Impfkampagne:Johnson & Johnson für alle

Corona-Impfung: Eintrag in einem Impfpass

Der Impfstoff von Johnson & Johnson wird in Europa vom niederländischen Unternehmen Janssen hergestellt.

(Foto: dpa)

Empfohlen wird der Impfstoff von Johnson & Johnson zwar nur für über 60-Jährige. Doch grundsätzlich darf sich jeder ohne Priorisierung damit impfen lassen. Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Von Hanno Charisius und Henrike Roßbach

Mit dem Vakzin von Johnson & Johnson wird nach dem Vakzin von Astra Zeneca der zweite Impfstoff für alle Impfwilligen in Deutschland freigegeben - ohne Priorisierung. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Warum wird die Priorisierung aufgehoben?

Bei dem Vakzin kommen zwei Umstände zusammen, die auf unglückliche Art und Weise nicht zueinander passen. Zum einen empfiehlt die Ständige Impfkommission (Stiko) den Impfstoff nur für über 60-Jährige - aus dem gleichen Grund wie bei dem Vakzin von Astra Zeneca. Zum anderen erwartet der Bund den größten Teil der Lieferung (bis Ende Juli sollen es mehr als zehn Millionen Dosen sein) erst im Juni und Juli. Zu diesem Zeitpunkt aber werden laut Gesundheitsministerium so gut wie alle über 60-Jährigen - also die eigentliche Zielgruppe - schon geimpft sein.

Hinter der Entscheidung, den Impfstoff nun für alle Impfwilligen freizugeben - also auch für unter 60-Jährige, jedenfalls nach medizinischer Beratung - steckt deshalb vor allem ein pragmatischer Ansatz. Die Impfkampagne soll nicht verlangsamt werden, indem Impfstoff liegen bleibt. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte am Montag, mitten in der Pandemie sei es sinnvoll, so vorzugehen, um "pragmatisch in dieser Impfkampagne weiter mit Geschwindigkeit arbeiten zu können".

Was ändert das für die Impfkampagne?

Dass die Stiko den Impfstoff nur für über 60-Jährige empfiehlt, die ihn aber mehrheitlich nicht mehr brauchen werden, wenn er erst mal im großen Stil da ist, ist natürlich zunächst einmal misslich für die Impfkampagne. Spahn aber gab sich am Montag dennoch zuversichtlich. Er geht davon aus, dass die Aufhebung der Priorisierung eine Verlangsamung der Impfkampagne verhindern wird. Der Gesundheitsminister verwies auf die Erfahrungen mit dem Astra-Zeneca-Vakzin, für das die Priorisierung ebenfalls aufgehoben wurde und das sich auch unter 60-Jährige nach ärztlicher Beratung spritzen lassen können - obwohl auch dieser Impfstoff nur für über 60-Jährige von der Stiko empfohlen wird. "Es gibt viel Nachfrage auch nach Astra Zeneca über alle Altersgruppen hinweg", sagte er. "Das wird auch bei Johnson & Johnson so sein. Deshalb befürchte ich keine negativen Effekte für die Impfkampagne."

Der Impfstoff von Johnson & Johnson könnte womöglich für viele sogar attraktiver sein als der von Astra Zeneca, weil er für eine vollständige Immunisierung nur einmal gespritzt werden muss. Man rückt also deutlich schneller in den Club der vollständig Geimpften auf, inklusive der Freiheitsrechte, die damit einhergehen - und womöglich noch rechtzeitig vor dem Urlaub im Sommer.

Warum muss der Impfstoff nur einmal verabreicht werden?

Die Entwickler dieses Impfstoffs haben ein harmloses Erkältungsvirus zum Genfrachter umgerüstet. Die Viren transportieren den Bauplan für ein Bruchstück der Coronaviren in die Zellen der geimpften Personen. Die Zellen produzieren daraufhin die Corona-Teile, an denen das Immunsystem seine Abwehrreaktion einübt. Das Transportvirus kann zwar menschliche Zellen befallen, um seine Fracht abzuliefern, sich jedoch nicht vermehren und daher die geimpfte Person auch nicht krank machen. Dasselbe Prinzip nutzt auch das Vakzin von Astra Zeneca. Johnson & Johnson räumte bei der Entwicklung jedoch dem einfachen Impfschema Priorität ein. Laut Daten des Herstellers schützt das Vakzin dennoch vier Wochen nach der Impfung zu 85 Prozent vor schweren Krankheitsverläufen und bietet vollständigen Schutz vor Krankenhausaufenthalten und Tod durch Covid-19. Leichtere Krankheitsverläufe sollen noch zu 66 Prozent verhindert werden. Auch gegen Virusvarianten soll der Impfstoff einen guten Schutz vermitteln. Wie lange er anhält und wann besser nachgespritzt werden sollte, wird aktuell untersucht.

Wo wird der Impfstoff gespritzt?

Die Priorisierung wird für Arztpraxen und auch für Impfungen in den Betrieben aufgehoben. Ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums sagte am Montag, dass mit dem Vakzin besonders gut schwer erreichbare Menschen wie etwa Wohnungslose geimpft werden könnten, weil es nur einmal verabreicht werden müsse. Allerdings betonte Spahn, dass alle unter 60 Jahren aufgeklärt und informiert werden müssten, auch bei Impfungen durch mobile Teams in der Obdachlosenhilfe.

Wie groß sind die gesundheitlichen Risiken?

Im Zusammenhang mit einer Impfung mit dem Präparat von Johnson & Johnson wurde aus den USA in seltenen Fällen von Hirnvenenthrombosen berichtet, mit ähnlichen Begleiterscheinungen wie beim Präparat des Herstellers Astra Zeneca. Aus diesem Grund empfiehlt die Ständige Impfkommission die Verimpfung dieses Mittels nur bei Menschen im Alter von über 60 Jahren, analog zu den Empfehlungen zum Vakzin von Astra Zeneca. Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) hatte im April die Meldungen von acht Fällen von Hirnvenenthrombosen aus den USA untersucht, wo das Präparat zu diesem Zeitpunkt etwa sieben Millionen Mal verimpft worden war. Wie die amerikanischen Behörden empfahl auch die EMA nach Prüfung den Impfstoff weiterhin uneingeschränkt für alle Altersgruppen ab 18 Jahren. Allerdings muss dem Impfstoff ein Warnhinweis beigefügt werden, der auf die Gefahr dieser Thromboseform aufmerksam macht.

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