FC Bayern in der Champions League:Das Königreich macht's vor

Wolfsburg, Germany, April 4th 2021: Lina Magull ( 16 Bayern ) during the Woman DFB Pokal semi-final game between VfL Wol; Fußball - Frauen - FC Bayern Lina Magull

Zentrale Spielerin des FC Bayern: Kapitänin Lina Magull.

(Foto: Julia Kneissl/Sports Press Photo/Imago)

Wenn der FC Bayern im Champions-League-Halbfinale auf Chelsea trifft, ist es das Duell der Bundesliga gegen die schwer attraktive Profiliga in England. Werden bald noch mehr Spielerinnen auf die Insel wechseln?

Von Anna Dreher

Die Frage war noch nicht zu Ende gestellt, da beantwortete sie Jens Scheuer schon. "Nein, das reizt sie nicht", sagte er. Lina Magull saß neben ihm, lächelte, und nachdem die Frage fertig formuliert war, ging auch sie darauf ein. Ob es sie nicht reizen würde, in der englischen Liga zu spielen? "Sicherlich, wäre jetzt gelogen, wenn ich nein sage. Aber zu meiner aktuellen Situation kann ich nur sagen, dass ich sehr glücklich in München bin und ich einen Vertrag habe und alles gut ist." Magull lächelte wieder, und ihr Trainer, der bei der Pressekonferenz am Donnerstag neben ihr saß, dürfte beruhigt gewesen sein, dass er sich neben der Vorbereitung auf die nächste große Aufgabe nicht auch noch überraschend Gedanken um einen Weggang seiner Kapitänin machen muss.

Wenn sich am Sonntag der FC Bayern und Chelsea FC Women im Halbfinal-Hinspiel der Champions League im Münchner Campus-Stadion (17 Uhr, Sport1) gegenüberstehen, dann ist das auch ein Aufeinandertreffen jener Liga, die mal als die solideste galt, und jener, die für die Zukunft steht. Und weil sich gerade in England so viel tut, lebt die Bundesliga seit geraumer Zeit mit der permanenten Befürchtung, ihre besten Spielerinnen an die Insel zu verlieren.

Manchester, England, 21st April 2021. Sam Kerr of Chelsea during the The FA WomenÕs Super League match at the Academy St; Fußball - Frauen - England - Sam Kerr Chelsea

Gefährlich für die Münchner Defensive: Sam Kerr hat in dieser Saison bislang 18 Tore für Chelsea geschossen, so viele wie keine andere Fußballerin in der englischen Liga.

(Foto: Andrew Yates/Sportimage/Imago)

Vergangenes Jahr zu beobachten bei Melanie Leupolz, die vom FC Bayern zu Chelsea wechselte. Sowie aufsehenerregend bei Pernille Harder, die vom Münchner Halbfinal-Gegner aus ihrem Vertrag beim VfL Wolfsburg rausgekauft wurde. Bisher eher noch eine Seltenheit, erst recht für einen Betrag wie die angeblich geflossenen 350 000 Euro. Ralf Kellermann, Sportlicher Leiter des VfL, ging damals nicht konkret auf Zahlen ein, sprach aber "von einer Rekord-Ablösesumme im Frauenfußball". Das Königreich macht's möglich.

Die englische Women's Super League ist die einzige Profiliga im europäischen Frauenfußball

Im Frauenfußball, wo sich ein umkämpfter Transfermarkt erst in jüngerer Zeit entwickelt hat, ist die Women's Super League (WSL) zur wohl attraktivsten Destination geworden. Vor einem Monat machte sie mit einem TV-Deal ordentlich Wirbel, als bekannt wurde, dass sich Sky Sports und BBC einen Teil der Übertragungsrechte ab der kommenden Saison bis zum Sommer 2024 gesichert haben. Für eine kolportierte Summe von jährlich rund zehn Millionen Euro.

In Frankreich und Spanien winken Fußballerinnen auch lukrative Verträge. Die großen Lizenzklubs investieren immer mehr, entsprechend liest sich auch die Halbfinal-Konstellation auf dem Weg zum Endspiel am 16. Mai in Göteborg: Im zweiten Duell trifft der FC Barcelona auf Paris Saint-Germain, das sich mit der deutschen Nationalspielerin Sara Däbritz gegen Seriensieger Olympique Lyon durchsetzen konnte. Aber die WSL ist die einzige Profiliga im europäischen Frauenfußball. Nachvollziehbar also, dieser verlockende Ruf.

"Aus Spielerinnen-Sicht kann ich nur sagen, dass es schön zu beobachten ist, wie die englische Liga sich entwickelt", sagte Magull. Den Bundesliga-Spielerinnen sei bewusst, dass der Deutsche Fußball-Bund (DFB) und die Klubs wüssten, "dass wir uns da wieder ein bisschen schneller entwickeln müssen. Im Vergleich zu anderen Nationen waren wir vor ein paar Jahren mal vorne dran, aber mittlerweile hängen wir eher hinten dran. Und da müssen wir wirklich aufpassen, dass sich das nicht in eine falsche Richtung entwickelt." In Deutschland hat neben dem langjährigen Primus Wolfsburg vor allem der derzeitige Tabellenführer FC Bayern sein Engagement erhöht. Auch andere Vereine bieten attraktive Bedingungen, viele aber können nicht mithalten bei den Standards, die nun international gesetzt werden.

Kritik am DFB, zu dessen Zuständigkeitsgebiet die Frauen-Bundesliga zählt, wurde zuletzt vor allem von Seiten des FC Bayern laut. Ende März hatte die Sportliche Leiterin Bianca Rech fehlende Schritte in Richtung Professionalisierung bemängelt. "Die Klubs bemühen sich zwar, aber es wäre einfacher, wenn es vom DFB gesteuert würde. Aber da haben wir Stillstand", sagte sie der Sport Bild und warf auf, ob die Liga nicht woanders oder in der Eigenständigkeit besser aufgehoben wäre. Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge legte nach: Eine Neuaufstellung sei "dringend nötig, um im internationalen Bereich wettbewerbsfähig zu sein".

Magull, 26, bekräftigte nun vor dem Spiel gegen den englischen Meister den Appell, "dass Verband und Vereine sich ausgiebiger damit beschäftigen und vor allem Strukturen geschaffen werden müssen, die insgesamt professioneller sind". Es sei wünschenswert, wenn "Spielerinnen in der ersten Liga und vielleicht auch irgendwann in der zweiten Liga nicht mehr arbeiten müssen. Da ist noch viel Potenzial vorhanden".

Stammtorhüterin Laura Benkarth fehlt gegen Chelsea

Dass nun jener Partie auf der großen Bühne ein sportliches Formtief vorausgeht, kommt natürlich zum denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Am Mittwoch konnte der FC Bayern zwar knapp gegen Potsdam gewinnen, davor aber musste das Team seine ersten beiden Saisonniederlagen hinnehmen. Nach 26 Siegen in Serie.

Ausgerechnet in dieser Phase fällt Stammtorhüterin Laura Benkarth verletzt aus, wie deren Vertreterin Carina Schlüter. Wohl auch am Sonntag dürfte die 19-jährige Maria Luisa Grohs im Tor stehen, die mit erst zwei Bundesligaeinsätzen noch kein großer Rückhalt sein kann. Erst recht nicht, wenn eine derart starke Offensive wie jene von Trainerin Emma Hayes auf sie zu rennen sollte: Neben Pernille Harder sind vor allem die derzeit mit 18 Treffern erfolgreichste Liga-Torschützin Samantha Kerr und Fran Kirby gefährlich. Wolfsburg bekam das im Viertelfinale deutlich zu spüren. Und vielleicht war der Zeitpunkt der Niederlagen also doch kein ganz schlechter. Weil, überlegte Lina Magull noch, das daraus Gelernte bei künftigen Rückschlägen helfen könne. Die könnte es gegen Chelsea durchaus geben.

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