SZ-Pflegekolumne: Auf Station, Folge 3:"Burschi, jetzt pass mal auf!"

Barserie, neuer Cordclub namens CO2 in der Sonnenstraße 18

Symbolfoto aus einem Club in der Münchner Sonnenstraße.

(Foto: Florian Peljak)

Intensivpflegerin Julia Rettenberger berichtet von blöden Sprüchen über ihren Beruf - und wie sie dann reagiert.

Protokoll: Johanna Feckl

"Ach, ihr wischt doch eh nur Scheiße weg!" Als ich vor gut drei Jahren einem Typen auf einer Party meinen Beruf nannte und er mir daraufhin diesen Spruch um die Ohren haute, wäre ich am liebsten ausgeflippt. Aber das bringt ja niemandem etwas. Also schnaufte ich durch und erwiderte: "He, Burschi, jetzt pass mal auf!" Ich fragte ihn, wie er überhaupt zu dieser Behauptung komme. Außer ein "was man halt so hört" kam da nichts.

Es war nicht das erste Mal, dass mir jemand so etwas sagte. Und wahrscheinlich auch nicht das letzte Mal. Ich bin sicher, dass auch jeder meiner Kolleginnen und Kollegen mindestens eine Geschichte dazu erzählen könnte. Meistens kommt so etwas von Leuten, die weder einen Bezug zu mir als Menschen haben noch zur Pflege an sich. Es sind also solche, die noch nie von uns Pflegekräften im Krankenhaus versorgt werden mussten oder einen Verwandten oder Freund haben, bei dem das der Fall war. Und sie kennen auch niemanden, der unseren Beruf ausübt. Trotzdem trifft es mich, wenn mir jemand so einen Spruch an den Kopf knallt.

Klar gibt es auch die anderen. Die, die sagen: "Das, was ihr tut, das könnte ich nicht!" Und sie sagen das nicht, weil sie keine Lust haben, die Notdurft anderer zu beseitigen, sondern weil sie unsere Arbeit respektieren oder sogar bewundern. Häufig sind es ehemalige Patienten, die so etwas sagen. Wenn es ihnen wieder besser geht und sie auf die Normalstation verlegt werden konnten, dann kommt es vor, dass der eine oder die andere bei uns vorbeischaut, um sich noch einmal zu bedanken.

Intensivpflege Fachkraft Kreisklinik Ebersberg

Die Pflege-Kolumne mit Julia Rettenberger.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Dem Typen von der Party habe ich jedenfalls erklärt: Ja, ich wische Scheiße weg. Ich tue das, weil es Menschen gibt, die sich in diesen Momenten nicht selbst helfen können. Also übernehme ich es. Das ist aber längst nicht alles: Ich verabreiche zum Beispiel Medikamente und kontrolliere, ob sie anschlagen, ich führe Therapien durch oder überwache lebensnotwendige Geräte wie eine Beatmungsmaschine. Hinzu kommt, dass ich eine soziale Nähe zu den Patienten aufbaue, denn auch das ist wichtig für eine Genesung.

Es geht darum, den Menschen mit all seinen Aspekten zu erfassen - mein Handeln ist genauso vielfältig wie der Mensch. Das gilt übrigens für alle Pflegekräfte. Wenn du sehen würdest, was ich jeden Tag auf der Intensivstation zu Gesicht bekomme, da würdest du mit den Ohren schlackern und garantiert nichts mehr von "Scheiße-Wegwischen" schwadronieren. Und glaube mir: Landest du mal schwer krank in der Klinik, dann wirst du froh sein, dass ich dich von deiner Notdurft befreie.

Seit Corona ist mir ein solcher Spruch nicht mehr zu Ohren gekommen - wenn die Pandemie etwas Gutes hat, dann könnte das etwas sein. Aber verankert ist es in einigen Köpfen gewiss immer noch.

Julia Rettenberger ist Intensivfachpflegerin. In dieser Kolumne erzählt die 27-Jährige jede Woche von ihrer Arbeit an der Ebersberger Kreisklinik.

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