Mitten am Gipfel:Die Freiheit der Vatvoegel

Wer die Landkreisgrenzen mal verlässt und beispielsweise den Seebergkopf besteigt, entdeckt im Gipfelbuch eine interessante Lektüre

Glosse von Korbinian Eisenberger

Momente, in denen sich Menschen frei wie Vögel fühlen, sind rar dieser Tage. Man kann sich dem Gefühl aber annähern, indem man die Grenzen des Landkreises hinter sich lässt und hinauf steigt zu den Gipfeln im Oberland. Je länger der Weg dauert, desto näher kommt man seinem Ziel: Der Nähe zum Himmel, die der Vogel dank seines Gefieders so viel einfacher erreicht. Der Mensch kann mit Federn hingegen nur sinnig umgehen, wenn er sie zum Schreiben in der Hand hält. Wobei man am Berg aus Sicherheitsgründen verhindern sollte, dass man in der Tinte sitzt.

Dieser Weisheit folgend gelingt die souveräne Ankunft am 1538 Meter hohen Seebergkopf bei Bayrischzell. Ein kleines Erfolgserlebnis im Zweikampf mit der Schwerkraft, was im Gipfelbuch dokumentiert werden muss. Irgendwas mit Freiheit und Vögeln wird sich schon zusammen reimen lassen. Eine Idee, die hier allerdings viele andere schon hatten, wie sich alsbald herausstellt: Das Gipfelbuch der Alpenvereinssektion München-Oberland ist bis zur letzten Seite vollgeschrieben. Einer hat für ergänzende Zeilen gar ein Taschentuch eingelegt und mit "Maxi <3" unterzeichnet. Fast möchte man sich damit vor Rührung die Augen wischen.

Die Lektüre des Gipfelbuchs vom Seebergkopf stellt sich als Manifest der Freiheit heraus - das zeigt vor allem folgendes Kapitel: "Erfolgreicher Vorbereitungsstart der Damen 1 des TSV Vaterstetten Handball @Damen1-vatvoegel" steht dort blau auf weiß. Garniert ist dieses Dokument des Durchhaltens mit "#flyhigh #vögelfürsleben", datiert ist es auf den 11. Juni 2020. Sieben Zeilen der Zuversicht aus der Feder der Vaterstettener Handball-Vögel. Gleich darunter folgt der philosophische Beitrag einer jungen Bergsteigerin namens Lotte: "Es war ein langer (...) Weg. Wir kommen wieder!"

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