergangenen Wochen hat Vance deswegen angefangen, sich zumindest rhetorisch an Trump anzunähern. Und er hat Geld gesammelt. Von Thiel, einem republikanischen Großspender, bekam er zehn Millionen US-Dollar. Das reicht für den Anfang.

2017 zog er mit seiner Familie von Kalifornien zurück nach Ohio

Es gibt Menschen in den Appalachen und im Rostgürtel, die Vance regelrecht hassen. Aus ihrer Sicht hat er mit seinem Buch ein Stereotyp des dumpfen, rechten Hillbillys zementiert, der sich in seiner Rückständigkeit und seinen Ressentiments suhlt. Dass Vance 2017 mit seiner Familie von Kalifornien zurück nach Ohio gezogen ist, um zusammen mit anderen Silicon-Valley-Investoren zu versuchen, Geld in die Region zu lenken und neue Arbeitsplätze zu schaffen, hat den Zorn auf ihn nicht gedämpft.

Im Gegenteil: Eine der Firmen, die Vance in Kentucky aufgebaut hat, eine automatisierte Hightech-Gemüsefarm namens App Harvest, zahlt 13 bis 14 Dollar pro Stunde. In den pleitegegangenen Kohlebergwerken verdienten die Arbeiter früher das Doppelte, und sie hatten Jobs, auf die sie stolz waren. Roboter in einem gigantischen Gewächshaus beim Pflücken von Kirschtomaten zu überwachen, ist kein echter Ersatz.

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