Landesausstellung in Regensburg:Als die alte Welt zerbrach

Landesausstellung in Regensburg: Die Abteilung 1 der Bayerischen Landesausstellung im Regensburger Haus der Geschichte. ©Haus der Bayerischen Geschichte

Die Abteilung 1 der Bayerischen Landesausstellung im Regensburger Haus der Geschichte. ©Haus der Bayerischen Geschichte

(Foto: Haus der Bayerischen Geschichte)

"Götterdämmerung" ist der Titel der neuen Ausstellung in Regensburg. Die Schau wirft ein Licht auf das Fin de Siècle - und präsentiert dazu ein ebenso unauffälliges wie schreckliches Ausstellungsstück.

Von Hans Kratzer

Hin und wieder erlangen sogar unscheinbare Dinge eine welthistorische Bedeutung. Ein solches Objekt ist demnächst in der neuen Landesausstellung in Regensburg zu bestaunen, zu deren pompösem Titel "Götterdämmerung" dieses unspektakuläre Objekt zunächst gar nicht passen mag. Es handelt sich um eine dünne, spitzige Feile, die allerdings von einem Schauder umhüllt ist.

Mit ihrer Hilfe hat ein Attentäter am 10. September 1898 die österreichische Kaiserin Elisabeth, auch Sisi genannt, ermordet. Das alte Habsburgerreich wurde damit ins Mark getroffen, bald taumelte es in einer Art Götterdämmerung seinem Ende entgegen.

Die Mordwaffe ist eine von Blut und Tragik gezeichnete Attraktion der Ausstellung, die am 23. Juni in Regensburg eröffnet wird. Die mit moderner Medientechnik inszenierte Schau wird Glanz und Elend des Fin de Siècle beleuchten, jene Umbruchszeit des endenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts, in der die Statik Europas erschüttert wurde. Viele Herrscherhäuser gingen zugrunde, die Technik veränderte die Welt von Grund auf.

Manche spürten schon damals, dass sich ein Zeitalter monarchischen Glanzes seinem Ende zuneigte, die unstete Kaiserin Elisabeth ahnte dies ganz besonders. Am 9. September 1898 traf sie in Genf ein, wo sie im Hotel Beau Rivage abstieg. Der Wiener Hof sah den Abstecher der Kaiserin mit Sorge, denn die Schweiz galt damals als ein Zentrum der Anarchisten. Auch Sisi wusste um die Gefahr, aus einem ihrer Gedichte geht das ganz klar hervor: "Schweizer, Ihr Gebirg ist herrlich! / Ihre Uhren gehen gut. / Doch für uns ist sehr gefährlich / Ihre Königsmörderbrut!"

Auch der Genfer Polizeipräsident warnte die unter falschem Namen angereiste Kaiserin und bot ihr Polizeischutz an, den sie jedoch ablehnte. Am Tag darauf verließ Sisi kurz nach 13 Uhr in Begleitung ihrer Hofdame Irma Sztaray das Hotel, um das Schiff nach Montreux zu erreichen. Auf dem Weg zur Anlegestelle näherte sich ein seltsamer Kerl, der die Kaiserin mit einem Hieb gegen die Brust umstieß.

Passanten hielten den vermeintlichen Rowdy fest und halfen Sisi wieder auf die Beine. Sie bedankte sich und legte dann eiligen Schrittes die kurze Strecke bis zum Schiff zurück. Dort angekommen, verlor sie aber schnell das Bewusstsein. Kurz schlug sie noch einmal die Augen auf und fragte: "Was ist mit mir?" Dann sackte sie abermals weg. Man brachte sie ins Hotel zurück, wo der Arzt ihren Tod feststellte.

Die Kaiserin starb einen schmerzlosen Tod

Bei dem Rempler war unbemerkt geblieben, dass der Mann mit jener Feile, die jetzt in Regensburg präsentiert wird, auf Sisi eingestochen hatte. Er traf sie mitten in der Herzgegend. Bei dem Täter handelte es sich um den Hilfsarbeiter Luigi Lucheni (1873-1910), einen italienischen Anarchisten, in dem ein unbändiger Hass auf die Obrigkeit nistete. Er verachtete Monarchen und Fürsten und nannte sie Parasiten.

Als er erfuhr, dass die Kaiserin in Genf weilte, legte er sich vor dem Hotel auf die Lauer. Für Elisabeth war es ein schmerzloser Tod. Durch den kleinen Stich und die starke Schnürung ihres Korsetts floss das Blut sehr langsam in den Herzbeutel, der Tod wurde dadurch hinausgezögert.

Lucheni wurde der Polizei übergeben. Als der Tod Elisabeths publik wurde, rief er triumphierend: "Es lebe die Anarchie!" Heute wird vermutet, dass er Helfer und Auftraggeber hatte. Der Mörder wurde zu einer lebenslangen Haft verurteilt. Im Oktober 1910 erhängte er sich in seiner Zelle.

Die Landesaustellung führt zwei Gefühlswelten zusammen

Geschichten wie diese prägen sich in das kollektive Gedächtnis ein und bringen damit jede Ausstellung ins Schillern. Mythos, Drama und der Tod einer Ikone, solche Ingredienzien beflügeln die Fantasie und die Sensationslust. Noch dazu, wenn es um eine Frau wie Sisi geht, eine Bayerin, die als junges Mädchen Kaiserin in Wien wurde, sich aber ihrer Rolle am Hof verweigerte und "fortan ihr Ding machte", wie es Margot Hamm, Kuratorin der Ausstellung, salopp ausdrückt. Was ihre rastlose Mobilität betrifft, war Sisi ihrer Zeit voraus. Ununterbrochen halb Europa durchmessend, nahm sie einen Lebensstil vorweg, der in die ungezügelte Massenmobilität von heute münden sollte.

Die Ausstellung führt zwei Gefühlswelten zusammen, die rasante Veränderung der Welt und die strahlende Zuversicht einerseits sowie die düsteren Zukunftsszenarien andererseits. Diese Gemengelage prägte das Fin de Siècle nicht weniger als die Gegenwart. 1886, im Todesjahr des technikaffinen Königs Ludwig II., entwickelte Carl Benz das erste Automobil. Der Wagen schaffte eine Geschwindigkeit von 16 Stundenkilometern.

In der Landesausstellung ist ein Phaeton zu sehen, ein Wagen, der den Namen des Sohnes des Sonnengottes Helios trug und diese Geschwindigkeit mehr als verdoppeln konnte. Was tat es da, dass der Komfort bescheiden war und die Reifen in der Regel schon nach 100 Kilometern geflickt werden mussten.

Die Landesausstellung knüpft vom Titel her an die Ludwig II.-Schau von 2011 an, die damals mehr als eine halbe Million Besucher nach Herrenchiemsee lockte. Die Insel fiel diesmal als Schauplatz aus, der Pandemie wegen musste das Haus der Bayerischen Geschichte auf den Donausaal des neuen Bayernmuseums in Regensburg ausweichen, wo die Aufbauarbeiten gerade in vollem Gange sind.

Es zeichnet sich an manchen Stellen jetzt schon eine spannende Inszenierung ab. In der ersten Sektion etwa, wo sich die Besucher, von Dunkelheit umfangen, mitten im Leichenbegängnis für König Ludwig II. wiederfinden. Die Stationen schildern das Schicksal und das Lebensgefühl der letzten Herrschergenerationen vor dem Ersten Weltkrieg.

Vom Haus Wittelsbach bis zur letzten russischen Zarenfamilie, von der englischen Queen Victoria und ihren Enkeln bis zum österreichischen Kaiserhof in Wien, überall versuchten die Monarchien ihren Weg in die Moderne zu finden. Vergeblich. Nach dem Krieg hatten fast alle ihre Macht verloren. Die Ära und die Ausstellung enden mit dem Begräbnis des letzten Bayernkönigs Ludwig III. anno 1921. Neu ist, dass die Inszenierungen mit einer eigens dafür komponierten Musik untermalt sein werden.

Eine von Sisis Schwestern, Helene von Thurn und Taxis (1834-1890), hat ebenfalls ihren Platz in der Schau. Sie war verheiratet mit Erbprinz Maximilian Anton von Thurn und Taxis und lebte als Unternehmerin in Regensburg. Vieles im Schloss St. Emmeram erinnert noch an sie. Schön, dass auch dieser Originalschauplatz während der Ausstellung seine Tore öffnet (www.thurnundtaxis.de).

"Götterdämmerung II - Die letzten Monarchen", Haus der Bayerischen Geschichte, Regensburg, 23. Juni 2021 bis 16. Januar 2022 (www.hdbg.de/goetterdaemmerungII). Die Stadt plant dazu ein Begleitprogramm, das die Welt von damals auf lokaler Ebene lebendig werden lassen soll.

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