Energiewende:Ebersberger Bürger stimmen für Windkraft im Wald

Ebersberger Forst - über den Wipfeln

Über den Wipfeln des Forstes könnten sich bald fünf Windräder drehen. Die Bürger des Landkreises Ebersberg haben dem Projekt nun grundsätzlich zugestimmt.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Das Votum fällt knapp aus: Die Befürworter haben gewonnen - sie halten den Bau von fünf Windrädern im Ebersberger Forst für nötig, um Atom- und Kohlestrom abzulösen.

Von Wieland Bögel, Ebersberg

Der Bau der seit mehr als einem Jahrzehnt geplanten fünf Windräder im Forst ist seit Sonntagabend ein Stück wahrscheinlicher geworden. In einem landkreisweiten Bürgerentscheid waren rund 110 000 Wahlberechtigte dazu aufgerufen, über die grundsätzliche Genehmigung der fünf Anlagen zu befinden. Die Mehrheit hat sich nun dafür ausgesprochen: Für ein Ja votierten 52,74 Prozent, mit Nein stimmten 47,26 Prozent. Die Beteiligung bei der als reine Briefwahl stattfindenden Abstimmung war sehr hoch gewesen. Bereits eine Woche vor Ende der Abgabefrist lag sie bei fast 50 Prozent. Insgesamt haben bis Sonntag um 18 Uhr 61,89 Prozent der Berechtigten abgestimmt.

Der Bürgerentscheid ist das nächste Kapitel einer Geschichte, die Anfang 2011 im Umweltausschuss des Ebersberger Kreistags begonnen hatte. Damals stellte die Münchner Firma Green City Energy ihre Pläne vor, im Westen des Ebersberger Forstes sechs Windräder zu errichten. Unvorstellbar heute, aber damals gab es im Landkreis Ebersberg fast schon so etwas wie eine Windkraft-Euphorie.

Der Landkreis und die Kommunen erarbeiteten einen interkommunalen Flächennutzungsplan, in dem - ähnlich wie beim Kiesabbau - Potenzialflächen für den Bau von Windrädern erstellt werden sollten. Das Projekt im Forst galt anfangs daher eher als eine Art Bonus zusätzlich zu den vielen anderen Windrädern, die noch entstehen sollten - das änderte sich aber 2014, als die CSU-Staatsregierung die 10 H-Regel beschloss.

Damit waren nahezu alle anderen Standorte eliminiert, doch auch das Projekt im Forst musste umgeplant werden. Um die neue Regelung einzuhalten, wonach Windräder mindestens das Zehnfache ihrer Höhe vom nächsten Wohnhaus entfernt sein müssen, verschob sich die Planung einen guten Kilometer weiter in den Forst. Außerdem reduzierte man die Zahl der Anlagen auf fünf. Damit erfüllte man zwar die Abstandsvorgaben, schuf aber andere Probleme. So war lange nicht klar, ob die Windräder die Radaranlage der Flugsicherung in Ottersberg bei Poing stören könnten. Erst 2016 gab es hier Entwarnung, als die Flugsicherung eine eine Modernisierung ihrer Station ankündigte, die dadurch weniger störanfällig und nicht mehr von Windrädern beeinflusst werde.

Eine andere Folge der geplanten Verlegung ließ sich allerdings nicht so leicht ausräumen - und sie war und ist eines der Hauptargumente der Gegner des Projektes: Die Sorge, die Anlagen stünden nun zu weit im Forst, so dass sie negative Auswirkungen auf die Ruhezonen des Wildes, auf das Mikroklima unter den Wipfeln sowie auf Fledermäuse und Vögel haben könnten.

Darüber, wie schlimm diese Auswirkungen tatsächlich sind - immerhin würden nur 0,02 Prozent der Fläche des Forstes für die Windräder benötigt, die zudem wieder aufgeforstet werden muss - gehen die Meinungen auseinander. Auch unter den Naturschutzverbänden, so empfahl der Landesbund für Vogelschutz ein Nein, der Bund Naturschutz ein Ja beim Entscheid. Letzterer verwies auf den positiven Effekt für den Klimaschutz, der schwerer wiege, als mögliche negative Folgen durch die Windräder, ersterer warnte vor ebendiesen Folgen.

Wohl auch dieses schwierig einzuschätzende Meinungsbild in der Öffentlichkeit führte zu dem bislang ersten Bürgerentscheid auf Kreisebene. Zwar hat der Kreistag selbst mehrmals seine Unterstützung für die Windräder im Forst kund getan - zu einem Beschluss, diese planungsrechtlich zu unterstützen, kam es bislang jedoch nicht.

Das Ergebnis

Verhältnis der Ja- und Nein-Stimmen, dahinter in Klammern die Wahlbeteiligung, alle Angaben in Prozent:

Anzing: 28,44 : 71,56 (69,20)

Aßling: 59,99 : 40,01 (63,24)

Baiern: 66,57 : 33,43 (60,23)

Bruck: 65,04 : 34,96 (67,28)

Ebersberg: 47,33 : 52,67 (69,27)

Egmating: 52,37 : 47,63 (63,32)

Emmering: 65,79 : 34,21 (57,73)

Forstinning: 34,93 : 65,07 (68,36)

Frauenneuharting: 59,85 : 40,15 (65,43)

Glonn: 69,32 : 30,68 (58,95)

Grafing: 57,96 : 42,04 (64,87)

Hohenlinden: 32,08 : 67.92 (63,66)

Kirchseeon: 50,76 : 49,24 (58,25)

Markt Schwaben: 48,42 : 51,58 (55,63)

Moosach: 58,09 : 41,91 (64,38)

Oberpframmern: 63,52 : 36,48 (62,23)

Pliening: 52.66 : 47.34 (60,87)

Poing: 52,82 : 47,18 (55,63)

Steinhöring: 52,97 : 47,03 (61,61)

Vaterstetten: 57,76 : 42,24 (59,95)

Zorneding: 51,84 : 48,16 (69,07)

Landkreis gesamt: 52,74 : 47,26 (61,89)

Hintergrund ist, dass Teile der CSU und der Freien Wähler gegen das Vorhaben sind. Bei den Christsozialen kommt noch hinzu, dass sie gewissermaßen Insubordination begingen, würden sie zu offensichtlich gegen die windkraftkritische Linie der Parteiführung handeln. Der nun abgehaltene Bürgerentscheid ist für die Konservativen der elegante Ausweg aus der Zwickmühle, schließlich können sie sich nun auf ein repräsentatives Votum der Einwohnerschaft stützen.

Diese haben im Übrigen zwar mehrheitlich dafür abgestimmt, interessant ist aber, dass das Ergebnis von Kommune zu Kommune teilweise sehr stark variiert. Grob zusammengefasst kann man feststellen, dass, je weiter der eigene Ort von den geplanten Windrädern entfernt gewesen wäre, die Zustimmung steigt - und umgekehrt.

So gibt es im Süden des Landkreises die höchsten Zustimmungswerte, in Baiern ist sogar eine Zweidrittelmehrheit dafür, aber auch in den Nachbargemeinden und in Grafing ist das Ergebnis ein sehr deutliches Ja. Umgekehrt stellte sich die Stimmung in den Orten in Forstnähe dar. In der Kreisstadt lagen die Gegner immerhin nur 5,34, in Markt Schwaben sogar nur 3,16 Prozentpunkte vorne. In Forstinning, Hohenlinden und Anzing war das Ergebnis am schlechtesten. Besonders dort sind die Vorbehalte wohl sehr groß, nahezu eine Drei-Viertel-Mehrheit sprach sich gegen den Bau der Windräder aus.

Den Ausschlag gegeben haben dürften die Gemeinden Vaterstetten und Poing sowie die Stadt Grafing: In den drei einwohnerstärksten Kommunen des Landkreises gab mehr Ja- als Nein-Stimmen - teilweise deutlich. Knapp positiv ging die Wahl in Kirchseeon und Zorneding aus. Insgesamt fiel der Bürgerentscheid somit nur in zwei der sieben S-Bahn-Gemeinden durch, und das auch nur knapp.

Ebenfalls bemerkenswert ist die Wahlbeteiligung: Im Durchschnitt haben 61,89 Prozent der Berechtigten ihre Stimme abgegeben, was für einen Bürgerentscheid ein durchaus guter Wert ist und nur knapp unter der Beteiligung zur Kreistagswahl im vergangenen Jahr liegt. Dies legt nahe, dass das Thema auf ein gewisses Interesse gestoßen ist, vermutlich hat auch die reine Briefwahl manche noch zur Stimmabgabe bewogen. Eine weitere Besonderheit ist, dass dadurch nicht nur an einem Sonntagnachmittag, sondern quasi einen ganzen Monat lang abgestimmt wurde. So hatten eine Woche vor Ende der Abgabefrist bereits fast die Hälfte der Berechtigten ihre Wahlunterlagen an die Rathäuser zurückgeschickt.

Einen Automatismus für den Bau der Anlagen stellt der Bürgerentscheid im Übrigen nicht dar. Dies entscheidet sich wohl erst in einigen Jahren, wenn sämtliche Gutachten vorliegen, etwa zum Artenschutz. Mit dem Bürgerentscheid ist aber nun die Unterstützung des Kreistages für das Projekt sichergestellt.

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