Gewalt im Umfeld von "Querdenken"-Demo:Schwieriger Prozess um Angriff auf Corona-Demonstranten

Lesezeit: 2 min

Die Polizei betreut einen Mann, der in Stuttgart gegen Corona-Auflagen demonstrieren wollte und zusammengeschlagen wurde. (Foto: Andreas Rosar/DPA)

Gewaltbereite Linksextremisten sollen gezielt Besucher einer "Querdenken"-Veranstaltung in Stuttgart angegriffen haben, die zur umstrittenen Kleingewerkschaft "Zentrum Automobil" gehören. Die beiden Angeklagten bestreiten die Vorwürfe.

Von Claudia Henzler, Stuttgart

Gewaltbereite Linksextremisten sollen drei Männer angegriffen und zum Teil schwer verletzt haben. Die Opfer waren im April vor einem Jahr auf dem Weg zu einer der Großdemonstrationen der Initiative "Querdenken 711" auf dem Stuttgarter Volksfestplatz. Bei ihnen handelt es sich um Mitglieder der umstrittenen Kleingewerkschaft "Zentrum Automobil". Einer der Männer war Betriebsrat bei der Daimler AG in Untertürkheim, er wurde so schwer am Kopf verletzt, dass er mehrere Wochen im Koma lag. Laut Staatsanwaltschaft leidet er noch immer unter den Folgen des Angriffs und ist nicht erwerbsfähig.

Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die Angreifer aus einer 20- bis 40-köpfigen Gruppe "aus der linken Szene" stammen. Doch nur wenige Mitglieder dieser Gruppe glauben die Ermittler bisher identifiziert zu haben. Am Montag hat der Prozess gegen zwei Tatverdächtige begonnen. Angeklagt sind ein 21 und ein 25 Jahre alter Mann aus Ludwigsburg, einer Nachbarstadt von Stuttgart. Dem Jüngeren wird versuchter Totschlag vorgeworfen. Beide Angeklagte ließen ihre Anwälte zur Eröffnung des Verfahrens vortragen, dass die Vorwürfe nicht zuträfen. Darüber hinaus machten sie keine Aussagen, auch nicht zu ihrer Biografie.

Umso auskunftsfreudiger war eine Gruppe junger Leute, die sich vor dem Gericht im Stadtteil Stammheim versammelt hatte - nach eigenen Angaben Mitglieder einer "Solidaritätskampagne" von Stuttgarter Antifaschisten. Einer der schwarz gekleideten Männer stellte sich Medienvertretern als Sprecher der Kampagne vor und verteilte Informationsmaterial, in dem die Opfer als "organisierte Nazis der rechten Scheingewerkschaft Zentrum Automobil" und körperliche Gewalt als legitimes Mittel der politischen Auseinandersetzung bezeichnet werden. Der Angriff vom 16. April 2020 sei ein Erfolg gewesen, da die Gruppe "Querdenken" ihre Aktivitäten danach vorübergehend aus Stuttgart in andere Städte verlagert hätte.

Infektionsschutz
:Streit ums Notbremsen-Gesetz

Im Bundestag fliegen heftige Worte hin und her, draußen demonstrieren Tausende gegen das neue Infektionsschutzgesetz und warnen vor einer Diktatur. Eigentlich ein ziemlich demokratischer Akt.

Von Jan Heidtmann, Angelika Slavik und Mike Szymanski

Der damals schwer verletzte Betriebsrat sollte am Montag als erster Zeuge auftreten, sah sich dazu laut seinem Anwalt aber nicht in der Lage. Stattdessen schilderte einer seiner Begleiter die Vorgänge jenes Samstags aus seiner Sicht: Die drei seien auf dem Weg zum Treffpunkt mit weiteren Kollegen gewesen, als vermummte "linke Antifaschisten" aus einer Seitenstraße kamen. Diese hätten ihn und den Betriebsrat erkannt und zum Angriff gerufen. Er sei losgerannt, aber von zwei Verfolgern eingeholt, zu Boden geworfen und mit Pfefferspray und Schlägen traktiert worden. Der Betriebsratskollege sei dagegen stehen geblieben. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft wurde er von mehreren Tätern geschlagen - unter anderem am Kopf. Möglicherweise hatte sich der Mann auf einen Kampf eingestellt. Laut Verteidigern soll er Schutzausrüstung getragen haben.

Das Gericht hat sich auf eine langwierige Beweisaufnahme eingestellt. Der letzte Prozesstag ist derzeit auf den 29. September terminiert. Verhandelt wird vor der Jugendstrafkammer des Landgerichts, weil einer der Angeklagten als Heranwachsender gilt. Aus Angst vor gewalttätigen Auseinandersetzungen findet der Prozess in der Außenstelle des Gerichts in Stammheim unter strengen Sicherheitsvorkehrungen statt.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Reaktionen auf #allesdichtmachen
:"Abgehoben und zynisch"

Da waren es nur noch 34: Ulrike Folkerts, Meret Becker und Richy Müller und weitere Schauspieler ziehen ihre Videos zur Corona-Politik zurück - nach heftiger Kritik.

Von Elisa Britzelmeier

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: