FC Bayern in der Einzelkritik:Kalte Dusche statt Weißbierdusche

Lesezeit: 3 min

Manuel Neuer hilft selbst seine Bierruhe nicht. David Alaba und Thomas Müller fliegen ins Nirvana und Alphonso Davies' Flanken fehlt die Kohlensäure. Die Bayern in der Einzelkritik.

Von Jonas Beckenkamp

Manuel Neuer

(Foto: Patrick Scheiber/Jan Huebner/imago)

Das Spiel hatte kaum begonnen, da flutschte ihm ein hundsgemein verdeckter Schuss von Jonathan Burkardt durch die Hände. Ist normalerweise ein Torwart mit Bierruhe, aber ausgerechnet am Tag der möglichen Meisterschaft ereilte ihn erstmal eine kalte -statt einer Weißbierdusche. Musste sich kurz darauf arg strecken, um einen Mainzer Kopfball an den Pfosten zu patschen. Beim 0:2 dann Opfer von Quaisons Torpedokopfball und dem Laissez-Faire seiner Vorderleute. Es war alles überhaupt nicht bierselig irgendwie - und ständig blendete ihn die rheinhessische Frühlingssonne.

Benjamin Pavard

(Foto: Tom Weller/AP)

Ist biertechnisch kein Kostverächter, das beweisen Fotos vom Oktoberfest. Hach, die Wiesn. Anderes Universum, andere Zeit. Im pandemischen Hier und Jetzt war er arg gefordert, um hinten erstmal einigermaßen klarzukommen. War Teil einer überraschend unsortierten Defensive, versuchte die ein oder andere Willy-Sagnol-Gedächtnisflanke und wunderte sich unentwegt über die Mainzer Vielbeinigkeit. Bekam einen Tritt ab und schrie so laut auf, dass man ihn wohl auch in einem anderen Universum noch hörte.

Jérôme Boateng

(Foto: Alexander Scheuber/Getty Images)

Apropos anderes Universum: Hat in seiner Zeit in München so viele Pokale gewonnen, dass er damit eine Straße zum Mond und back-to-earth pflastern könnte. Jetzt naht sein Abschied, aber erst einmal musste er ganz schön viel schuften, damit die Mainzer nicht allzu sehr abhoben. Dass beide Gegentore durch die Abwehrmitte fielen, spricht nicht unbedingt für seinen Auftritt. War trotzdem in der Wackel-Abwehr insgesamt noch der Standhafteste. Das mit dem Weißbier ist vertagt. Wobei: Beim letzten Mal feierte er eh fernab von allen mit seinen beiden Kindern.

David Alaba

(Foto: Kai Pfaffenbach/AFP)

Auch er befindet sich auf seiner Abschiedstournee, da kann man schon nochmal ein Titelchen mitnehmen - wenn es nicht es nicht so läuft wie diesmal: Beim 0:1 mit einer inkonsequenten Abwehraktion vor die Füße des Torschützen Burkardt. Auch danach dezent indisponiert und nicht immer auf Real-Madrid-Niveau. Flog beim zweiten Gegentreffer mit Müller um die Wette ins Nirvana - nur bei Quaison, da war keiner. Bis zu seiner Auswechslung eine ungewohnt träge Vorstellung, fast schon wie ein trübes Noagerl im Weißbierglas.

Alphonso Davies

(Foto: Alexander Scheuber/Getty Images)

Seine Tournee geht meist die linke Seite rauf und runter. Ist auch ohne Weißbier ein gefürchteter Karaoke-Sänger ("My Heart will go on"), aber diesmal waren Hilferufe statt Gesangskünste gefragt. Auf seiner Flanke mit einigen Versuchen, Tempo zu machen, doch dabei oft unpräzise. Seinen Hereingaben hätten mehr Würze und Kohlensäure gutgetan, denn so schmeckten sie allesamt fad. Später näherte sich sein Spiel immer mehr einem Prosit der Gemütlichkeit an. Dabei gab es dafür keinen Grund.

Joshua Kimmich

(Foto: Tom Weller/dpa)

Sein Ehrgeiz ist so legendär, dass man ihm wohl auch ein paar Treffer auf die Sportstudio-Torwand vom Weißbierglas zutrauen würde. Soll es beim FC Bayern ja alles schon gegeben haben. Leider gab es diesmal auch legendäre Abstimmungsprobleme im Bayern-Mittelfeld, die er nicht in den Griff bekam. Wollte wie immer alles und zwar sofort, aber dieses verflixt niedrigprozentige Spiel wurde nicht sein Freund.

Leon Goretzka

(Foto: Alexander Scheuber/Getty Images)

Unermüdliche Lunge und Langstreckenläufer im bayerischen Mittelfeld und somit natürlich prädestiniert für ein isotonisches Alkoholfreies nach dem Sport. Erlebte eine Partie mit ungeahnten Stressfaktoren. Zum Beispiel jenem, dass ihn immer sofort ein Gegner bedrängte, wenn er mal loslegen wollte. Hatte für Gestalterisches überhaupt keine Gelegenheit und stand früh kurz vor dem Platzverweis, weil er ganz schön hinlangte. Wohl auch deswegen zur Pause ausgewechselt.

Leroy Sané

(Foto: Kai Pfaffenbach/AFP)

War als einziger in der Startelf noch nie Deutscher Meister. Ein tristes Schicksal, dass es unbedingt zu überwinden galt. Und nicht nur das: Erst einmal galt es vor allem, das Mainzer Pressing zu überwinden. Bekam den Ball meist weit weg von der Gefahrenzone und mit dem Rücken zum Tor. Gelangte kaum einmal ins Dribbling - und wenn, dann viel zu harmlos. Eines seiner schwächsten Spiele, seit er in München ist. Folgerichtig von Flick nach 45 ernüchternden Minuten vom Feld beordert.

Thomas Müller

(Foto: Kai Pfaffenbach/AFP)

War schon das ein oder andere Mal Deutscher Meister, kennt die Kulturtechnik der Weißbierdusche also bestens. Doch was war denn hier los? Legte vor dem 0:2 einen solchen Irrflug durch den eigenen Sechzehner hin, dass man sich Sorgen machen musste, ob er wieder back-to-earth kommt. Holte sich bei der Abwehr eines Freistoßes einen Brummschädel ab. Dabei hatte er kein einziges Weißbier intus. Verhedderte sich zu oft, da half auch die Kulturtechnik des Thomas-Müller-Gestochers nichts.

Kingsley Coman

(Foto: Tom Weller/dpa)

Ist in München mit ein paar Kratzern an seinem Nobel-Sportflitzer in den Frühling gestartet. Auffahrunfall. Und wenn man so will, setzte sich bei ihm die Unglückssträhne fort. Bekam kaum einen Ball unter Kontrolle, wirkte uninspiriert und fand nie Platz für seine Tempoläufe oder Dribblings. Zur Pause gings zum Duschen, er verließ Mainz mit einer weiteren gehörigen Delle.

Robert Lewandowski

(Foto: Tom Weller/dpa)

Wie wäre diese Saison ohne seine Bänderverletzung am rechten Knie verlaufen? War diesmal wieder fit, denn er will ja noch Gerd Müllers 40-Tore-Rekord knacken. Aber wie das eben so ist, selbst beim Weltfußballer: Die Pause war ihm deutlich anzumerken. Sein erster Abschluss flog Richtung Mainz-Lerchenberg - danach wenig eingebunden und immer wieder flauschig betreut von den Herren St. Juste und Niakhaté. Erzielte in der Nachspielzeit noch Saisontor Nummer 36. Naja.

Einwechselspieler

(Foto: Alexander Scheuber/Getty Images)

Tanguy Nianzou, Jamal Musiala und Eric Maxim Choupo-Moting kamen alle zur Halbzeit herein. Ihre Wirksamkeit war überschaubar. Am ehesten trat noch Choupo-Moting in Erscheinung, der immerhin einmal aufs Tor schoss. Serge Gnabry kehrte nach seiner Corona-Pause ebenso noch zurück. Doch auch er fand nicht mehr hinein in diesen - aus Bayern-Sicht - freudlosen Nachmittag.

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