Protest in der Fröttmaninger Arena:Motorschirm-Pilot missachtete Grundregeln des Fliegens

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Der Greenpeace-Aktivist segelte sehr dicht über der Fröttmaninger Arena - zu dicht. (Foto: imago images/kolbert-press)

Was man beim Gleitschirmfliegen beachten muss - und warum bei der Greenpeace-Aktion gleich mehrere Dinge schiefgelaufen sind.

Von Karl Forster

Der Gleitschirm ist ein Flugzeug. Im Gegensatz zum Fallschirm, wie der Name schon sagt. Gleitschirmpiloten "springen" also nicht, sie starten. Bei absolut ruhiger Luft (Laborbedingungen) sinkt ein Gleitschirm, je nach Konstruktion, ungefähr einen Meter bei bis zu zehn Meter Vorwärtsflug. Steigt die Luft, zum Beispiel durch Erwärmung des Bodens, schneller als der Schirm sinkt, kann der, je nach Können des Piloten, steigen, bis die Thermik ihre Kraft verliert. Man kann, wenn man's kann, zum Beispiel mit dem Gleitschirm von einem Startplatz bei Chamonix bei guter Thermik bis zum Gipfel des Mont Blanc auf 4810 Meter fliegen. Der Weltrekord im Streckenflug liegt derzeit bei knapp 600 Kilometern.

Um von der Kraft der Thermik, die solche Leistungen erst möglich macht, unabhängiger zu werden, experimentiert man seit der Erfindung des Gleitschirms in den Siebzigerjahren mit Motor getriebenen Propellerkonstruktionen, die entweder auf den Rücken geschnallt werden oder eine Art Dreirad antreiben. Auch ist man damit unabhängiger vom Startplatz und kann mit Motorkraft in der Ebene, auf einer Wiese etwa, starten und bis zu 70 Stundenkilometer schnell über 100 Kilometer weit fliegen, noch dazu wenn man die thermischen Effekte unterwegs ebenfalls nützt.

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Weil es aber deutlich spaßmindernd ist, wenn man auf dem Rücken eine Art Zweitakter-Rasenmähermotor mit der üblichen Lärmemission trägt, führt auch hier der Weg zur Elektromobilität. Doch deutlicher als auf Erden ist das Gewicht der Batterie für den Rucksackmotor in der Luft ein Problem.

Der Pilot, der nun im Zeichen von Greenpeace seinen Protestflug absolvierte, nutzte einen Lithium-Ionen-Akku als Kraftquelle, hatte laut Greenpeace Probleme mit der Steuerung des E-Motors, was zur unfreiwilligen Landung im Stadion geführt habe. Dabei könnten aber noch andere, "natürliche" Effekte eine Rolle gespielt habe: Am Dienstag gegen 20.50 Uhr, also kurz vor Spielbeginn, wehte, wie der Meteorologe Uwe Zimmermann vom Deutschen Wetterdienst der SZ erklärte, über München ein lauer Nordostwind mit etwa 1,4 Meter pro Sekunde aus 50 Grad. Die Allianz-Arena mit ihrer rundlichen Dachkonstruktion stellt auch für schwache Winde einen erheblichen Widerstand dar, der für kräftige Verwirbelungen und möglicherweise über dem Rasen für Leeströmungen sorgt.

Dazu kam, dass der Pilot entgegen aller Gleitschirmfliegerregeln mit solch geringer Höhe über das Stadion flog, dass er ein Stahlseil touchierte und daraufhin, kurz vor der wenig eleganten Notlandung am Spielfeldrand, wohl in einen solchen Fallwind geriet (Gleitschirmflieger sprechen da von einer "Lee-Watschn") und mangels Schirmkontrolle deswegen kurz vor dem Touchdown die beiden Personen verletzte.

© SZ vom 17.06.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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