Livestream aus Glonn:Schneewittchen meets Armstrong

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Geballte Professionalität, "swinging Entertainment" und jede Menge Disney-Songs bietet die "Hot Stuff Jazzband" nun in der Schrottgalerie. (Foto: Veranstalter)

Dank ihres Hoftrompeters Heinz Dauhrer sendet die Schrottgalerie kleine Lebenszeichen mit großen Musikern: "Hot Stuff" feiert die Premiere eines Disney-Programms, einen Abend später folgt "The Veterinary Street Jazz Band".

Von Anja Blum

Spätestens, als die ganze Familie pfeifend durchs Haus läuft, weiß Heinz Dauhrer: "Wir sind auf dem richtigen Weg!" Da ist der Trompeter aus Berganger gerade dabei, in seinem Home-Studio Aufnahmen von Proben abzumischen, und die Melodien erweisen sich als derart Gute-Laune-tauglich, dass sich ihnen offenbar niemand im Haus entziehen kann. Kein Wunder, denn das neue Programm der Hot Stuff Jazzband ziert ein höchst erfolgversprechendes Label: "goes Disney". Da denkt man doch sofort an Filme, die kleine wie größere Herzen höher schlagen lassen, an absolute Klassiker des Zeichentricks und, natürlich, an oscarreife Songs.

Die Jazzer von Hot Stuff aber spielen diese indes nicht als Original-Versionen, sondern haben die Stücke laut Dauhrer "hin und her gedreht, bis es passt". Da ein anderer Groove, dort eine andere Klangfarbe - "wir wollen uns selbst darin wiederfinden". Schon lange habe die Band das Disney-Projekt im Sinn gehabt, als ein besonders griffiges, aber musikalisch sehr freies Label: "Da gibt es berühmte Klassiker genauso wie ziemlich aktuelle Songs, und die Bandbreite reicht von Swing über Soul bis Funk", erklärt der Trompeter, der, wie seine Kollegen, auch singt. Das populäre "Some Day My Prince Will Come" aus "Schneewittchen" etwa ist datiert auf 1937, die erste Jazz-Instrumental-Version dürfe von den Ghetto Swingers aus dem KZ Theresienstadt stammen, spätere Versionen gibt es von Dave Brubeck, Bill Evans, Miles Davis, Oscar Peterson, Herbie Hancock oder Barbra Streisand. Besonders heraus ragt die Aufnahme von 1961 auf dem gleichnamigen Miles-Davis-Album mit John Coltrane. Vielleicht noch berühmter: "The Bare Necessities" ("Probier's mal mit Gemütlichkeit) aus dem "Dschungelbuch", auch dieser Song wurde von vielen gecovert, darunter kein Geringerer als Louis Armstrong. Zu den neueren Titeln wiederum gehört "You've Got a Friend in Me" von Randy Newman, Titelsong der "Toy Story".

Hot Stuff, das sind fünf Profis mit insgesamt etwa 200 Jahren Bühnenerfahrung mit Größen wie Hugo Strasser, Ambros Seelos, Max Greger, Udo Lindenberg oder Nathalie Cole - die Liste wäre schier endlos. Doch Corona verdammt auch den Bassisten Eric Stevens, Drummer Hermann Roth, Gitarrist John Brunton, Posaunist Butch Kellem und eben Trompeter Heinz Dauhrer zunächst zur Stille. Bis das Quintett beschließt, sich nun endlich der Disney-Idee zu widmen und einen strengen Probenplan auflegt. "Seit November haben wir jeden Samstag miteinander gespielt, mit Abstand und allen anderen Vorsichtsmaßnahmen", erzählt Dauhrer. "Nur weil wir Profis sind, war das erlaubt." Von 30 Titeln hatte Bassist Stevens Arrangements vorbereitet, gemeinsam wurde daran gefeilt, immer und immer wieder. "Endlich mal die Zeit zu haben, so minutiös an Songs und am Zusammenspiel arbeiten zu können, das war eine ganz tolle Erfahrung. Das hat uns wirklich total Spaß gemacht", schwärmt Dauhrer. Und weil er "Hoftrompeter" der Schrottgalerie ist, feiert das neue Disney-Programm nun in Glonn Premiere: Am Sonntag, 23. Mai, kann man es per Livestream in bester Qualität erleben (Stefan Gienger von den Mastermix-Studios zeichnet für die Technik verantwortlich), und zwar in Wohnzimmern auf der ganzen Welt. Was in diesem Fall gar nicht so unwahrscheinlich sein dürfte, denn die international besetzte Band hat Verwandtschaft und Freunde bis in England und den USA.

Für Dauhrer und seine Kollegen sind Livestreams zwar eine "absolute Kompromisslösung - schließlich fehlt da die Resonanz, von der wir leben" - und doch halten er und seine Mitgaleristen aus Glonn es für enorm wichtig, "kleine hoffnungsvolle Lebenszeichen mit großen Musikern" hinaus in die Welt zu senden. Deswegen gibt es am Pfingstwochenende gleich noch ein zweites Konzert mit einer fantastischen Formation, ebenfalls mit Dauhrer an der Trompete: Am Montag, 24. Mai, spielt The Veterinary Street Jazz Band in der Schrottgalerie.

Ihre Wiege steht in München: 1978 formierte sich in Schwabing eine nur scheinbar harmlose Studentenband. Seinen Namen leiht sich das achtköpfige Orchester in klassischer New-Orleans-Manier vom Gründungsort: der Veterinärstraße. Tierarzt ist jedoch keiner der Musiker. Innerhalb nur eines Jahrzehnts erweckt die Band wunderbare Stücke aus dem Archivschlaf und erspielt sich europaweite Anerkennung. Markenzeichen: authentischer Jazz im Stile eines Louis Armstrong, Joseph "King" Oliver, Clarence Williams und Fletcher Henderson. 1986 holt der ZDF-Wissenschaftsredakteur und Jazzfan Joachim Bublath die Band ins Fernsehstudio: "Ain't She Sweet", gespielt von der Veterinary Street Jazz Band, wird Titelmelodie der "Knoff-Hoff-Show" und verhilft der Band zu Kult-Status. Ein weiterer Höhepunkt ist 1991 zu verzeichnen, als die VSJB ihr erstes Konzert in der Philharmonie am Gasteig gibt - vor ausverkauftem Haus.

In ihrem eigenen Club, dem Wirtshaus zum Isartal, spielt die VSJB seit mehr als 30 Jahren jeden (!) Donnerstagabend - es sei denn, es ist gerade Corona. "Da ist also echt was weggebrochen", sagt Dauhrer. "Umso wichtiger, dass wir jetzt endlich mal wieder auftreten dürfen. Wir freuen uns alle sehr!"

Schrottgalerie Glonn: Sonntag, 23. Mai, Premiere von "Hot Stuff Goes Disney"; und am Montag, 24. Mai, "The Veterinary Street Jazz Band". Beginn jeweils um 19.30 Uhr. Die Links zu den beiden Youtube-Streams gibt es auf der neuen Internetseite https://schrottgalerie.de/

© SZ vom 20.05.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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