Serie "Schlafschafe" im ZDF:Nichts als die Wahrheit

Schlafschafe

Die Mutter (Lisa Bitter) und der Vater (Daniel Donskoy) von Janosch (Emil Brosch) teilen kaum noch etwas, jedenfalls nicht die Wahrnehmung der Welt.

(Foto: Raymond Roemke/ZDF)

Was tun, wenn die eigene Partnerin plötzlich an Unsinn glaubt? Die kleine, schnelle Serie "Schlafschafe" erzählt, wie Verschwörungserzählungen eine Familie zerstören.

Von Alex Rühle

Lars und Melanie. Junges Paar, Eheglück. Inkl. kleiner Sohn namens Janosch. Eines Abends merkt Lars, dass Melanie alle Rauchmelder im Haus abgeschraubt hat. Und dass sie Janosch heimlich Abführmittel in den Obstsaft mischt. Als dann am Wochenende eine befreundete Ärztin zu Besuch kommt, die von schrecklichen Szenen auf der Intensivstation erzählt, kommt raus, dass Melanie ... also die Masken, das ist doch schädlich für Kinder ... und diese britische Studie, da sind schon zwei Kinder gestorben! Großer Eklat, die Freundin geht und Lars stellt fest, dass seine Frau mit ihm nur noch 500 000 Euro Haushypothek teilt, ansonsten aber kaum noch was. Lieber vergiftet sie jedenfalls allabendlich den Sohn, als ihn noch in die Schule zu lassen.

ZDF Neo hat eine kleine, schnelle Serie zum wohl "virulentesten" Thema unserer Tage gemacht. Schlafschafe erzählt vor dem Hintergrund der Pandemie in sechs Viertelstundenepisoden davon, wie Verschwörungsmythen funktionieren - und wie sie Familien zerstören. Melanie (Lisa Bitter) ist im Netz auf die Seite "Veritas" gestoßen, auf der ein alter Mann den großen Durchblick hat: das menschgemachte Virus, der Plan der weltweiten Bevölkerungsreduktion, gelenkte Mainstream-Medien, die uns "Schlafschafe" absichtlich im Dämmerzustand belassen, The Great Reset, durch den "die da oben" alles nach ihrem Willen neu starten. Über die Rauchmelder "lesen sie längst unseren Atem aus". Und, der Clou, geheime Aufnahmen des Black Rock Satellite, der, getarnt als Meteorit, uns alle aus dem All überwacht.

Lars, sympathisch quecksilbrig gespielt von Daniel Donskoy, versucht zunächst seiner Frau auseinanderzusetzen, was für einem Unsinn sie da auf den Leim geht. Als das nicht fruchtet, macht er sich auf die Suche nach den Hintermännern dieser Inszenierung.

Ein Kunststudent steckt hinter dem viralen Verschwörungsvideo

Vieles an dieser Serie ist stark, gerade weil es eher en passant inszeniert ist: Das Paar, das nicht offen miteinander reden kann. Das Kind, das zwischen die Fronten gerät und irgendwann halb genervt, halb flehentlich fragt: "Können du und Papa nicht dasselbe denken?" Am stärksten in aufklärerischer Hinsicht vielleicht der Kunststudent, der für seine Abschlussarbeit eine Verschwörungserzählung inszeniert, zusammengerührt aus den typischen Verschwörungs-Ingredienzen (die Weltenherrscherclique, die uns drankriegen will), einem Körnchen Wahrheit (die ja tatsächlich "von oben" befohlenen Rauchmelder) und einem eigenen erzählerischen Bauteil (der schwarze Satellit, der uns alle manipuliert). Wider Erwarten geht sein Video auf der Veritas-Seite viral. Sein hinterhergeschobenes Aufklärungsvideo will dann keiner sehen, es gibt längst eine Gemeinde, die an den Satelliten glaubt, selbst wenn dessen Erschaffer sagt, Moment, der ist aus Styropor.

Als Lars seiner Frau das Atelier dieses Studenten zeigt, ist sie überzeugt, dass ihr Mann das als Fake inszeniert hat. Dieser sprachlose Moment, in dem er merkt, dass sie das Offensichtliche nicht mehr sehen kann, weil sie in einem unsichtbaren Spiegellabyrinth gefangen ist... Und glücklicherweise löst sich das Ganze auch nicht am Ende in vorabendserieller Katharsis und Harmonie auf.

Aber liegt es an der Kürze, durch die die Macher (Regie und Buch: Matthias Thönnissen, Ko-Autorin: Zarah Schrade) gezwungen sind, immer schnell auf den Punkt zu kommen? Oder daran, dass das Öffentlich-Rechtliche in Querdenker-Zeiten Angst hat, eventuell nicht in jedem Satz eindeutig genug zu zeigen, wer hier die verrückte Krawallmutti ist und wer der Gute? Jedenfalls wirkt es an einigen Stellen einfach zu hastig oder grob gepinselt, und als sei da immer noch mal ein medienpädagogischer Angestellter mit Leuchtstift durchs Drehbuch, hier bitte direkte Publikumsansprache.

Also sagt Donskoy in die Kamera: "In ihrer Wahrnehmung hat meine Frau recht." Ja, Mann, aber das hätten wir auch so verstanden. Und es wäre wahrscheinlich noch eindringlicher geworden, wenn ihre Wahrnehmung nicht permanent und von vornherein als Falschnehmung gelabelt worden wäre.

Schlafschafe, in der ZDF-Mediathek.

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