Leichtathletik:Es hakt noch beim finalen Tusch

German Athletics Championships

Deutsche Meisterin, aber noch weit von ihrer Bestleistung entfernt: Malaika Mihambo.

(Foto: Annegret Hilse/Reuters)

Weitsprung-Weltmeisterin Malaika Mihambo bleibt trotz des verhaltenen Saisonstarts zuversichtlich, dass sie bis zu Olympia noch den richtigen Rhythmus in ihrem Anlauf findet. Doch sie merkt auch: 2021 ist nicht 2019.

Von Saskia Aleythe, Braunschweig

Wäre Weitsprung wie Musik, würden sich die Sprünge von Malaika Mihambo gerade chaotisch anhören. Im Grunde ist die 27-Jährige Expertin darin, in ihrem eigenen Takt zu leben, aber der Rhythmus beim Springen, er macht jetzt die wildesten Dinge. Wenn sie anläuft mit ihren schnellen, trommelnden Schritten, hakt es beim finalen Tusch kurz vor dem Brett: Bei den deutschen Meisterschaften in Braunschweig trat sie einmal zehn Zentimeter über, hob bei einem anderen Versuch schon 26 Zentimeter davor ab - als wären einem Schlagzeuger bei seinem Solo die Sticks aus den Fingern gerutscht.

6,62 Meter reichten Mihambo zum Titelgewinn, sie reckte die Däumchen hoch für die Kameras und lächelte, auch aus Respekt gegenüber ihren Mitstreiterinnen. So einen Titel nimmt sie nicht selbstverständlich, aber wer als aktuelle Weltmeisterin schon mal 7,30 Meter ausgepackt hat, wünscht sich natürlich ganz andere Einschläge in der Sandgrube. "Man muss sich darauf verlassen können, dass der Anlauf sitzt", sagt sie und versichert, im Training voll im Soll zu sein: "Mehr als zu sagen, dass es eigentlich gut aussieht, kann ich nicht." Aber klar, der Eindruck stimmt auch: "Ich habe mich bisher ein bisschen unter Wert verkauft."

Im Ranking der weltweit besten Weitspringerinnen steht Mihambo aktuell auf Platz 26

Sieben Wochen sind es noch bis zu den Olympischen Spielen, das ist aus Sicht von Mihambo keine kurze Zeit, sondern eine lange. Sie ist ja gerade erst in die Saison gestartet, Ende Mai in Dessau mit 6,68 Metern. Im Sommer Höchstleistung zu bringen, ist das Ziel, "da sind wir gerade erst auf dem Weg". Doch auch, wenn sie sich noch am Anfang der Olympia-Saison sieht und nicht schon mittendrin, offenbart sich Nachholbedarf: Im Ranking der weltweit besten Weitspringerinnen steht sie aktuell auf Platz 26, fünf Frauen haben in diesem Jahr schon die sieben Meter geknackt. "Das ist zu erwarten, dass sich die Konkurrenz auch verbessert. Von daher ist es vollkommen in Ordnung", sagt Mihambo. Wenn jemand Ruhe ausstrahlen kann, dann ist sie das. Sie hat auch akzeptiert: 2021 ist nicht 2019.

Natürlich würde sie gerne dort anknüpfen, wo sie mit ihrem WM-Titel in Doha aufgehört hat. Dieser Anspruch könne "manchmal auch schwierig sein", sagt Mihambo, "weil man dann selbst Erwartungen hat, dass man es wieder genauso macht wie 2019, dass alles genauso läuft. Aber so ist es eben nicht. Jedes Jahr ist anders". 2020 war schon aus Pandemie-Gründen völlig anders, aber auch, weil nach 16 Jahren die Zusammenarbeit mit ihrem Jugendtrainer endete. Die Pläne, In die USA zum viermaligen Weitsprung-Olympiasieger Carl Lewis zu wechseln, sind verschoben auf die Zeit nach den Spielen in Tokio. Unter Weitsprung-Bundestrainer Uli Knapp ist Mihambo nun mehr auf sich allein gestellt als zuvor. In einer Zeit, in der sie zu ihrem wichtigsten Schatz zurückfinden muss: dem langen Anlauf.

Mit der Olympia-Saison hat Mihambo auf den vollen Anlauf umgestellt - und noch Probleme damit

Das Corona-Jahr war Schonzeit für den Körper, auch mit 16 statt 20 Schritten Anlauf flog Mihambo weiter als die Konkurrenz. Mit der Olympia-Saison kam nun die Umstellung zurück in den vollen Anlauf, und es zeigt sich, dass sich der Weg schwieriger gestaltet als gedacht. "Ich habe gemerkt, dass es mir gar nicht so leicht fällt, in den Rhythmus des langen Anlaufs wieder zurückzukommen. Ich habe die gesamte Hallensaison gebraucht, um mich da zurechtzufinden", sagt sie. Die Frequenz der Schritte habe schon früh wieder gestimmt, aber das Abdrücken nicht. "Dann macht man sehr kurze Schritte, die sind nicht so kraftvoll, nicht so dynamisch", sagt Mihambo, "und die bringen auch nicht so viel Geschwindigkeit. Wenn die fehlt, kann man nicht weit springen."

Dass sie die Kraft für den Abdruck wieder gefunden hat und damit auch die Grundlage für die weiten Sätze, merkte Mihambo schon bei der Hallen-EM in Torun in Polen Ende März. Eine Gehirnerschütterung hatte sie vorher aus dem Training geworfen, weit fliegen konnte sie trotzdem noch. Sie wurde mit vier Zentimetern Rückstand Zweite hinter der Ukrainerin Maryna Bech-Romantschuk - weil sie den Balken um ganze 29 Zentimeter verfehlt hatte. Ihre 6,78 Meter waren also 7,07 Meter wert. Ein Ergebnis, an dem sie sich gerade auch hochzieht, die Sieben-Meter-Springerin steckt noch immer in ihr, spürt Mihambo: "Ich denke, dass ich das draußen auf jeden Fall hinkriegen werde." Die Töne stimmen ja, nur der Takt noch nicht.

Am Donnerstag steht für sie der nächste Wettkampf an beim Diamond-League-Meeting in Florenz, Mihambo hofft auf besseres Wetter als zuletzt. Bei ihren bisherigen Starts war Bibbern angesagt: In Dessau wehten Böen durchs Stadion, Braunschweig präsentierte sich in nasskaltem Grau. Der Wetterbericht für Florenz verspricht 25 Grad. Für den richtigen Rhythmus kann Wärme zuträglich sein, ebenso wie Konkurrenz: In Florenz trifft Mihambo auch auf Chantel Malone, der Frau von den britischen Jungferninseln sind jüngst ihre ersten Sprünge über sieben Meter geglückt. Und mit Blick auf die Mitstreiterinnen um eine Olympia-Medaille stimmt dann auch, was Mihambo sagt: "Dieses Jahr ist das Niveau viel höher als 2019."

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