CDU:Helmut-Kohl-Stiftung: "Extrem vermintes Terrain"

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Altbundeskanzler Helmut Kohl (CDU) mit seiner Frau Maike Kohl-Richter im Herbst 2010, im Musiksaal des Landtags in Wiesbaden (Foto: Fredrik Von Erichsen/dpa)

Der Bundestag beschließt die Gründung einer Stiftung, um an das Leben und Wirken von Ex-Bundeskanzler Kohl zu erinnern. Bis zuletzt versuchte die CDU die Witwe Maike Kohl-Richter miteinzubeziehen - vergebens.

Von Boris Herrmann, Berlin

Es war ein harter, bisweilen auch qualvoller Weg, aber nun ist es vollbracht. Knapp vier Jahre nach dem Tod von Helmut Kohl hat der Bundestag die Gründung einer Stiftung beschlossen, um an das Leben und Wirken des früheren Bundeskanzlers zu erinnern. Dieses "Helmut-Kohl-Zentrum" soll an einem repräsentativen Ort in Berlin entstehen; wo genau, steht noch nicht fest. Geplant ist eine öffentlich zugängliche Erinnerungsstätte mit zeitgeschichtlichen Ausstellungen und wissenschaftlichen Arbeitsmöglichkeiten. Die Einrichtung einer solchen Gedenkstiftung folgt gewissermaßen einem Gewohnheitsrecht. Auch drei andere herausragende Kanzler der Nachkriegsgeschichte - Konrad Adenauer, Willy Brandt und Helmut Schmidt - wurden nach ihrem Tod auf diese besondere Weise gewürdigt. Im Falle Kohls sind die Begleitumstände der Stiftungsgründung allerdings alles andere als gewöhnlich.

Sie wurde am späten Donnerstagsabend mit breiter Mehrheit ins Leben gerufen. Auch fast alle Oppositions-Fraktionen stimmten dem Gesetzentwurf der Koalition zu, bloß die AfD enthielt sich. Natürlich liegt es auf der Hand, dass vor allem die CDU, deren Vorsitzender Kohl bis 1998 ein Vierteljahrhundert lang war, die Sache vorangetrieben hatte. Dabei schien es sich aber zumindest am Ende eher um die Erledigung einer lästigen Pflicht gehandelt zu haben als um so etwas wie Gründerstimmung. Wer sich dieser Tage in CDU-Kreisen umhört, um über die "Bundeskanzler Helmut-Kohl-Stiftung" zu reden, der stößt auf lautes Schweigen. Einer, der diese komplizierte Geburt aus der Nähe begleitet hat, spricht von "extrem vermintem Terrain".

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Im Mittelpunkt dieses Terrains steht wieder einmal Kohls Witwe und Allein-Erbin Maike Kohl-Richter, 57. Sie gilt, vorsichtig formuliert, als eine Frau mit eigenwilligen Vorstellungen vom öffentlichen Andenken an ihren 2017 verstorbenen Ehemann. Schon die unwürdige Auseinandersetzung um den Staatsakt und die private Trauerfeier Helmut Kohls waren vom Zerwürfnis zwischen ihr und der CDU, der Bundesregierung sowie Kohls Söhnen Walter und Peter überschattet. Das alles hat sich jetzt offenbar noch einmal bei der Gründung der Stiftung zugespitzt, also bei der Deutung eines politischen Lebenswerks. Maike Kohl-Richter beansprucht offenbar die Deutungshoheit exklusiv für sich. Dieses Bild ergibt sich aus zahlreichen Hintergrundgesprächen mit Eingeweihten, die allerdings allesamt nicht zitiert werden wollen.

"Wir als Familie freuen uns sehr"

Zu den wenigen, die offen reden, gehört Walter Kohl, 57. "Wir als Familie freuen uns sehr, dass es jetzt zur Gründung der Stiftung kommt", sagt der älteste Sohn des früheren Kanzlers aus dessen ersten Ehe mit Hannelore Kohl (1933-2001): "Das Lebenswerk unseres Vaters, das untrennbar mit unserer Mutter verbunden ist, kann somit kritisch gewürdigt werden."

Genau das, eine kritische Würdigung, scheint Maike Richter-Kohl schon zu weit zu gehen. Am Donnerstag erklärte sie auf ihrer Internetseite zur Gründung der Stiftung: "In meiner Funktion als Erbin und Witwe Helmut Kohls habe ich dem Vorhaben nicht zugestimmt. Denn: Diese Konstruktion zu diesem Zeitpunkt entspricht nicht den Vorstellungen meines Mannes." In einer elfseitigen Presseerklärung, die von ihren Anwälten verfasst wurde, greift die Witwe die CDU-Spitze scharf an. Ihre Bedenken an der Stiftung hätten dort "kein Gehör" gefunden. Aus ihrer Sicht geht es nicht um "objektive Aufarbeitung", sondern "stärker denn je um Gesinnung, Ideologie, Zerstörung und Geschichtsfälschung."

Tatsächlich ist fast allen Beteiligten klar, dass es bei solch einem Erinnerungsort in Berlin nicht einfach nur darum gehen kann, Helmut Kohl auf einen Sockel zu stellen. Er war der Kanzler der Wende und der europäischen Integration, aber er war eben auch der Kanzler der schwarzen Kassen und nicht nur als solcher ein höchst ambivalente Figur der Zeitgeschichte. Erklärter Stiftungszweck ist es, diese Ambivalenz wissenschaftlich aufzuarbeiten.

Einen Platz im Kuratorium habe die Witwe abgelehnt

Dem Vernehmen nach hat sich zuletzt vor allem Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus darum bemüht, die Wogen zu glätten und Kohls Witwe in die Stiftung einzubinden - allerdings nicht um jeden Preis. Es soll konkrete Überlegungen gegeben haben, ihr ein Platz auf Lebenszeit in dem fünfköpfigen Kuratorium einzuräumen. Das habe Maike Kohl-Richter aber abgelehnt. Stattdessen sollen nun je zwei Kuratoriumssitze von Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) und der Konrad-Adenauer-Stiftung sowie einer von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ernannt werden.

Aber es gibt noch mindestens zwei weitere kritische Punkte bei dieser Stiftung: der Standort und die Akten. Beides hängt zusammen, denn der Witwe wird vorgeworfen, sie wolle eine Art privates Kohl-Museum bei sich zu Hause in Oggersheim errichten. Alle Bundestagsfraktionen mit Ausnahme der FDP sind allerdings der Meinung, dass die Erinnerung an den Einheitskanzler zwingend nach Berlin gehört. Nur: Was soll dort eine Forschungseinrichtung, die kaum was zu erforschen hat?

Helmut Kohl hatte nach seiner Abwahl als Bundeskanzler 1998 einen Laster voller Akten der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung für ihr Archiv in Sankt Augustin bei Bonn zukommen lassen. Einer, der Kohl sehr gut kannte und lange mit ihm zusammengearbeitet hat, schätzt den Umfang der Lieferung auf "150 bis 200 Leitz-Ordner". Dabei habe es sich vor allem um Dokumente von "politisch privatem" Charakter gehandelt, Briefwechsel mit CSU-Chef Franz Josef Strauß beispielweise. Es seien historisch höchst interessante Dinge darunter, aber "überhaupt nichts Geheimnisvolles." Helmut Kohl hat sich im Jahr 2010 diese Akten wieder ausgeliehen, um seine Memoiren zu schreiben. Sie wurden in sein Wohnhaus nach Oggersheim transferiert, und da befinden sie sich- nach allem, was man weiß - bis heute. Unter der Obhut von Maike Kohl-Richter.

Wichtige Akten fehlen

Walter Kohl sagte der Süddeutschen Zeitung: "Niemand sollte hier irgendwelche privaten Interessen verfolgen. Alle amtlichen Dokumente gehören in die Stiftung, damit sie dort wissenschaftlich aufgearbeitet werden können." Eine Stiftung ohne diese Akten wäre eine "inhaltsleere Kiste" heißt es aus Unionskreisen.

Maike Kohl-Richter wehrt sich in ihrer Presseerklärung gegen den Eindruck, die Verzögerung der Stiftungsgründung liege an ihr. Ralph Brinkhaus jedenfalls, den zuletzt einige mit "sehr kurzer Zündschnur" erlebten, scheint sich am Ende entschlossen zu haben, die Sache auch ohne Einwilligung der Witwe durchzuziehen. Er nutzte nun die wohl die letzte Möglichkeit, die Gründung der Stiftung noch in dieser Wahlperiode umzusetzen. Der Showdown zwischen Berlin und Oggersheim hat gerade erst begonnen.

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