Tassilo:Bairischer Mundwerker

Klaus Wittmann Karl Orff Lesung; Service

Bei Lesungen von Klaus Wittmann entstehen die Bilder im Kopf der Zuhörer.

(Foto: Manfred Neubauer)

Kandidat für den Preis: Der Tölzer Profi-Sprecher Klaus Wittmann ist ein gefragter Interpret bayerischer Literatur. Vor allem Carl Orff verleiht er auf einzigartige Weise seine Stimme.

Von Susanne Hauck

Klaus Wittmann hat eine besondere Stimme. "Meistens wird sie als sonor klingend beschrieben", schmunzelt der 52-Jährige, der das Organ so meisterhaft einsetzen kann wie ein Musiker sein Instrument. Der Wahl-Tölzer besitzt ein weiteres Kapital. Als einer der wenigen Profi-Sprecher kann er ein "gscheits Bairisch". Mit seinem Hand- oder besser gesagt Mundwerk hat sich der profunde Kenner und gefragte Interpret bayerischer Literatur in Süddeutschland einen Namen gemacht.

Es ist gar nicht so leicht, für Klaus Wittmann die treffende Berufsbezeichnung zu finden. "Mit der Definition künstlerischer Sprecher bin ich nicht ganz glücklich, aber der Begriff Sprecher allein stellt auch nicht so ganz dar, was ich mache oder sein will", sagt er. Ohne Frage steckt in ihm jede Menge schauspielerisches Talent, weshalb er auch eine schnöde Lesung zur virtuosen One-Man-Show adeln kann, ohne dafür einmal vom Stuhl aufstehen zu müssen. Er poltert, er haucht, er krakeelt, er winselt sich durch Paradestücke wie "Astutuli" oder "Die Bernauerin" von Carl Orff. Die eigene Stimme ist das ganze Werkzeug, um große Gefühle herzustellen. "Wenn hinterher einer aus dem Publikum kommt und sagt, dass beim Zuhören ein ganzer Film im Kopf entstanden ist", sei das für ihn "das größte Kompliment", sagt er.

Zugleich ist der Künstler so etwas wie ein Heimatpfleger. Als einziger Sprecher besitzt er die Rechte für die Lesungen aller bairisch-sprachigen Werke von Carl Orff. Daneben konzentriert er sich seit längerer Zeit auf Ludwig Thoma, Oskar Maria Graf und andere bayerische Autoren wie Wilhelm Diess oder die einst im Tölzer Landkreis beheimatete Sigrid Heuck. "Mir geht es darum, die bayerische Literatur unter die Leute zu bringen", sagt er über sein künstlerisches Anliegen. "Sie soll nicht in Vergessenheit geraten, genauso wenig wie die bairische Sprache."

Seit gut 20 Jahren lebt der gebürtige Münchner mit seiner Familie in Bad Tölz. "Wir haben daheim Münchnerisch gesprochen", erzählt er. "Bairisch ist sozusagen meine Natursprache." Seine Liebe zum Theater und zur bayerischen Literatur wurde früh geweckt. Immer wieder gab es inspirierende Begegnungen mit Persönlichkeiten. Schon als Schüler übernahm er in einer Neuhauser Laienspielgruppe Charakterrollen wie im "Brandner Kaspar". "Und in unserem jugendlichem Leichtsinn haben wir die großen bayerischen Volksschauspieler eingeladen", erzählt er und wundert sich noch heute, dass Stars wie Gustl Bayrhammer, Toni Berger und Fritz Straßner tatsächlich zu ihren Aufführungen in den Pfarrsaal kamen. "Sie haben sich rührend für unser Spiel interessiert und mich bestärkt."

Über das Adventssingen am Münchner Prinzregententheater lernte er Godela Orff kennen, die Tochter des Komponisten gab ihm privaten Schauspielunterricht bei sich zuhause in Dießen. Rezitator Wolf Euba, bekannt als "die Stimme Bayerns", ermutigte ihn, "was aus seiner Stimme zu machen", und empfahl ihn an Axel Wostry, den Sprechausbilder vom Bayerischen Rundfunk. Damit war ihm der Zugang zur faszinierenden Welt des künstlerischen Sprechens eröffnet. "Man kann sich gar nicht vorstellen, wie viel Zeit man damit verbringen kann, nur einen einzigen Satz richtig zu sprechen", erinnert sich Wittmann an den Unterricht. Trotz jahrzehntelanger Erfahrung sei das noch heute so. "Wenn ich etwas lese, ist jedes Wort hart erarbeitet", sagt er über die monatelange Einstudierung, die hinter einer flüssigen Darbietung steckt. "Wo mache ich gedanklich ein Komma, wie setze ich den Akzent." Angst vor Versprechern habe er auf der Bühne nicht. "Wenn du richtig vorbereitet bist, ist das kein Problem."

Schon bevor Wittmann aus familiären Gründen nach Bad Tölz zog, engagierte ihn die Leitung des Tölzer Marionettentheaters als Sprecher für ihre traditionelle Inszenierung der Weihnachtslegende "Heilige Nacht", die er nun seit mehr als 20 Jahren in ganz Bayern und darüber hinaus im Advent vorträgt. Es kommt oft vor, dass das beliebte Thoma'sche Stück von Schauspielern mit gekünstelter Mundart verhunzt wird. Wittmann hingegen schätzen die Veranstalter, weil er noch echtes Bairisch spricht und als authentisch gilt. "Den Dialekt kann man eigentlich nicht erlernen, er wird einem in die Wiege gelegt", weiß der Rezitator, der auch optisch ein gestandenes Mannsbild ist. "Und das Publikum weiß genau, was echt und was unecht ist."

Wenn Sie eine Kandidatin oder einen Kandidaten für den SZ-Kulturpreis vorschlagen wollen, schreiben Sie bitte bis 30. April an tassilo@sz.de

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