Basketball:Entzaubert

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Matchwinner zum 2:0: D.J. Seeley traf aus allen Lagen und erzielte 33 Punkte. Auch bei der Niederlage, hier gegen Crailsheims Elias Lasisi (li.), zählte er zu den besseren Münchnern. (Foto: Michael Memmler /Eibner/imago)

Der pomadig agierende Favorit FC Bayern kassiert gegen die Merlins Crailsheim eine verdiente Niederlage. Der bayerische Konkurrent aus Bamberg bleibt nach einer enormen Leistungssteigerung im Playoff-Rennen gegen Ludwigsburg.

Von Ralf Tögel, München

Um den Gefühlsstatus von Andrea Trinchieri nach einem Basketballspiel seiner Mannschaft zu dechiffrieren, bedarf es keiner tiefenpsychologischen Ausbildung. Es genügt ein Blick. Und im Falle eines Sieges etwas Zeit, dann gibt der Trainer gerne ausführlich Auskunft. Bei einer Niederlage braucht man nicht einmal das. Am Sonntagabend zum Beispiel wartete der Trainer der Bayern-Basketballer nicht einmal das Ende der Frage ab, ehe er ein vernichtendes Fazit über die Leistung seiner Spieler ins Mikrofon von Magentasport bellte: "Wir haben das Spiel in den ersten fünf Minuten verloren. Unser Spiel war schlampig, wir waren nicht bereit, haben nicht gekämpft." Vor allem die Defense, eigentlich der Münchner Trumpf, habe nicht stattgefunden. Was Trinchieri nicht sagen musste: Er war stinksauer.

Es wirkt, als nehmen die Münchner den Gegner lange nicht ernst genug. Und dann ist es zu spät

Wegen dieser Fehlleistung im Hohenlohekreis müssen die Basketballer des FC Bayern im Bundesliga-Viertelfinale nun nachsitzen, die Crailsheim Merlins haben durch einen verdienten und souveränen 96:82-Sieg in der Best-of-five-Serie auf 1:2 verkürzt und können an diesem Dienstagabend (20.30 Uhr) sogar ausgleichen. Was angesichts der Leistung der Münchner nicht undenkbar erscheint, schon der 83:79-Heimsieg zum 2:0 war reichlich wackelig geraten. In jener Partie hatte aber D. J. Seeley einen Glanztag erwischt, traf aus allen Lagen und sammelte 33 Punkte. Was offenbar eine trügerische Sicherheit gab, jedenfalls entzauberten die Merlins den Favoriten schon im ersten Viertel. Allen voran Spielmacher Trae Bell-Haynes, der vor Spielbeginn die Auszeichnung zum besten Offensivspieler der Liga überreicht bekam und 34 Punkte erzielte. Ihm sprang Elias Lasisi (20 Punkte) zur Seite, die Bayern bekamen dieses Duo nie in den Griff.

Natürlich fehlte in Nick Weiler-Babb genau jener Abwehrspezialist, der Akteure wie Bell-Haynes zu bremsen weiß. Auch Nihad Djedovc ist dazu in der Lage, doch der Kapitän, der nach 105 Tagen Verletzungspause erste Einsatzminuten bekam, ist von dieser Form weit entfernt. Und natürlich fiel es ins Gewicht, dass in Vladimir Lucic, der im zweiten Spiel umgeknickt war und vorsichtshalber geschont wurde, genau der Spieler fehlte, der in solchen Momenten dazwischen haut. All dies taugt aber nicht als Entschuldigung für eine derart pomadige Leistung - vor allem in der Defensive. Es wirkte fast, als nähme der Favorit die kleinen Crailsheimer lange nicht ernst genug, Bell-Haynes und Lasisi durften oft unbehelligt agieren. Immer wenn die Bayern, bei denen Wade Baldwin (22), Paul Zipser (16), Seeley (15) und Jalen Reynolds (10) zweistellig punkteten, die Abwehrbemühungen intensivierten und den Gastgeber in Bedrängnis brachten, machten sie den Vorteil mit leichten Fehlern und schlechten Würfen zunichte. Mit dieser Einstellung ist dem hart kämpfenden und talentierten Gegner, der nach Ansicht von Trainer Tuomas Iisalo die beste Saisonleistung zeigte, nicht beizukommen. Was es schleunigst zu ändern gilt, wie Trinchieri giftig anmerkte: "Wir werden im vierten Spiel sehen, ob meine Spieler Stolz besitzen."

Bamberg lässt Ludwigsburg beim Kantersieg wie eine Schülermannschaft aussehen

Beim bayerischen Konkurrenten Brose Bamberg hingegen war die Einstellung vorbildlich. Das Team von Trainer Johan Roijakkers verhinderte mit einer Topleistung das vorzeitige Playoff-Aus, düpierte den Favoriten aus Ludwigsburg mit einem 96:60-Heimsieg und schaffte den 1:2-Anschluss. Die Oberfranken ließen den Vorrunden-Ersten phasenweise wie eine Schülermannschaft aussehen, was nicht nur daran lag, dass Riesen-Trainer John Patrick angesichts der klaren Unterlegenheit seinen Nachwuchskräften viel Einsatzzeit gab und unter anderen seine Söhne Jacob, 17, und Johannes, 19, lange auf dem Parkett beließ. Roijakkers, in dessen Team Chase Fieler, Michele Vitali und Christian Sengfelder (alle 14) am häufigsten punkteten, nahm den Triumph nüchtern zur Kenntnis: "Wir haben unsere Dreier getroffen, das hat uns Selbstvertrauen gegeben." Das Ergebnis sei "total unwichtig", jetzt gelte es, das nächste Spiel zu gewinnen. Das haben Bamberg mit München gemeinsam.

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