Medienkolumne "Abspann":Falsche Kampagne

Medienkolumne "Abspann": Steffen Seibert, der frühere Sprecher von Angela Merkel, soll Botschafter in Israel werden.

Steffen Seibert, der frühere Sprecher von Angela Merkel, soll Botschafter in Israel werden.

(Foto: Frederic Kern/imago)

Das Bundespresseamt löscht ein Video mit einem Arabisch sprechenden Arzt.

Von Moritz Baumstieger

Die Fotos vom Dreh sind im Netz noch zu finden, das Endergebnis - ein Video, mit dem die Bundesregierung Arabischsprechende in Deutschland für Corona-Impfungen gewinnen wollte - nicht mehr. Für seine Kampagne hatte das Bundespresseamt den Arzt Najeeb Al-Saidi engagiert, der aus Jemen stammt und im Berliner Stadtteil Neukölln eine Kinder- und Familienpraxis betreibt, gleich um die Ecke der Sonnenallee, also ein Mediziner mitten aus dem Herzen der deutsch-arabischen Community. "Wenn das Medienteam der Kanzlerin zu dir kommt und dich bittet, ein Wort an die deutsche Bevölkerung zu richten", schreibt Al-Saidi stolz auf seiner Facebookseite, auf der die Fotos vom Dreh einzusehen sind, "dann gibt dir das ein Gefühl echter Bürgerschaft - und Motivation, noch mehr für dein Land Deutschland zu tun."

Nachdem die Bild-Zeitung sich jedoch ebenjenes Facebookprofil Al-Saidis näher angeschaut hat, verzichtete die Behörde von Regierungssprecher Steffen Seibert schleunigst auf eine weitere Zusammenarbeit - und tilgte das bereits fertige Kampagnenvideo eiligst von ihren Seiten und Profilen in den sozialen Netzwerken. Neben vielen Bildern von Treffen mit Botschaftern aus dem arabischen Raum und Afrika vor seinem Praxisschild, neben Kommentaren zum Krieg in seiner Heimat Jemen fanden sich auf Al-Saidis Account auch Einträge zur jüngsten Auseinandersetzung zwischen der im Gazastreifen herrschenden radikalislamischen Hamas und Israel. Der Arzt, der in Bezug auf Corona mit "Vorbeugen ist besser als Heilen" eine ziemlich bedachte Haltung vertritt, gab sich hier weniger besonnen: Er teilte Propaganda der Al-Qassam-Brigaden, des bewaffneten Arms der Hamas. In einem Eintrag wurde die Vertreibung aller Zionisten gefordert - also quasi die Auslöschung Israels.

Diese Posts von Al-Saidi seien "zum Zeitpunkt der Aufzeichnung und Veröffentlichung des Videos nicht bekannt" gewesen, sagte eine Regierungssprecherin der Zeitung auf Nachfrage. Mittlerweile sind auch sie aus dem Netz verschwunden, Al-Saidi hat sie wohl von seinem Profil entfernt. An Seiberts Fiasko erinnern somit nur noch Al-Saidis stolze Bilder - und ein kleiner Shitstorm. In den Kommentaren darunter und auf den Accounts des Bundespresseamtes.

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