Freisinger Forschungsteam:Survivaltraining für Bachforellen

Fischer lernen ihr Handwerk in Starnberg

Die Aufzucht und das Training der Bachforellen findet in Starnberg statt. Im Landkreis Freising wird zu viel geangelt.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

In einem Projekt der Landesanstalt für Landwirtschaft sollen ausgewilderte Fische lernen, sich in natürlichen Gewässern zurechtzufinden. Das Trainingslager liegt bei Starnberg, weil im Landkreis Freising zu viel geangelt wird.

Von Johanna Pichler, Freising

Fische, die mit einem Rucksack auf den Flossen in die Schule schwimmen. Szenen wie diese kennt man höchstens aus dem Film "Findet Nemo". Eine Art Schule oder besser gesagt, ein Trainingslager gibt es nun wirklich, und zwar für Bachforellen. Die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) in Freising geht der Frage auf den Grund, ob mehr gezüchtete Bachforellen in natürlichen Gewässern überleben, wenn sie vorher darauf trainiert wurden.

Schon seit Jahren sind die Fischbestände in Bayern niedrig und vor allem Bachforellen sind besonders betroffen. "Der Druck auf die Fischbestände ist heutzutage sehr hoch, das hat vielerlei Gründe", sagt Gregor Schmidt, Fischereiwissenschaftler bei der LfL. "Umweltverbände setzen bereits Zuchtfische aus, aber viele verschwinden wieder", erklärt er weiter. Viele der eingesetzten Fische würden den Wechsel nicht lange genug überleben, um sich vermehren zu können. Doch warum dürfen ausgerechnet Bachforellen am Trainingslager teilnehmen? "Klar haben wir auch Regenbogenforellen oder den Bachsaibling in unseren Gewässern, doch das sind keine ursprünglich heimischen Fischarten", erklärt Schmidt. Die Bachforelle dagegen sei eine heimische Fischart und müsse deshalb besonders geschützt werden.

Schmidt ist Teil des Forschungsteams, welches praxisnahe Lösungsansätze zu finden versucht. Einer davon ist es, die Fische quasi in die Schule zu schicken. Was dort in den Unterrichtsstunden zwischen den Pausen passiert? Eine Art Survivaltraining, in dem Bachforellen wichtige Verhaltensmuster erlernen, die sie in der freien Natur brauchen, um zu überleben. "Fischen kann man super etwas beibringen", sagt der Fischereiwissenschaftler. "In den Vierziger- und Fünfzigerjahren hat man das noch Dressur genannt. Jetzt ist es eben eine Art Training oder Konditionierung. Bei Fischen funktioniert das sehr gut, denn die können sich viel merken", fügt er hinzu.

Die Aufzucht der Bachforellen findet in Starnberg am Institut für Fischerei statt. Dort gibt es Teiche, in denen die Fische über einen Zeitraum von ein paar Wochen trainiert werden. Ein Tag im Trainingslager läuft so ab: Die Fische werden in vier Gruppen aufgeteilt. Drei davon werden in unterschiedlichen Dichten in Kunststoffbecken aufgezogen, die vierte Gruppe in einem Naturteich. Im Anschluss misst das vierköpfige Forschungsteam den Einfluss der Aufzuchtbedingungen auf Kondition, Gesundheit, Schwimmverhalten und Reaktionszeit bei Störungen. Die Hälfte der Forellen wird ohne weitere Trainingseinheiten in die Natur entlassen. Der andere Teil wird in einem Naturteich auf die Lebensbedingungen in natürlichen Gewässern vorbereitet. "Die Fische werden dort nicht mehr auf den Menschen geprägt und dementsprechend weniger mit einem Mischfuttermittel gefüttert", sagt Gregor Schmidt. "Im Training bekommen die Forellen nicht mehr nur unsere kommerzielle Diät. Sie sollen andere Nahrung kennenlernen, wie zum Beispiel Anflugnahrung oder Mückenlarven, eben alles, was natürlicherweise vorkommt", erklärt der Fischereiwissenschaftler weiter. Im Naturteich werden den Fischen Unterstände zur Verfügung gestellt, damit sie lernen können, bei drohender Gefahr sichere Rückzugsorte aufzusuchen. Dazu wird mit einer Art Vogelattrappe in Form eines Schattens trainiert. Die Bachforellen sollen dabei lernen, diesen als potenzielle Gefahr wahrzunehmen.

Damit am Ende Ergebnisse des Trainings sichtbar werden, bekommen alle Fische eine Markierung, bevor sie ins natürliche Gewässer gehen. So lässt sich erkennen, welcher Fisch trainiert und welcher untrainiert war. "Es ist ein bisschen schwierig, weil Fische auch immer mal wieder verschwinden. Unsere Hoffnung ist, dass die trainierten Fische, die wir in unseren Becken aufgezogen haben, genauso gut in der freien Natur klarkommen wie Fische, die unter fast natürlichen Bedingungen aufgewachsen sind", erklärt Schmidt. Das Training solle so praxisnah wie möglich ablaufen, um später auch von anderen Teichwirten durchgeführt werden zu können.

Für die Durchführung der Forschungsarbeit werden möglichst viele unterschiedliche Gewässer genutzt, nicht nur in Oberbayern, sondern etwa auch in Schwaben. Laut Schmidt eignen sich Freisings Gewässer nicht für die Untersuchung. "Die Gewässer in Freising liegen in einem Ballungszentrum. Sie unterliegen einem starken Angeldruck und sind für uns daher eher ungeeignet", schildert Schmidt. Gewässer, welche nicht oder nur wenig befischt werden und so beschaffen sind, dass die Fische schwierig abwandern können, eignen sich besonders gut für das Projekt. Auch der Transport der Fische von Starnberg nach Freising wäre aufwendig, denn die Fahrt könne schon mal ein bis drei Stunden dauern. Transportiert werden die Forellen in einem großen Fischfaß auf einem Anhänger oder Pick-up. Je nach Fischart passen in solch einen Behälter bis zu 200 Kilogramm Fische, die während der Fahrt mit Sauerstoff versorgt werden.

Offizielle Erfolge wurden bisher noch keine verzeichnet, denn das Forschungsteam wartet noch auf die Genehmigung, die Fische markieren und aussetzen zu dürfen. Fleißig in die Schule gehen die Bachforellen aber bereits.

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