Leserbriefe zu Ursula von der Leyen:Bloßstellung in Ankara

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Die Herren saßen schon, als sie kam: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen blieb beim Treffen mit dem türkischen Ministerpräsidenten nur der Platz auf dem Sofa, was von vielen als Düpierung der ranghöchsten EU-Politikerin gewertet wurde. (Foto: dpa)

Der türkische Präsident Erdoğan hat die Kommissions-Präsidentin per Sitzzuordnung düpiert. Eine Blamage für Europa, finden Leserinnen und Leser.

Zu " Zeit aufzustehen" vom 10./11. April und " Ähmm" vom 8. April:

Die Fotos vom Besuch der EU-Präsidentin von der Leyen bei Erdoğan und ihr Platznehmen auf dem Sofa neben den Paschas Charles Michel und dem türkischen Präsidenten sind skandalös. Zum einen, dass Frau von der Leyen das böse Spiel der Männer mitgemacht hat, zum anderen, dass der EU-Ratspräsident Michel seinen Platz nicht für die EU-Präsidentin geräumt hat. Dass Erdoğan die Sitzordnung gefallen hat, ist nicht überraschend. Der EU-Besuch in der Türkei war eine Blamage für uns Europäer.

Axel Bock, München

Alexandra Föderl-Schmid beleuchtet in ihrem Kommentar die Ungeheuerlichkeit der Vorgänge in Ankara sehr treffend. Ein Aspekt fehlt mir jedoch in der gesamten Diskussion: Inwieweit müssen Frauen auch selbst aus ihrer Rolle als "brave Mädchen" ausbrechen? Das Verhalten Frau von der Leyens war in der beschriebenen Situation nicht besonders hilfreich. Oder dachte sie im Ernst, dass ihr wie von einem schüchternen Teenager hingehauchtes "Ähmm" Herrn Erdoğan dazu bringen würde, von seinem Stuhl aufzuspringen und ihn ihr generös anzubieten? Die ganze Szenerie kam mir vor, als sei sie dem Drehbuch einer Benimmstunde bei Caterina Schöllack in "Ku'damm 56" entsprungen. Wie wäre es denn mit dem laut und deutlich ausgesprochenen Satz "Hier fehlt ein Stuhl" gewesen? Hätte Frau Merkel bei der Strafpredigt von Herrn Seehofer nicht einfach die Bühne verlassen können?

Das nahezu unterwürfige Verhalten vieler Frauen bei derartigen Angriffen auf ihre gleichberechtigte Stellung ermutigt vermutlich Herren dieses Schlages noch in ihrer Handlungsweise. Vielleicht schafft es eine neue Politikerinnengeneration, ihre Rechte und ihren Platz selbstbewusster einzufordern. Was hätte wohl Annalena Baerbock in dieser Situation getan?

Annette Schaumberg, Selbitz

Der türkische Präsident Erdoğan hat etwa vor 14 Tagen das Frauenschutzabkommen aufgekündigt. Damit hat er die Frauenrechte in der Türkei aufgehoben beziehungsweise stark eingeschränkt, und es können dort wieder Frauen unterdrückt, gedemütigt, geschlagen, misshandelt und getötet werden, ohne dass das weitreichende nationale und internationale Konsequenzen hätte. Die EU hingegen, an vorderster Front sogar eine Frau(!), Ursula von der Leyen als Präsidentin der Europäischen Kommission, hat nichts Besseres zu tun, als Herrn Erdoğan einzuladen und über Lockerungen bei den Sanktionen und einer Verbesserung der Handelsbeziehungen zu sprechen. Wie tief kann die EU noch sinken?! Wie soll man sich dabei noch als ein stolzer Europäer fühlen? Ich würde Frau von der Leyen gerne persönlich fragen, wie sie das mit ihrem Gewissen vereinbaren kann.

Eigentlich sollten von der EU alle Frauen (und Männer) aufgefordert werden, die Türkei künftig als Urlaubsland zu meiden. Herr Erdoğan lacht sich doch über uns kaputt.

Martin Gumplinger, München

© SZ vom 20.04.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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