Pizza-Lieferdienste:Erst klotzen, dann kleckern

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Quadratisch, praktisch, warm: Essensbote unterwegs in Berlin. (Foto: Frank Sorge/imago images)

Riesige Rucksack-Würfel gehören mittlerweile zur Standard-Ausrüstung von Lieferantinnen und Lieferanten. Ihre Geschichte beginnt im Jahr 1984 mit einer kalten und labbrigen Pizza in Illinois.

Von Felicia Klinger

Die Würfel sind gefahren. Und zwar zum nächsten hungrig Wartenden. Boten mit quadratischen Rucksäcken bevölkern zunehmend die Straßen. Pizza, Curry oder auch nur ein Apfel werden in der Stadt meistens mit dem Fahrrad ausgeliefert. Und irgendwie müssen die Lebensmittel heil und heiß bei den Menschen ankommen.

Ingrid Kosar aus dem US-Bundesstaat Illinois war sicherlich nicht die Erste, die sich über eine labberige und ausgekühlte Pizza ärgerte. Aber sie war die Erste, die aus diesem Frust eine erfolgreiche Geschäftsidee entwickelte. Im Jahr 1984 wurde ihre isolierte Pizzatransporttasche patentiert. Bis dahin hatten die Lieferdienste mit verschiedensten Materialien experimentiert: Torten-Untersetzer, Decken, Wellpappe. Besonders Waghalsige sollen sogar kleine Campingkocher auf ihre Fahrräder montiert haben.

Die Idee zu der Pizzatasche sei ihr auf einer Handwerkermesse gekommen, erzählte Ingrid Kosar 2014 im Wirtschaftspodcast "The Distance" . Dort habe sie eine kleine Lunch-Bag aus Baumwolle gesehen, die innen wattiert war. Nach vielen Pizza-Verköstigungen, ihre Lieblingssorten sind Funghi und Peperoni, hatte sie die optimale Schichtung aus bauschigem Isoliermaterial, schützenden Folien und luftdurchlässigen Stoffen gefunden.

Warm heißt laut EU-Norm: 65 Grad, mindestens

Ingrid Kosars Taschen sahen noch aus wie eine Mischung aus Sport- und Aktentasche. Bis die fahrenden Essensschränke alias Transportrucksäcke, wie man sie heute kennt, das Straßenbild von Großstädten prägen sollten, dauerte es noch etwas. Räder und Rucksäcke wurden effizienter für die Essenslieferung. An dieser Entwicklung ist unter anderem Sebastian Hauß beteiligt. Mit seinem Studienfreund Marcel Honisch gründete er im Münsterland 2010 das Unternehmen Enviado für Lieferräder und Taschen.

Die Herausforderungen, vor denen Hauß und sein Team beim Entwerfen eines Transportrucksacks standen, waren dieselben wie in den 1980ern. "Warmes muss warm bleiben", sagt er. Mindestens 65 Grad Celsius laut EU-Norm. Außerdem dürfen die Materialien der Taschen keine gesundheitsschädlichen Stoffe enthalten. "Ich muss theoretisch eine Scheibe Wurst unverpackt reinlegen können", erklärt Hauß am Telefon. Auch wenn das vermutlich niemand macht.

Aber andere runde Scheiben, Pizzen zum Beispiel. Nur bestellen nicht immer alle nur Pizza oder ein normal großes Curry. Deshalb sind viele Lieferrucksäcke größenverstellbar, damit das Essen optimal isoliert wird. "Eine Bettdecke wärmt auch am besten, wenn sie direkt auf einem liegt, und nicht, wenn noch ein halber Meter Platz zwischen mir und der Decke ist", sagt Hauß. Die Pizza liegt im Inneren des Rucksacks in einer Art Sandwich aus wetterfestem Material, Luftkammerplatten und Aluminiumfolie. Die Platten verleihen den Lieferrucksäcken das kastige Aussehen.

Zweieinhalb Kilo Rucksack plus drei Kilo Essen

Die zweieinhalb Kilogramm schweren Transportwürfel müssen dabei mehr aushalten als Wanderrucksäcke. Die Kuriere tragen sie schließlich bis zu acht Stunden am Tag und setzen sie dabei ständig auf und ab. Und auch die Essensfahrer müssen robust sein. Lieferando-Sprecher Oliver Klug sagt, dass die Essensportionen nicht viel schwerer als drei Kilogramm werden. Anders dürfte das bei den neueren Lebensmittel-Lieferdiensten wie dem Start-up Gorillas aussehen, die kein fertiges Essen, sondern Supermarktprodukte verkaufen. Vielleicht fahren in ein paar Jahren nicht mehr nur Lieferwürfel, sondern ganze Lieferregale durch die Straßen. Kühlschränke als Fahrradanhänger gibt es bereits.

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