Deutschland und China:Ein Verhältnis, das beiden nutzt? Diese Zeit ist vorbei

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Diesmal per Video: Bundeskanzlerin Merkel spricht, Chinas Premier Li Keqiang hört zu. (Foto: Pool/Getty Images)

Die Bundesregierung kann Peking nicht auf den Pfad der Tugend zwingen. Aber das Land isolieren? Dies wäre weder klug noch machbar.

Kommentar von Stefan Kornelius

Chinas Fußspuren in der Welt sind groß geworden. Das Land hat die Pandemie in bemerkenswerter Disziplin unter Kontrolle gebracht und sich so einen ökonomischen Vorteil erarbeitet, der die Dynamik nur noch verstärken wird: China wächst, investiert, zieht ausländisches Kapital an, modernisiert, erfindet. Das Tempo ist atemberaubend. Auch die Geschwindigkeit, mit der die Führung in Peking die Sonderverwaltungszone Hongkong politisch unter Kontrolle gebracht hat, zeugt von dieser Zielstrebigkeit.

Was aber genau ist das Ziel? Die KP macht daraus kein Hehl. Premier Li Keqiang teilt während der deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen der Bundeskanzlerin mit: Einmischung ist nicht erwünscht. China verbittet sich Kritik. Die Botschaft: Gewöhnt euch an unseren Ton und unsere Politik etwa gegenüber den Minderheiten. Euch bleibt eh nichts anderes übrig.

Moral? Gesinnung? Derlei kommt in die Mottenkiste

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China arbeitet nicht nur an seinen ökonomischen Hebeln, sondern hat diese an eine Vielzahl politischer Initiativen gekoppelt, die in der Summe nicht weniger ergeben als ein Weltordnungsmodell nach chinesischem Muster.

Vertragsverhalten, internationale Zahlungssysteme, Standardisierungen neuer Technologien und selbst ein "Fünfjahresplan über den Aufbau von Rechtstaatlichkeit" - die chinesische Führung verbindet ihre wirtschaftliche Übermacht (18 Prozent der Welthandelsleistung, 22 Prozent des globalen Warenexports) mit einer politischen Strategie: Neben dem bislang dominierenden westlichen Modell in der internationalen Zusammenarbeit wird es ein chinesisches Modell geben, das sich an Geschäft und politisch-militärischer Stärke orientiert. Moral, Gesinnung? Kommen in die Mottenkiste.

Anders als im Kalten Krieg steht die Welt nicht vor der Wahl, welcher Ideologie sie sich nun anschließen mag. Diesmal gibt es politisch kein Entkommen, ökonomisch hingegen schaut alles zunächst nach Win-win aus, um im Duktus Pekings zu bleiben. Diese Analyse ist freilich kurzsichtig und verkennt, mit welcher Härte die chinesische Führung am Ende auch wirtschaftliche Abhängigkeiten ausnutzt, die sie selbst schafft. Das kleine Montenegro mit seiner viel zu groß geratenen Autobahn liefert gerade ein gutes Beispiel, es hat dafür in China mehr Schulden aufgenommen, als es verkraften kann. Selbst die deutschen Großkonzerne müssen sich immer häufiger fragen, wie groß der Spielraum für ihre chinesischen Töchter noch ist.

Wie ohnmächtig der Westen ist, sieht man in Hongkong. Unter anderem

Regierungskonsultationen wie die unter Angela Merkels Führung sind also einerseits der Versuch, so etwas wie Ordnung und Berechenbarkeit aufrechtzuerhalten und China einzubinden in ein System, das in diesem Fall Deutschland oder die EU vorzugeben glauben. Die Wahrheit ist allerdings weniger erbaulich: Das Abhängigkeitsverhältnis hat sich längst gedreht. Xinjiang oder Hongkong sind nur oberflächlicher Ausdruck einer Ohnmacht, die längst viel tiefer reicht.

Allerdings: Der Systemrivalität kann keiner entfliehen. Eine Isolation Chinas ist weder politisch machbar noch wäre sie klug. Peking hat sein Netz schon weit ausgeworfen. Es bleibt also nur die - im besten Sinne - offene Rivalität: ökonomisch, technologisch, in Fragen von Standards und Regeln, in der Rechtsetzung - und selbst militärisch. Deutschland, die EU, der gesamte Verbund des Westens müssen attraktiver, besser und vor allem geschlossen sein. Regierungskonsultationen sind längst Teil des großen Geo-Schach.

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