Corona-Krise:Wie man der Welt mehr Impfstoff besorgt - und wie nicht

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Menschen warten im April in einem Impfzentrum in Mumbai auf ihre Corona-Impfung. (Foto: Fariha Farooqui/Getty Images)

US-Präsident Biden fordert, den Patentschutz der Pharmahersteller auszusetzen. Damit überall schnell Vakzine produziert werden können. Aber so wird er niemandem helfen, im Gegenteil.

Kommentar von Marc Beise

Es wirkt ziemlich billig: US-Präsident Joe Biden fordert jetzt die Welt auf, über gemeinsame Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus nachzudenken. Dafür erwägt er sogar, den Patentschutz auf Covid-19-Impfstoffe auszusetzen. Haben nicht monatelang ausgerechnet die USA nur an sich selbst gedacht, Masken beschlagnahmt, Impfstoff gehortet? Bereits unter Donald Trump, aber auch unter dem guten Präsidenten Biden. Jetzt, da das Land aus der größten Not ist, sollen lang eingespielte Regeln zum Eigentum mal eben aufgeweicht werden.

Aber es hilft nicht, auf Prinzipien herumzureiten. Denn Biden hat recht: Die Pandemie ist eine globale Krise, die außerordentliche Schritte erfordert. Auch wenn sich die Lage im Westen langsam zu entspannen scheint, ist sie in weiten Teilen der Welt wirklich katastrophal und schreit nach rascher Reaktion. Doch diese muss klug sein und nicht vor allem Widerstände mobilisieren.

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Von Wolfgang Janisch

Meine Idee, meine Firma, mein Gewinn - dieses Prinzip hat seinen Sinn

Eigentum ist ein wertvoller Treiber für Innovation. Dass das erste Vakzin gegen Corona aus Deutschland stammt, ist auch dem hiesigen Wirtschaftsmodell zu verdanken, das auf Anreize für Unternehmer setzt. Der Pioniergeist einiger Forscher und Geschäftsmänner beruht auf einem Systemprinzip: meine Idee, mein Projekt, meine Firma, meine Mitarbeiter, und auch, ja, mein Gewinn.

Zwar haben die Unternehmen auch mit Universitäten zusammengearbeitet und öffentliche Förderung erhalten - was den Staat legitimieren könnte, in ihre Rechte einzugreifen. Möglichkeiten für Einzelfälle sind gesetzlich auch in Deutschland bereits vorgesehen. Biden aber denkt im großen Stil und bringt jetzt die Welthandelsorganisation (WTO) ins Spiel, die von der Regierung Trump in den vergangenen Jahren bis zur Unkenntlichkeit entmachtet worden war. Das zu ändern, gelingt auch keinem wohlmeinenden US-Präsidenten über Nacht.

Immerhin gibt es ein internationales WTO-Abkommen (Trips), das regelt, unter welchen Bedingungen und nach welchem Verfahren man ein Patent ohne Zustimmung des Rechteinhabers freigeben kann. Aber es ist noch nie in einem vergleichbaren Fall erprobt worden, und es wird vor allem eines brauchen: Zeit. Dies schon deshalb, weil in der WTO das Einstimmigkeitsprinzip herrscht - und namentlich die Stimme der Schweiz wiegt schwer. Nicht nur ist die WTO dort, in Genf, angesiedelt. In der Schweiz, und übrigens auch in den USA, sitzt eine mächtige Pharmaindustrie, die bereits Enteignung wittert.

Es geht hier nicht um Schrauben und Dosen

Vor allem aber bleibt die Frage, ob die Freigabe von Lizenzen wirklich hilft. Impfstoffproduktion ist so komplex, dass die Vorstellung weltfremd ist, man könne hier mal eben schnell Wissen abziehen und dort eine neue Produktion hochziehen. Das mag bei Schrauben und Dosen gehen, aber sicher nicht in diesem sehr speziellen Bereich der Medizin, in dem um den Impfhersteller herum ein hochkomplexes Netz von Firmen gruppiert sein muss, die zuarbeiten.

Viel einfacher und schneller wäre es, auf Kooperation statt auf Zwang zu setzen: die Staaten zusammenzurufen, sehr viel Geld zu investieren, gemeinsame Anstrengungen zu unternehmen, mehr Impfstoff an mehr Orten der Welt zu produzieren und zu verabreichen. Mit den Herstellern statt gegen sie. Organisiert von einer Taskforce, für die der US-Präsident seine besten Frauen und Männer bereitstellt. Biden könnte also etwas tun. Wenn er denn will.

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