Kommentar:Zu Hause statt unterwegs

Kommentar: Caspar Busse findet, dass auch manche Fußballer zu viel verdienen. Illustration: Bernd Schifferdecker

Caspar Busse findet, dass auch manche Fußballer zu viel verdienen. Illustration: Bernd Schifferdecker

Geschäftsreisen werden sich grundlegend ändern, aber Fluggesellschaften und Reiseindustrie sind bislang darauf kaum vorbereitet.

Von Caspar Busse

So lange ist es noch gar nicht her, da waren viele Geschäftsleute quasi permanent unterwegs. Heute für einen Tag nach London, morgen für zwei nach Asien - das war manchmal Alltag. Nicht wenige haben ihre eigene Bedeutung auch darüber definiert, wie viele Statusmeilen sie auf dem Konto haben. Wer wirklich wichtig ist, der sitzt eben nicht die ganze Woche am Schreibtisch, so die Einstellung.

Diese Zeiten sind vorerst vorbei - und werden aller Voraussicht auch nicht wiederkehren. Viele Unternehmen haben wegen der Corona-Beschränkungen Geschäftsreisen auf ein unbedingt notwendiges Minimum reduziert, nach Schätzungen werden derzeit nur noch etwa zehn Prozent der Reisen getätigt. Der Einschnitt ist gewaltig: Jahrzehntelang wurde immer mehr gereist, allein 2019 gab es bei deutschen Unternehmen etwa 195 Millionen Geschäftsreisen, wofür 55 Milliarden Euro ausgegeben wurden.

Eine schnelle Erholung ist nicht in Sicht. Es wird, so wie es aussieht, nichts mehr so sein wie früher. Die Geschäftsreisen werden in Zukunft deutlich weniger und sich grundlegend ändern, auch wenn nach einem möglichen Abflauen der Pandemie Kontakt- und Reisebeschränkungen wieder aufgehoben werden. Das Problem: Fluggesellschaften und Hotels sind bisher darauf kaum vorbereitet, sie müssen sich neu erfinden. Nur wenn sie das schaffen, haben sie auch eine Chance.

Fluggesellschaften wie Lufthansa lebten bislang von Vielfliegern

Noch ist der Ausblick von Fluggesellschaften wie der Lufthansa, die in dieser Woche zu ihrer virtuellen Hauptversammlung lädt, zu optimistisch. Vorstandschef Carsten Spohr rechnet damit, dass mittelfristig zehn bis 20 Prozent der Geschäftsreisen wegfallen könnten. Das aber dürfte viel zu optimistisch sein. Konzerne, von Allianz bis Siemens, planen nämlich, auch in Zukunft die Reisetätigkeit ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter deutlich zu reduzieren, teilweise um bis zu 50 Prozent. Denn die Kostenersparnis ist gewaltig, gerade bei großen Unternehmen sind die Reisespesen ein großer Block.

Die meisten Geschäfte, Supermärkte, Restaurants und Autovermietungen am Münchner Flughafen haben geschlossen. Während d

Die meisten Geschäfte, Supermärkte, Restaurants und Autovermietungen am Münchner Flughafen haben geschlossen. Öffnen lohnt sich nicht, während der Coronakrise ist die Zahl der Flugreisenden drastisch zurückgegangen.

(Foto: Mario Aurich/Imago Images)

In der Pandemie hat sich mit aller Deutlichkeit gezeigt: Viele Reisen sind überflüssig und teuer, andere Formen der Kommunikation effizienter und billiger. Videocalls per MS-Teams, Zoom oder über andere Anbieter funktionieren in der Regel einfach, schnell und reibungslos. Die Sitzungen sind oft strukturierter und ergebnisorientiert. Es geht weniger wertvolle Zeit durch lange An- und Abreisen verloren, Verzögerungen werden seltener, die reine Arbeitszeit der hoch bezahlten Mitarbeiter steigt. Auch technische Probleme oder Wartungsarbeiten können inzwischen oft von Technikern aus der Ferne behoben werden - extra Anreisen müssen nur noch die wenigsten.

Weniger Reisetätigkeit belastet die Umwelt weniger, der CO2-Verbrauch sinkt. Klimaschutz und Nachhaltigkeit sind für immer mehr Mitarbeiter besonders wichtig, gerade für die jüngeren. Vielflieger müssen um ihre gesellschaftliche Akzeptanz fürchten.

Wahrscheinlich ist, dass künftig weniger Trips, dafür aber längere unternommen werden. Wegfallen werden zeitraubende und ineffiziente Tagestouren, morgens per Flugzeug zum Meeting , abends zurück. Stattdessen gibt es mehrtägige Dienstreisen, vielleicht per Zug, mit Zeit für längere und intensivere Gespräche. Denn klar ist: Persönliche Kontakte und Treffen sind auch in Zukunft wichtig, nicht alles kann digital abgewickelt werden. Oft kommt es auch im Geschäftsleben auf die berühmte "Chemie" an, Gespräche beim Lunch oder beim Abendessen, gemeinsame Ausflüge wird es weiter geben, aber nicht mehr so oft.

Das Problem: Viele Fluggesellschaften, Hotels und andere lebten zuletzt vor allem von den Geschäftsreisenden. Lufthansa etwa machte bis Anfang vergangenen Jahres einen Großteil des Gewinns mit Geschäfts-und Premium-Reisenden, vor allem auf den Transkontinental-Strecken Richtung Asien oder USA. Die zahlten oft einen hohen Preis für kurzfristig gebuchte und flexible Tickets und finanzierten die deutlich günstigeren Tickets in der Touristenklasse mit. Diese Art der Mischkalkulation wird künftig voraussichtlich nicht mehr möglich sein.

Lufthansa wird sich mehr auf touristische Reisende konzentrieren. Das wird ein anderes Angebot erfordern, mehr Urlaubsziele, mehr Nonstop-Verbindungen. Bisher setzte die Unternehmensgruppe vor allem auf den Verkehr über ihre großen Drehkreuze in Frankfurt, München, Zürich und Wien. Auch Hotels und Restaurants lebten bisher von Geschäftsreisenden. Doch große Konferenzen, aufwendige Essen und kostspielige Veranstaltungen werden mittelfristig weniger. Neue Geschäftsmodelle müssen her - und zwar schnell.

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