China:Deutsche Firmen müssen womöglich aus Uiguren-Provinz abziehen

China: Ein Hochsicherheitstrakt in China. Die Regierung bestreitet die Existenz von Zwangsarbeit in Xinjiang und spricht von Ausbildungs- und Arbeitsprogrammen.

Ein Hochsicherheitstrakt in China. Die Regierung bestreitet die Existenz von Zwangsarbeit in Xinjiang und spricht von Ausbildungs- und Arbeitsprogrammen.

(Foto: GREG BAKER/AFP)

Folgen des neuen Lieferkettengesetzes: Wegen der schweren Menschenrechtsverletzungen an den Uiguren könnten deutsche Firmen bald gezwungen sein, ihre Aktivitäten in der Region Xinjiang im Nordwesten Chinas einzustellen.

Von Daniel Brössler, Berlin

Wegen der schweren Menschenrechtsverletzungen an den Uiguren könnten deutsche Unternehmen bald gezwungen sein, ihre Aktivitäten in der Region Xinjiang im Nordwesten Chinas einzuschränken oder sich ganz von dort zurückzuziehen. Das ergibt sich aus einem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Mit Inkrafttreten des Lieferkettengesetzes erscheine "eine Pflicht deutscher Unternehmen zum Abbruch der Geschäftsbeziehungen zu ihren chinesischen Zulieferern fast unausweichlich", wenn diese Zwangsarbeiter einsetzten, heißt es in der von den Grünen in Auftrag gegebenen Ausarbeitung. Andernfalls drohten den deutschen Unternehmen Bußgelder. In Einzelfällen könne sich auch eine "individuelle strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmensmitarbeitern" ergeben.

Die Grünen forderten die deutschen Unternehmen auf, Konsequenzen zu ziehen. Die Verantwortung der in Xinjiang tätigen deutschen Firmen werde mit diesem Gutachten "klarer denn je", sagte die menschenrechtspolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Margarete Bause. "Jedes deutsche Unternehmen muss sich jetzt ernsthaft die Frage stellen, ob es Geschäftsbeziehungen nach Xinjiang unter diesen Bedingungen weiter aufrechterhalten will", sagte sie. Das Gutachten sende eine klare Botschaft: "Wegschauen ist keine Option."

Das Gesetz schafft laut Experten eine neue Rechtslage

In dem Gutachten wird darauf verwiesen, dass durch das vom Kabinett im März auf den Weg gebrachte Lieferkettengesetz eine neue Rechtslage entstehe. Zwar seien durch die Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte Unternehmen verpflichtet, Menschenrechte zu achten, wo immer sie ihre Geschäftstätigkeit ausüben. Die Umsetzung sei jedoch rechtlich nicht einklagbar. Das ändere sich in Deutschland, sobald das Lieferkettengesetz in Kraft trete. Der Gesetzentwurf sieht für große Unternehmen Bußgelder von bis zu zwei Prozent des jährlichen Umsatzes für große Unternehmen vor, wenn sie nicht gegen Menschenrechtsverletzungen und Umweltverstöße bei ihren weltweiten Zulieferern vorgehen.

Aus Sicht der Bundestagsgutachter ist es offenkundig, dass dies im Fall von Xinjiang zu Konsequenzen führen muss. Sie verweisen auf Medienberichte, wonach zahlreiche ausländische, auch deutsche, Wirtschaftsunternehmen von der Ausbeutung der Uiguren in Xinjiang profitieren und zum Teil direkt Produkte aus Fabriken erhalten oder mit Zulieferern kooperiert haben, die Zwangsarbeiter einsetzen. Fabrikgebäude, die von deutschen Wirtschaftsunternehmen genutzt werden, befänden sich demnach in der unmittelbaren räumlichen Nähe der chinesischen Internierungs- und Umerziehungslager. Erwähnt werden in dem Gutachten die Konzerne Adidas, Puma, BMW, Bosch, Siemens, Volkswagen und BASF. Die beschuldigten Unternehmen hätten auf solche Vorwürfe mit "diversen Stellungnahmen, Dementi oder Zugeständnissen reagiert".

Die Gutachter sprechen von Völkermord in Xinjiang

Nach Einschätzung der Gutachter begeht der chinesische Staat in Xinjiang Völkermord. "Von den öffentlich zugänglichen Quellen und Berichten über die Behandlung der Uiguren in Xinjiang lässt sich konstatieren, dass in objektiver Hinsicht alle fünf Tatbegehungsvarianten des Artikels 2 der Völkermordkonvention erfüllt sind", heißt es in dem Gutachten.

Anders als der Bundestag haben die Parlamente Kanadas, der Niederlande und Großbritanniens das chinesische Vorgehen in Xinjiang bereits als Völkermord gebrandmarkt. Auch der Bundestag stehe "in der Verantwortung, alle Handlungsmöglichkeiten zu prüfen, die geeignet sind, die massiven und systematischen Menschenrechtsverbrechen in Xinjiang zu beenden", betonte Bause. An diesem Montag ist die Lage in Xinjiang Thema einer Anhörung im Menschenrechtsausschuss des Bundestags.

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