Baupolitik in Schäftlarn:Keine Gnade für die Fassade

Baupolitik in Schäftlarn: Das Postgebäude in Ebenhausen gehört architektonisch zur Bayerischen Postbauschule und knüpft an den Bauhaus-Stil an.Heute ist die Fassade indes nicht mehr schnörkellos verputzt. Die Architektin habe das baulich bedeutsame Schäftlarner Postgebäude "bis zur Unkenntlichkeit verändert", begründet der Grünen-Gemeinderat Gerd Zattler (im Bild) die mehrheitliche Ablehnung der Tektur durch den Bauausschuss.

Das Postgebäude in Ebenhausen gehört architektonisch zur Bayerischen Postbauschule und knüpft an den Bauhaus-Stil an.Heute ist die Fassade indes nicht mehr schnörkellos verputzt. Die Architektin habe das baulich bedeutsame Schäftlarner Postgebäude "bis zur Unkenntlichkeit verändert", begründet der Grünen-Gemeinderat Gerd Zattler (im Bild) die mehrheitliche Ablehnung der Tektur durch den Bauausschuss.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Bald zehn Jahre schon streiten der Schäftlarner Gemeinderat und die Architektin Andrea Huss um das Äußere eines ehemaligen Postgebäudes im Ort. Frieden ist vorerst nicht in Sicht.

Von Marie Heßlinger

Das Haus mit der hellen Holzfassade in Ebenhausen sieht ein bisschen aus wie aus einem skandinavischen Schöner-Wohnen-Katalog: Es hat einen Dachvorsprung, ein Vordach über der Eingangstüre und weiße Sprossenfenster. An der einen Seite sind die Fenster so groß, dass bunte Kissen in den Rahmen liegen. Eigentlich ganz hübsch, wird manch einer denken. Bloß war das Haus einmal ein Postgebäude im Stil des Neuen Bauens - und sollte, nach Vorstellung der Gemeinde, so erhalten bleiben. Seit bald zehn Jahren liegen Gemeinderat und Bauherrin deshalb im Streit. Nun geht er in die nächste Runde.

Wer die S 7 in Richtung Wolfratshausen am Bahnhof Ebenhausen verlässt und links über die Bahngleise biegt, sieht das Haus direkt vor sich. Ein Fahrrad lehnt am Geländer, eine Birke tropft im Regen. Grünen-Gemeinderat Gerd Zattler stellt sich unter das Dach des kleinen Nebengebäudes, er hat sich bereit erklärt, die Geschichte aus Sicht des Bauausschusses zusammenzufassen. "1934: Postamt Ebenhausen-Schäftlarn" steht auf einem Wikipedia-Ausdruck über die Postbauschule, den Zattler mitgebracht hat. "Das letzte, bevor die Nazi-Architektur angefangen hat", sagt er.

Die Bayerische Postbauschule ist ein Architekturstil, der an das 1919 revolutionäre Bauhaus in Weimar anknüpfte: schlicht, minimalistisch, funktional. In Bayern war der Architekt Robert Vorhoelzer beim damals noch staatlichen Postamt angestellt. Er prägte den Bayerischen Postbaustil: Seine Gebäude waren schnörkellos und weiß verputzt, die Dächer ohne Vorsprung, aber rot. Das wahrscheinlich jüngste Gebäude dieser Art war die Post in Ebenhausen, entworfen von einem anderen Vertreter jener Epoche: Hans Schnetzer. Unter Hitler verlor Vorhoelzer seine Leitungsposition beim Baureferat der Post, Schnetzer zog in den Krieg. Das Posthaus blieb. "Man konnte hier Telefongespräche führen", sagt Zattler, "man konnte hier seine Rente abholen."

Vor mehr als 15 Jahren löste die Post ihre Filiale im Ebenhausener Postgebäude auf, 2012 kaufte Andrea Huss aus Icking, eine Architektin Anfang 60, das Haus mitsamt dahinterliegendem Grundstück. Sie wollte die alte Post sanieren und zwei Wohngebäude für ihre Kinder errichten. 2013 genehmigte der Gemeinderat einen neuen Bebauungsplan. Statt einer "Post- und Telekommunikationsnutzung" war nun eine Wohnbebauung möglich. Und er vereinbarte mit Huss eine Abmachung: Die Architektin solle das Postgebäude in seinem Charakter erhalten, umgekehrt würde die Gemeinde ihr einige Zugeständnisse bezüglich ihrer weiteren Bauplanung machen, zum Beispiel auf die Anforderung einer Tiefgarage verzichten.

Was dann passierte, ist heute sicht- bar: Anders als es die Gemeinde es mit ihrem Bebauungsplan vorgesehen hatte, wurden die Dachziegel grau statt rot, nicht Beton sondern Holz verkleidet das Haus, und auch sonst sieht manches anders aus als zuvor: Der Dachvorsprung schloss ursprünglich dicht an der Wand ab. Die Architektin habe, sagt Zattler, das Postgebäude "bis zur Unkenntlichkeit verändert." Die Bauherrin argumentiert anders.

Im Bebauungsplan des Grundstücks steht: "Als Dachdeckung ist nur harte Dachdeckung, z.B. Dachziegel, Betonsteine, (rot bis rotbraun) oder Holzschindeln zugelassen." Die Farbvorgaben beziehen sich auch auf die Dachziegel, sagt die Gemeinde. Missverständlich ausgedrückt, findet Huss. "Man kann einfach bei der Gemeinde nicht zugeben, dass dieser Bebauungsplan sehr viele Fragezeichen aufwirft", sagt sie am Telefon.

Was den Dachvorsprung betrifft, dieser sei Vorgabe des Ortsgestaltungsplans, und dass ausgerechnet bei ihrem Haus keine Holzfassade erlaubt sei, damit habe sie nicht gerechnet. Bei allen anderen Gebäuden im Ort sei Holzverschalung erlaubt. Sie habe das Haus energieeffizient umgebaut, das Mauerwerk des Postgebäudes hätte statt einer Holzfassade einer zusätzlichen Dämmung bedurft, die unökologisch sei. "Ich habe das Haus erhalten, mit viel Arbeit", sagt Huss. Es sei schließlich nicht denkmalgeschützt. Vor ein paar Wochen reichte sie deshalb beim Bauausschuss einen Antrag um nachträgliche Genehmigung der Fassade ein - dieser lehnte mit fünf zu vier Stimmen ab.

Zattler war einer derjenigen im Schäftlarner Bauausschuss, die gegen die Duldung der Holzfassade stimmten. Der Gemeinderat fühle sich nicht ernst genommen, sagt er, es gehe darum, für künftige Bauherren keinen Präzedenzfall zu schaffen.

Bürgermeister Christian Fürst (CSU) indes hätte den Streit nach neun Jahren gerne beigelegt. "Der Charakter ist futsch", sagt er. Selbst wenn die Fassade abgerissen würde, so sei das Haus nicht mehr das alte. Die Gemeinde könne nur daraus lernen, in Zukunft nicht mehr auf derartige Absprachen zu vertrauen.

Ob auf die Ablehnung des Schäftlarner Bauausschusses tatsächlich der Abriss der Fassade folgt, bleibt abzuwarten: Das ist die Entscheidung des Landratsamtes. Doch selbst der Grünen-Gemeinderat Gerd Zattler schüttelt den Kopf: "Eine Maßnahme muss auch verhältnismäßig sein." Ein Abriss der Fassade wäre das wohl nicht.

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