Vorwürfe gegen die BBC:"Unglaublich traurig"

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Nachdem ein Untersuchungsbericht zweifelhafte Vorgänge rund um das berühmte BBC-Interview mit Diana vor 26 Jahren offenlegt, äußert sich ihr Sohn William in seltener Deutlichkeit - und der Kulturminister kündigt Konsequenzen an.

Von Michael Neudecker

Weit mehr als 20 Millionen Menschen sollen am 5. November 1995 im Vereinigten Königreich vor dem Fernseher gesessen haben, als Diana, Princess of Wales, über ihre Ehe zu Prinz Charles sprach. Die Angaben schwanken zwischen 23 und 26 Millionen Zuschauern, jedenfalls entsprach das damals annähernd der Hälfte der britischen Bevölkerung, und natürlich lief das Interview auch auf den Fernsehern in Eton, jenem College für die Upper Class, das Dianas und Charles' Sohn William besuchte. Man braucht die Spekulationen der britischen Medien gar nicht, um sich vorzustellen, wie das für den Dreizehnjährigen gewesen sein muss, zusammen mit dem halben Land zuzuschauen, wie seine Mutter über ihre Affären spricht, über die Geliebte seines Vaters. Das Interview wurde im Wohnzimmer im Kensington Palast aufgenommen.

"Dieses Interview", sagte William nun, "hat stark dazu beigetragen, die Beziehung meiner Eltern zu verschlechtern", außerdem habe es "zahllose andere" Menschen verletzt. Der Duke of Cambridge, inzwischen 38 Jahre alt, spricht selten öffentlich über Persönliches, umso bemerkenswerter war sein etwas mehr als zwei Minuten langer Auftritt, in dem er ein vorbereitetes Statement verlas. Aus seiner Sicht hätten die "betrügerischen Umstände", unter denen das Interview zustande kam, stark beeinflusst, was seine Mutter vor der Kamera sagte. Es mache ihn "unglaublich traurig", zu wissen, "dass das Versagen der BBC entscheidend zu ihren Ängsten, ihrer Paranoia und ihrer Abschottung beigetragen hat, an die ich mich während der letzten Jahre mit ihr erinnere".

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Sein Bruder, Prinz Harry, ging noch weiter: Die Auswirkungen dieser "Kultur des Ausnützens" hätten Diana "letztendlich das Leben genommen". Unsere Mutter, sagte Harry, "ist wegen all dem gestorben, und nichts hat sich geändert".

Gefälschte Bankauszüge sollen Diana zum Reden gebracht haben

Am Donnerstag war das Ergebnis einer Untersuchungskommission bekannt geworden, die die zweifelhaften Umstände rund um das berühmte Interview geprüft hatte. Geleitet wurde die Untersuchung von Lord John Dyson, einst der erste Richter am Obersten Gerichtshof des Vereinigten Königreichs, der kein Mitglied des Hochadels war.

Er danke Lord Dyson, sagte William, dass er und sein Team herausgefunden hätten, dass Mitarbeiter der BBC "gelogen und Dokumente gefälscht haben, reißerische und falsche Behauptungen über die Royal Family aufgestellt, erschreckende Inkompetenz bei der Untersuchung von Beschwerden und Bedenken rund um die Ausstrahlung gezeigt haben", und dann auch noch die Ergebnisse der internen Untersuchung, sinngemäß übersetzt, unter den Teppich gekehrt hätten. Tatsächlich fasst das das Ergebnis der Kommission ganz gut zusammen.

Ein Interview, das in die Geschichte einging: Prinzessin Diana im Gespräch mit BBC-Reporter Martin Bashir. (Foto: BBC/dpa)

Martin Bashir, damals noch ein relativ junger und unbekannter BBC-Reporter, soll demnach Bankauszüge fälschen haben lassen, um zu zeigen, dass Menschen aus Dianas Umfeld gegen Bezahlung private Informationen an die Boulevardpresse weitergegeben hätten; mit diesen vermeintlichen Beweisen soll Bashir Dianas Bruder überzeugt haben, dass es an der Zeit für sie wäre, sich öffentlich zu wehren. Der Grafiker, der die Auszüge gefälscht haben soll, habe sich bald nach Ausstrahlung bei der BBC gemeldet, offenbar weil er Bedenken hatte, heißt es im Bericht. Es folgte eine interne Untersuchung, in der Bashir den Vorgang abstritt.

Wussten die BBC-Manager vom kriminellem Vorgehen des Reporters - und ignorierten es?

Überzeugt hat die BBC-Manager letztlich eine 38 Wörter lange, handgeschriebene Notiz Dianas, datiert auf den 22. Dezember 1995, auf Briefpapier des Kensington Palace, unterschrieben von Diana selbst: Sie versichere, Bashir habe ihr keinerlei falschen Dokumente überreicht und auch keinerlei Druck ausgeübt, und sie bereue nicht, das Interview gegeben zu haben. Dyson ließ den Brief untersuchen, er gab ihn auch Dianas Söhnen William und Harry, um sicherzugehen, dass er keine Fälschung war. Was wohl nicht mehr aufzuklären ist: wie genau das Schreiben zustande kam. Und was Diana damals von den sogenannten Umständen wusste, um die es nun geht.

Laut Dysons Bericht soll Bashir im Verlauf der internen Untersuchung womöglich doch die Sache mit den gefälschten Bankauszügen zugegeben haben, was die Angelegenheit noch delikater machen würde. Denn das hieße, die BBC-Manager hätten von Bashirs kriminellem Vorgehen gewusst - und es ignoriert. Dass sie Dianas Bruder, Earl Spencer, gar nicht erst befragten, kommt noch erschwerend hinzu.

Martin Bashir ist inzwischen 58 Jahre alt, er hat bei US-Sendern und der BBC selbst eine mehr als ordentliche Karriere hinter sich. Im vergangenen Jahr berichtete die BBC von einer Corona-Erkrankung Bashirs. Vor wenigen Tagen ist er wegen anhaltender gesundheitlicher Probleme zurückgetreten. Die BBC entschuldigte sich in einem Brief an die Queen, Prinz Charles sowie William und Harry, auch die Auszeichnungen für das Interview will der Sender zurückgeben.

Der Schaden, den Bashir vor 26 Jahren angerichtet hat, dürfte sie damit aber kaum mindern lassen. Noch am späten Donnerstagabend kündigte Kulturminister Oliver Dowden an, die Notwendigkeit umfassender Umstrukturierungen des öffentlich-rechtlichen Senders zu prüfen.

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