Stadtpolitik:Mit Elan und Rumpelphasen

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Mit Maske und reichlich Abstand: Für ihre Bilanz zu einem Jahr grün-roter Politik im Zeichen von Corona stellten sich Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD/Mitte) und die Bürgermeisterinnen Katrin Habenschaden (Grüne/rechts) und Verena Dietl (SPD/links) zusammen mit den Fraktionsvorsitzenden von Grüne/Rosa Liste und SPD/Volt vor dem Rathaus auf. (Foto: Florian Peljak)

Die grün-rote Rathaus-Regierung zieht Bilanz. Vor einem Jahr hat sie ihren Koalitionsvertrag unterschrieben - dann kamen ungeahnte Probleme.

Von Anna Hoben, München

Oberbürgermeister Dieter Reiter sieht sich zunehmend als Mediator im Rathaus. Er habe nach sieben Jahren als OB diese Rolle "entdeckt und gefunden", sagte er bei einer Pressekonferenz zur Bilanz nach einem Jahr grün-roter Koalition im Stadtrat am Montag. Er versuche, bei "persönlich notwendigen Mediationen" innerhalb von Fraktionen, aber auch unter den Fraktionen, "einigermaßen objektiv zu sein, nicht immer zur Begeisterung aller". Das sei für ihn im vergangenen Jahr ein Lernprozess gewesen, weil er kein gelernter Sozialpädagoge sei, sondern eher jemand, der gern schnell Entscheidungen trifft. Komplizierter noch sei aber die Mediation "im inhaltlichen Bereich".

Damit spielte Reiter zum einen auf die atmosphärischen Störungen an, von denen der Beginn der Amtszeit zum Teil geprägt war. Er spielte aber auch auf die teils unversöhnlichen Positionen an, die es etwa in der Verkehrspolitik gegeben hatte. Genau diese Rolle erwarteten die Münchnerinnen und Münchner aber von ihm als OB, führte Reiter weiter aus: eine ausgewogene Politik, die nicht nur spezielle Interessen berücksichtige, sondern für alle da sei. Er wolle auch künftig Politik "für alle Mobilitätsformen" betreiben. Sein Ziel sei es, diese zu versöhnen und nicht gegeneinander auszuspielen. "Das klingt einfach und ist schwierig, das werden wir immer wieder erleben." Grüne und SPD seien eben zwei verschiedene Parteien. Es sei aber die angenehmste Variante, mit einem Bündnispartner zu verhandeln, "der sich im Ziel mit unseren Zielen einig ist".

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Dass der Start der Koalition kompliziert war, habe zum einen an der durch die Pandemie erschwerten persönlichen Kommunikation gelegen, analysierte Reiter. Die anfänglichen "Rumpelphasen" habe man mittlerweile aber hinter sich gebracht; wenn es jetzt noch rumple, dann versuche man das Rumpeln immerhin nicht nach außen zu tragen. Zudem hätten die vielen Neulinge im Stadtrat - mehr als jeder Zweite ist erstmals Teil des Gremiums - erst lernen müssen, dass sich eine Koalition vor allem durch Kompromisse auszeichne. Und dann waren da noch die schlechten finanziellen Rahmenbedingungen, Reiter sprach vom "schlechtesten Haushalt, den ich in meiner Zeit bei der Stadt erlebt habe". Wenn ein "dicker dreistelliger Millionenbetrag" fehle, könne man nicht nur ein paar kleine Vorhaben aufschieben.

Am 3. Mai 2020 hatten Grüne und SPD den Koalitionsvertrag für die folgenden sechs Jahre unterschrieben - im kleinen Sitzungssaal im Rathaus, mit viel Abstand. Ein Jahr später fand nun nur noch der Fototermin in Präsenz statt, auf dem Marienplatz - ihre Zwischenbilanz zogen die politischen Partner danach per Videokonferenz bei Zoom.

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Münchens Zweite Bürgermeisterin Katrin Habenschaden (Grüne) sagte, dass in der Koalition der "Elan und Wille", die Stadt neu zu gestalten, trotz der Pandemie ungebrochen groß sei. 2020 sei das Jahr der Neustrukturierung und strategischen Ausrichtung gewesen, etwa mit den Weichenstellungen für das neue Mobilitätsreferat und die Ausgliederung des Referats für Klima und Umwelt. 2021 sei das Jahr, in dem die Beschlüsse gefasst werden, "die dem folgen müssen". Die autofreie Altstadt sei auf den Weg gebracht, ebenso der "ambitionierteste Nahverkehrsplan seit langer Zeit". Beim für die Grünen so wichtigen Thema Klima- und Umweltschutz stünden die wichtigen Beschlüsse zwar aus, aber sie kämen noch vor der Sommerpause. Das zuständige Referat arbeite mit Hochdruck am Grundsatzbeschluss zur Klimastrategie - einer "Wegbeschreibung", wie ein klimaneutrales München bis 2035 zu erreichen sei. Für die Stadtverwaltung gilt das Jahr 2030 als Ziel.

Eines der drängenden Themen ist und bleibt freilich das Wohnen: Es werde in den kommenden Jahren darum gehen, die Zielzahlen im Wohnungsbau zu erhöhen, sagte Dritte Bürgermeisterin Verena Dietl (SPD). Die Fusionierung der städtischen Wohnungsbaugesellschaften Gewofag und GWG, die der Stadtrat am Mittwoch beschließen soll, leiste dazu einen wichtigen Beitrag.

© SZ vom 04.05.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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