Germering:Sie lenkt, er navigiert

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Germerings Oberbürgermeister Andreas Haas ist nicht nur Zaungast, sondern gibt vor der Stadthalle das Startsignal. (Foto: Günther Reger)

Die Griebls aus Gröbenzell starten bei der 333-Minuten-Rallye. Die Rollenverteilung der beiden ist eher ungewöhnlich

Von Karl-Wilhelm Götte, Germering

Die Aufgabenverteilung im Auto des Ehepaars Griebl aus Gröbenzell entspricht nicht dem gängigen Muster bei Oldtimer-Rallyes. Andrea Griebl sitzt am Steuer des schicken grünen MG Midget, Baujahr 1969, und lenkt das Fahrzeug, als es zur Startlinie in der Unteren Bahnhofstraße in Germering rollt. Ihr Ehemann Stefan Griebl hält auf dem Beifahrersitz das "Roadbook", den Wegeplan für die 333-Minuten-Rallye, in der Hand. "Diese Kombination hat sich so bewährt", sagt Stefan Griebl, "sie fährt und ich schaue in die Karte, wohin es geht." Die Griebls fahren mit der aufgeklebten Nummer 75 los. Etwa hundert Oldtimer stellen sich alle zwei Minuten beim Starter Patrick Kapp ein. Der stellt die Autos samt Besatzung wie immer launig vor und identifiziert fachkundig und augenzwinkernd jedes "Nicht-Originalteil". Etwa 30 Zuschauer wollen sich am Wochenende bei passendem Sommerwetter den Anblick der Oldtimer-Kolonne am Germeringer Post-Kreisel nicht entgehen lassen.

"Die fahren auch sonst damit", sagt der Germeringer Rallye-Organisator Kapp, als er ein dunkelblaues Porsche-911-Cabrio, Baujahr 1987, an die Startlinie vorrollen lässt. Die allermeisten Oldtimer sind für diesen Tag besonders herausgeputzt und gewienert worden. Dieser Porsche aber - einer von vielen an diesem Sonntagmorgen - hebt sich durch einen deutlichen Schmutzschimmer von den anderen ab.

Ganz anders der Dodge Charger von Christian Heuer, 47, aus Warngau. Er hat seinen riesigen Oldtimer so geputzt, dass kein Krümchen Schmutz zu entdecken ist. "Aber nicht poliert", sagt Heuer und schmunzelt. Die Maße des roten Chargers hat er sofort parat: 5,17 Meter lang und 1,93 Meter breit. "Den kann ich nur in mehreren Durchgängen wenden", erklärt der Fahrer. Er weiß auch, dass nur 15 788 Exemplare dieses Modells, Baujahr 1967, mit 500 PS, produziert wurden. Heuer hat ihn vor zwölf Jahren aus den USA importiert und noch drei bis fünf andere Oldtimer zuhause in der Garage stehen. "Die ist groß genug", bekräftigt er gut gelaunt kurz vor dem Start. Den Wert seines "Schiffs" schätzt er auf mindestens 70 000 Euro. Im Dodge Charger lenkt der Mann. Saskia Meyer schaut nebenan auf die Karte. "Frauen können besser navigieren", meint Heuer und Meyer widerspricht nicht. Heuer fährt dann auch mit einem ohrenbetäubenden Sound, der die Zuschauer endgültig wachrüttelt, davon. Die Oldtimer und Youngtimer, also Autos, die mindestens vor 30 Jahren zugelassen worden sind, wechseln im Minutentakt. Da startet der Audi V8, ein R 4 und ein Citroën 2 CV, die "Ente", dann wieder ein roter Jaguar E aus dem Jahre 1972, ein schickes Zweisitzer-Cabrio oder der Ford Galaxy, Baujahr 1964, der es auf 300 PS bringt. Aber auch ein siebensitziger grüner Safari-Landrover mit großem Reserverad vorne auf der Haube fährt vor. "Der macht nur 90 Sachen", erläutert Autokenner Pascal Kapp, "das wird anstrengend, und das muss man mögen." Dann folgen viele VW-Käfer. Einer davon, ein VW-Cabrio von 1976, ist mit einem reinen Frauenteam besetzt. Claudia Schwarz aus Eching am Ammersee fährt seit 2016 mit ihrer Freundin Susi Otto bei den Kapp-Rallyes mit.

Pascal Kapp ist seit 1997 in der Rallye-Szene aktiv. 2020 konnte er mit aufwendigem Hygienekonzept alle vier Rallyes veranstalten. 250 Euro beträgt die Teilnahmegebühr, inklusive Verpflegung. Die Rallye führt 230 Kilometer durch Oberbayern über Landsberg zunächst bis nach Eresing, wo eine Mittagspause stattfindet, und schließlich nach Kottgeisering. Coronakonform "openair" findet dort am Spätnachmittag auf dem Sportplatz die Siegerehrung statt. Die Rallye muss in zwei Etappen vormittags und nachmittags in 333 Minuten bewältigt werden. Dabei kommt es nicht nur auf den richtigen Weg an, sondern auch auf die Beantwortung von kniffligen Fragen. So reichen Streckenposten immer wieder Fragebögen durchs Autofenster, die in 90 Sekunden beantwortet werden müssen. Darunter ist zum Beispiel die Frage nach der korrekten Bezeichnung der Euro-Norm für Benzin. Das durchaus eindrucksvolle Oldtimer-Defilee wiederholt sich im Oktober bei der Zehn-Seen-Rallye.

© SZ vom 16.06.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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