G 7 und Klimaschutz:Angst vor Zielen und Zeitplänen

G 7 und Klimaschutz: Mit einer Protestaktion in Falmouth, Cornwall, werfen Demonstranten als medizinisches Personal verkleidet den Staaten vor, zu wenig für Klima und Umwelt zu tun.

Mit einer Protestaktion in Falmouth, Cornwall, werfen Demonstranten als medizinisches Personal verkleidet den Staaten vor, zu wenig für Klima und Umwelt zu tun.

(Foto: Alberto Pezzali/AP)

Die Industriestaaten sehen im Klimawandel eine "existenzielle Bedrohung". Doch wenn es konkret wird, bleiben sie vage - auch beim G-7-Gipfel in Cornwall.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Die G-7-Staaten werden bei der Gründung ihres Klubs kaum geahnt haben, dass sie sich auch einmal mit diesem Thema befassen würden: Fahrradfahren. In der Schlusserklärung findet sich das Rad auf Seite 15 in der Mitte, zusammen übrigens mit dem Zufußgehen - in einem Abschnitt über künftige Mobilität. Schließlich verlange der Klimawandel eine dramatisch höhere Geschwindigkeit bei der Dekarbonisierung des Verkehrs. Allerdings bleibt die G 7 vage, was die genauen Ziele und Zeitpläne angeht. Man verpflichte sich auf eine "nachhaltige, dekarbonisierte Mobilität", steht da nur. Bis wann, bleibt offen.

Bis zum Schluss war noch verhandelt worden über die letzten Feinheiten des Textes, aber konkreter wurde er dadurch nicht mehr, allenfalls länger. Am klarsten ist noch die Zusage, jährlich 100 Milliarden US-Dollar für den Klimaschutz aufzubringen, und das bis 2025. Diese Zusage ist wichtig auch für Gastgeber Boris Johnson, gleich in doppelter Hinsicht. Im November ist Großbritannien Gastgeber der aus dem vorigen Jahr verschobenen Klimakonferenz. Im schottischen Glasgow, bei der "Cop 26", soll nicht nur der internationale Klimaschutz mehr Tempo aufnehmen. London will bei der Gelegenheit auch unter Beweis stellen, dass es weiter eine aktive Rolle in der Weltpolitik spielt, trotz des Brexits. Die Rolle des Geldes ist dabei nicht zu unterschätzen. Auch Entwicklungsbanken sollen mehr Mittel für den Klimaschutz mobilisieren.

Schon 2009, bei der ansonsten desaströsen Klimakonferenz von Kopenhagen, hatten sich die Industriestaaten auf Milliarden für den klimafreundlichen Umbau verständigt. Bis 2020 sollte die Summe auf 100 Milliarden Dollar anwachsen, sowohl aus öffentlichen als auch aus privaten Mitteln. Erreicht wurde sie allerdings nicht. Deutschland hatte zuletzt etwas mehr als vier Milliarden Euro beigesteuert - und will seinen Beitrag nun "perspektivisch" bis 2025 auf sechs Milliarden Euro erhöhen, wie ein Regierungssprecher am Sonntag erklärte. "Der Erfolg von COP 26 hängt entscheidend von den Zusagen der Industrieländer zur Klimafinanzierung ab", sagte er. "Die G 7 sollte dabei Vorreiter sein."

Auch die USA und Großbritannien hatten zuvor eine Aufstockung ihrer Mittel angekündigt. Zumindest für Deutschland sei das "ein wichtiger Schritt nach vorne", sagt Jan Kowalzig, der sich bei der Entwicklungsorganisation Oxfam mit den internationalen Hilfen für den Klimaschutz befasst.

Umweltschützer hatten mehr erwartet

Doch von der G 7 insgesamt hatten Umweltschützer mehr erwartet. Was die Vorbereitung einer erfolgreichen Klimakonferenz angehe, habe die G 7 versagt, findet etwa Greenpeace-Chefin Jennifer Morgan. "Es mangelt schmerzlich an Vertrauen zwischen reichen und armen Staaten." Und das nicht nur mit Blick aufs Klima, sondern auch auf die Versorgung mit Impfstoffen. In beiden Fällen geht es um globale Solidarität.

Auf diese Solidarität gründet auch das Pariser Klimaabkommen. Darin verpflichten sich die Verursacher des Klimawandels nicht nur, Schritt für Schritt ihre Emissionen zu senken, sondern auch auf Hilfe für Staaten, die gerade erst am Beginn einer industriellen Entwicklung stehen - und die nicht auf fossile Energie gründen solle. Die Entwicklungsländer sehen darin auch messbare Beiträge zum Klimaschutz. Schließlich können die Reichen an fernen Klimazielen viel versprechen, wenn der Tag lang ist. Helfen können sie dagegen sofort. Ob ein Klimagipfel Fortschritte bringt, hängt deshalb immer auch vom Geld ab. Denn zustimmen müssen einer Einigung am Ende alle Staaten. Es gehe um Glaubwürdigkeit, sagt auch der britische Premier Johnson. Die G 7 sei eben verantwortlich für einen "riesigen" Teil der Emissionen. "Und jetzt verlangen wir von anderen, das Klima zu schützen."

Es gehe, und da sind die fünf Seiten der Schlusserklärung zum Klima sehr klar, um eine "existenzielle Bedrohung für Menschen, Wohlstand, Sicherheit und Natur". Auch nennt die G 7 Klimawandel und Biodiversität in einem Atemzug - viel zu oft werden beide Krisen nur isoliert gesehen. Zumindest in der Analyse liegen die Industriestaaten richtig.

Doch in den Schlussfolgerungen finden sich dann doch mehr gut gemeinte Fahrräder als konkrete Pläne und Zusagen. Ursprünglich wollten die Gastgeber einen Ausstieg aus jeglicher Förderung zu Beginn der nächsten Dekade im Schlussdokument verankern. Zuletzt hatte UN-Generalsekretär António Guterres verlangt, die Industriestaaten müssten sich bis spätestens 2030 von der Kohle verabschieden, der Rest der Welt bis 2040. Doch zu finden ist davon nichts. Stattdessen verpflichtet sich die G 7 auf ein zum allergrößten Teil ("overwhelmingly") CO₂-freies Stromsystem - in den Dreißigerjahren. "Da hat man kein spezifisches Datum festlegen können", sagt auch Kanzlerin Angela Merkel, die mit ihrer Koalition das Aus der Kohle für 2038 vereinbart hatte. "Das lag jetzt nicht an uns."

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