Motorsport:Pasito, pasito

Lesezeit: 4 min

Erster Heim-Grand-Prix seit 2018: Fernando Alonso ist zurück auf dem Circuit de Barcelona-Catalunya. (Foto: Bryn Lennon/Getty)

Nach zwei Jahren Formel-1-Auszeit kehrt Fernando Alonso auf den Circuit de Barcelona-Catalunya zurück, er ist nicht der einzige Lokalmatador. Wie Alonso mit Alpine will Vettel-Nachfolger Carlos Sainz mit Ferrari den Sprung an die Spitze schaffen - und setzt auf den Wandel der Rennserie.

Von Anna Dreher, Barcelona

Fernando Alonso fuhr am Samstag als Erster aus der Garage. Die blaue Lackierung seines Rennwagens glitzerte in der Sonne. Keine Wolke am Himmel. Das laute Motordröhnen seines Alpine erfüllte die Luft beim dritten Freien Training des Grand Prix von Spanien. Und was für Szenen hätten sich jetzt abspielen können: Lauter Jubel, Applaus, rot-gelb-rote Fahnen, Plakate mit Alonsos Konterfei und Mützen mit einer eingestickten Nummer 14 auf dem Schild. Vielleicht hätten sich manche Fans sogar umarmt vor lauter Glück. "Es ist immer ein besonderes Gefühl, hier zu fahren", sagte Alonso bei der Auftakt-Pressekonferenz. "Da kommen einige gute Erinnerungen auf, auch an die Unterstützung der Fans." Doch die Zuschauerränge waren leer, als er über den Asphalt donnerte, keine Ekstase auf den Sitzschalen.

Aufgrund der Hygienemaßnahmen, die von der Formel 1 erlassen wurden, um trotz Coronavirus den Rennzirkus auf Tournee schicken zu können, werden die meisten der insgesamt 23 geplanten Läufe - wenn überhaupt - auf der Strecke zum Spektakel. Monte Carlo will in zwei Wochen 7500 Zuschauer erlauben, beim Rennen auf dem Circuit de Barcelona-Catalunya am Sonntag (15 Uhr, RTL/Sky) sind 1000 zugelassen. Kein Vergleich zu den vor-pandemisch bisweilen 100 000. Ob da wirklich Atmosphäre aufkommt? Da kehrt Alonso nach zwei Jahren Formel-1-Auszeit auf seine Heimatstrecke zurück - und das große Festival muss ausbleiben. Keine Massen, die an die Strecke pilgern, um den zweimaligen Weltmeister wieder zu sehen - und, das kommt noch hinzu, um einen weiteren spanischen Piloten anzufeuern.

Carlos Sainz fährt seit dieser Saison als dritter Spanier in der Formel 1 für Ferrari

Nicht nur ist diese Saison in Alonso einer der charismatischsten Formel-1-Lenker zurück, in Carlos Sainz trägt ein Spanier nun auch das traditionsreiche Ferrari-Rot, als erst dritter nach Alfonso de Portago (1956-57) und Alonso (2010-2014). Gleich zwei Lokalmatadore, das gab es zuletzt vor fast zehn Jahren, als sich bisweilen sogar drei Spanier in der Startaufstellung einreihten. Entsprechend enttäuscht war der um die Besonderheit dieser Konstellation wissende Sainz. "Es ist immer zusätzlich motivierend, wenn du auf deinem Heimat-Boden bist", sagte der 26-Jährige. "Aber die Stimmung ist anders, wenn die Fans nicht da sind, um dich zu unterstützen. Und ich glaube, dieses Jahr mit Fernandos Rückkehr und mir bei Ferrari wäre das Rennen hier aufregend geworden."

Zwei Lokalmatadore in Barcelona: In dem zweimaligen Weltmeister Fernando Alonso (rechts) und Carlos Sainz fahren erstmals seit langem wieder zwei Spanier in der Formel 1. (Foto: Mark Sutton/AP)

Nun ist es nicht so, dass beide großartige Aussichten auf einen gerade bei dieser Strecke so wichtigen Platz in den vorderen Parkbuchten gehabt hätten. Mercedes und Red Bull dominieren auch dieses Jahr. Ferrari muss sich nach einer katastrophalen Saison erst einmal schütteln und wiederfinden. Sainz ist zu einem Team gestoßen, das 2020 vor allem damit auffiel, auf ungute Weise außer Konkurrenz zu fahren - und sich nach sechs Jahren höchst unrühmlich vom viermaligen Weltmeister Sebastian Vettel trennte, dessen Nachfolger Sainz ist.

Jenem Rennstall, wo Alonso zweimal knapp den WM-Titel verpasste, bis Vettel seinen Platz einnahm. Immerhin wirkt es nun so, als könne Ferrari um Platz drei in der Konstrukteurs-WM mitfahren. Derzeit belegt diesen Rang allerdings McLaren. Dass das Image der stolzen Scuderia gelitten hat, zeigt auch die Einschätzung, die Alonso am Donnerstag abgab, als er neben Sainz auf der Pressekonferenz saß. Ob Alpine es mit Ferrari aufnehmen könne? "Auf jeden Fall", sagte er - das in Alpine umbenannte Renault-Team zählt zum Mittelfeld.

Für die beiden Spanier gilt es, sich auch ohne wirklichen Heimvorteil zu präsentieren

Die Ausgangspositionen der beiden Rennställe sind unterschiedlich, die Hoffnungen ähnlich: Beide spekulieren auf eine erfolgreichere Zukunft durch die Regeländerungen der Formel 1, die ab 2022 Hierarchien durchmischen könnten. Was auch für die Fahrer gilt. Alonso glaubt daran, mit jenem Team, bei dem er 2005 und 2006 Weltmeister wurde, an seine 32 Siege anknüpfen zu können. "Ich brauche noch Zeit, um 100 Prozent bereit zu sein", sagte der 39 Jahre alte Asturier in Barcelona. "Aber ich fühle mich vertrauter im Auto und verstehe es besser."

Sainz steckt seinen Spielraum vorsichtshalber gleich etwas weiter. Vor der Saison sagte er der Zeitung El País: "In fünf Jahren will ich Weltmeister sein, und ich glaube, das hier ist der beste Ort, um das zu erreichen. Ich habe noch Zeit." Er versucht, über Anpassungen am Fahrstil und Fahrzeug herauszufinden, wie ihm der Ferrari am besten liegt, nachdem er bis Ende 2020 noch einen McLaren lenkte. Pasito, pasito, behutsam Schritt für Schritt: "Die Kniffe des Autos kenne ich noch nicht sehr gut. Aber ich mache Überstunden mit den Ingenieuren. Wir alle wissen, wie schnell Charles ist und was es kosten wird, im Qualifying vor ihm zu stehen."

Denn darum geht es ja auch in der Formel 1 - den Konkurrenten im eigenen Stall zu besiegen. Was schwieriger ist, wenn der das Auto besser kennt, weil er nicht neu dazugekommen ist. Während Sainz' Teamkollege Charles Leclerc hinter den Mercedes- und Red-Bull-Piloten Fünfter der Gesamtwertung ist, belegt Sainz den achten Platz. Alonso kam in den bisherigen drei Rennen stets hinter dem Gesamtneunten Esteban Ocon ins Ziel und ist selbst Zwölfter. Am Samstag wurde Leclerc Vierter, Ocon Fünfter, Sainz Sechster und Alonso Zehnter. Für die beiden Spanier gilt es, den Heimvorteil auch ohne lautstarke Unterstützung zu nutzen.

In Portugal vor einer Woche zeigte Alonso ja bereits, dass er nicht viel verlernt hat seit seinem Abschied 2018: Er wurde zwar nur Achter - das jedoch mit der schnellsten Runde eines Fahrers, der nicht in einem Mercedes oder Red Bull saß. Und an den Gran Premio de España hat Fernando Alonso nicht nur wegen der Stimmung gute Erinnerungen. Hier gewann er 2013 zum bislang letzten Mal ein Formel-1-Rennen.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: