Tschechien:Wie Gott auch eine Frau sein kann

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(Foto: Tim Mossholde/Unsplash; Collage SZ)

Was in Deutschland die Gendersternchen-Debatte, ist in Tschechien die Diskussion um die ová-Endung bei Nachnamen für Frauen. Diese soll nun abgeschafft werden. Ganz so einfach ist das aber nicht, warnen Sprachwissenschaftler.

Von Viktoria Großmann

Wie heißt die Tochter von Gott? Gottová. Zumindest ist das bei den Töchtern des 2019 verstorbenen Sängers Karel Gott der Fall. Auch seine Frau heißt so, seine Mutter, sogar seine Babička, also seine Großmutter, jedenfalls väterlicherseits.

Die Endung -ová, manchmal ist es auch nur ein -á, kennzeichnet in der tschechischen Sprache die Nachnamen von Frauen und das derart konsequent, dass in den Nachrichten auch über Angela Merkelová berichtet wird und im Kino Filme mit Julia Robertsová laufen. Und wie hieß die Deutsche, die Martina Navrátilová die Weltranglistenführung abnahm? Steffi Grafová. Der namensgebende Stiefvater der tschechoslowakisch-US-amerikanischen Tennisspielerin heißt übrigens Miroslav Navrátil.

Der kleine Unterschied, der nervt

Dieser kleine Unterschied nervt viele Tschechinnen schon lange. Zum einen aus praktischen Gründen. Etwa jene Frau, die von ihrer Flucht in den Achtzigerjahren aus der ČSSR in den Westen erzählte. Da stand sie also mit ihrem Sohn auf einem Münchner Amt und der bayerische Sachbearbeiter wollte den kleinen Jungen durchaus mit demselben Namen eintragen wie die Mutter, nennen wir sie Kuncová. Diese hatte alle Mühe zu erklären, dass der Familienname Kunc lautet.

Aber die Endung ärgert die Frauen auch aus einem anderen Grund: Sie macht sie zu Anhängseln, die Endung wirkt besitzanzeigend. Dass dahinter die historische Tradition steht, Frauen für nicht ganz voll zu nehmen, ist offensichtlich. Das ist heute nicht mehr so gemeint, trotzdem drängen viele auf die Abschaffung. Nun hat das Parlament in Tschechien zugestimmt, dass Frauen auf Wunsch ihren Nachnamen ohne die Endung führen dürfen. Bislang ging das nur in Ausnahmefällen.

Doch die Endung -ová lässt sich nicht folgenlos abschaffen wie die Anrede "Fräulein". Sie hat ihren festen Platz in der tschechischen Grammatik. "Es wird zu Missverständnissen kommen", warnt der Linguist Karel Oliva, langjähriger Leiter des Instituts der tschechischen Sprache an der Akademie der Wissenschaften.

Die tschechische Diskussion um die Namensendungen verhält sich dabei zur deutschen Sternchen-und-Sprechpausen-Debatte wie die sieben tschechischen Fälle zu den vier deutschen, die ja eher nur noch drei sind. Wie sollen die Frauen mit den männlichen Namen dekliniert werden? Woher soll der Zeitungsleser noch wissen, ob Clinton oder Clintonová zu Besuch kommt? Man dürfe eben nicht nur die Schlagzeilen lesen, schreibt die Journalistin Lucie Stuchlíková dazu. Außerdem, wozu haben die Clintons Vornamen? Und: Ist es denn überhaupt so wichtig, das Geschlecht eines Menschen zu erfahren?

Noch besetzen ohnehin Männer die meisten wichtigen Posten. Auch die Piratenpartei, die dieses Gesetz durchgebracht hat, kann nur eine Frau in der Führung vorweisen.

Er glaube an die "Vernunft der tschechischen Frauen", sagt Professor Oliva, dass sie ihre Entscheidungsfreiheit, genauso zu heißen wie ihre Väter und Ehemänner, ihre Brüder und Söhne, nicht nutzen werden.

Wenn Senat und Präsident zustimmen, tritt das neue Namensgesetz 2022 in Kraft. Dann kann Gott eine Frau sein.

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