Corona-Impfung:Warum es keine gute Idee ist, den Abstand zwischen zwei Astra-Zeneca-Spritzen zu verkürzen

Besserer Impfschutz gegen Urlaubsplanung: Was taugt der "lebenspraktische" Vorschlag von Gesundheitsminister Spahn?

Von Hanno Charisius

Es ist knapp sechs Wochen her, da empfahl die Ständige Impfkommission (Stiko), die zwei für den vollständigen Immunschutz notwendigen Spritzen mit dem Vakzin des Herstellers Astra Zeneca mit einem Abstand von zwölf Wochen zu verabreichen. Einerseits um möglichst viele Erstimpfungen in kurzer Zeit schaffen zu können, andererseits aber auch, weil sich gezeigt hat, dass die Wirksamkeit dann höher ist. Doppelt gute Sache also, den Impfabstand zu verlängern. Das war Anfang April.

Am Mittwoch stellte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) diese Idee auf den Kopf. Es sei "lebenspraktisch", den Abstand auf vier Wochen zu verkürzen, viele würden die Zweitimpfung lieber früher haben, "auch mit Blick auf den Sommer", sagte Spahn im Fernsehen. Die Monatsfrist zwischen den beiden Spritzen sei durch die Zulassung des Impfstoffs gedeckt, das von der europäischen Arzneimittelagentur EMA erlaubte Intervall spannt sich von vier bis zwölf Wochen. Dass ein längerer Abstand zu besserer Wirksamkeit führt, war dem Minister bewusst. Es steht besserer Impfschutz gegen Urlaubsplanung. Bund und Länder schafften am Donnerstagabend dafür auch formal die Voraussetzung und hoben die Priorisierung für Impfungen mit Astra Zeneca bundesweit auf.

Die schnellere Immunisierung soll den Impfstoff attraktiver machen

Auch die Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein regte in dieser Woche in einem Schreiben an Ärztinnen und Ärzte an, ihren Patientinnen und Patienten den Minimalabstand von vier Wochen bei Impfungen mit Astra Zeneca anzubieten. So soll der Impfstoff mit dem ramponierten Ruf attraktiver gemacht werden.

Viele Menschen hegen inzwischen Vorbehalte gegen den Impfstoff des britisch-schwedischen Pharmaunternehmens. Nachdem vor allem bei jüngeren Frauen nach einer ersten Impfung mit dem Astra-Zeneca-Vakzin sehr seltene Thrombosen in Hirnvenen mit auffälligen Begleiterscheinungen aufgetreten waren, hatte die Stiko empfohlen, das Produkt nur noch für Menschen älter als 60 Jahre einzusetzen. Die europäische Arzneimittelbehörde EMA sprach sich gegen eine Altersbeschränkung aus. Ein Hinweis auf das Auftreten ungewöhnlicher Blutgerinnsel sollte jedoch in die Fach- und Gebrauchsinformation des Präparats aufgenommen werden. Zuletzt berichtete eine Forschergruppe nach der Analyse von Daten aus Deutschland, dass es womöglich auch für Frauen über 60 Jahre ein leicht erhöhtes Risiko für Hirnvenenthrombosen gibt. Doch sind die Daten nicht vollständig, und die Untersuchung wurde noch nicht von unabhängigen Fachleuten begutachtet.

Wie sehr aber leidet die Wirksamkeit, wenn man das Impf-Intervall von Astra Zeneca von zwölf auf vier Wochen verkürzt? Es gibt zu dieser Frage bisher kaum Studien, doch im Februar lieferte eine Untersuchung im Fachjournal The Lancet ein paar erstaunliche Antworten: Wurde zwölf Wochen oder länger mit der zweiten Spritze gewartet, betrug die Schutzwirkung des Vakzins 81 Prozent im Vergleich zu der ungeimpften Kontrollgruppe. War das Intervall hingegen kürzer als sechs Wochen, sank die Schutzwirkung auf etwa 55 Prozent. Solide abgesichert durch weitere Studien sind diese Werte noch nicht. Doch vielleicht ist es nicht verkehrt, auch diesen Aspekt bei der Urlaubsplanung zu bedenken.

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