"Basic Instinct" wird 30:Das ist der Höhepunkt

Filmstills aus "Basic Instinct" (DVD- und Blu-ray-Start am 17.6.21); © Studiocanal (auch online)

Männer, die auf Frauen starren, die schöne Beine haben und rauchen, weil das der Zigarettenindustrie gefällt: Hollywood 1992, im Jahr von "Basic Instinct".

(Foto: Studiocanal)

Möchte man Sharon Stone in "4K Ultra-HD" unters Kleid schauen? Ein paar Gedanken zur Jubiläumsedition von "Basic Instinct".

Von David Steinitz

"Basic Instinct"-Drehbuchautor Joe Eszterhas trank auf dem Höhepunkt seiner Karriere (der Drogenkarriere, nicht der Filmkarriere) pro Tag "drei oder vier Flaschen Weißwein plus ein bisschen Gin, Tequila oder Bourbon plus hier und da ein paar Biere". Dazu, berichtet er in seiner schönen Autobiografie "Hollywood Animal", rauchte er drei Schachteln, wenn auch light.

Seine Filme entstanden zu einer Zeit, in der man Hollywood unter den Kokainbergen, durch die sich seine Bewohner schnupften, kaum sehen konnte. Der Spätachtziger- bis Frühneunziger-Lifestyle war natürlich deutlich aufregender als die Grünteegeschichten, die man heute von Hollywoodstars erzählt bekommt, wenn sie frisch aus dem Fitnessstudio zum Interview erscheinen. Aber es endete halt meistens auf der Intensivstation.

Bei Joe Eszterhas war es der Kehlkopfkrebs, der ihn fast das Leben gekostet hätte. Aus seiner Zeit im Krankenhaus berichtet er folgende Anekdote: "Eine Schwester fragte mich einmal, während sie mir einen Katheter einführte, welche Filme ich geschrieben habe. Als ich 'Showgirls' und 'Basic Instinct' erwähnte, machte sie mit dem Katheter etwas, das mir einen plötzlichen, brennenden Schmerz bereitete. Sie sagte nicht, dass es ihr leidtäte, sondern sah mich so an, als würde sie lächeln."

Kein Autor hatte jemals so viel Geld für ein Skript bekommen wie Joe Eszterhas für "Basic Instinct"

Es gibt in der Geschichte Hollywoods keinen Drehbuchautor, der so sehr wie ein Rockstar gefeiert und gleichzeitig als schlimmstmögliches sexistisches Monster gehasst wurde wie Joe Eszterhas. Heute ist der Mann 76 und hat sich aus dem Filmgeschäft zurückgezogen. Aber sein größter Hit, der Erotikthriller "Basic Instinct", erscheint zum 30. Jubiläum im nächsten Jahr jetzt schon als digital restaurierte Fassung auf DVD und Blu-ray. Man kann Sharon Stone in der berühmten Verhörszene also in "4K Ultra-HD" unters weiße Designerkleid schauen.

Will man auch?

Wenn man - rein theoretisch natürlich! -, mit 13 versucht hätte, eine VHS-Kassette während der Beinüberschlagsszene im entscheidenden Moment anzuhalten und nur Schneegeriesel zu sehen bekam, müsste die Antwort natürlich lauten: ja! Aber das ist vielleicht nicht ganz so entscheidend bei der Frage, wie der Film gealtert ist.

Einerseits gilt "Basic Instinct" als ein Klassiker der Filmgeschichte und spielte allein in den Kinos mehr als 350 Millionen Dollar ein. Andererseits hat sich die Welt seit diesem Erfolg ein kleines bisschen weitergedreht. Warnhinweise vor Filmen, in denen zu viel geflucht wird. Nichtraucherschutz. "Me Too".

Würde Joe Eszterhas' Autobiografie aus dem Jahr 2004 heute erscheinen - vermutlich würde Twitter so heiß laufen, dass irgendwo ein paar Serverfarmen explodieren. In dem 800-seitigen Buch bezeichnet er Harvey Weinstein als "eine verwandte Seele" und meint damit den gemeinsamen Filmgeschmack, zumal Weinstein ja noch lange nicht angeklagt war. So oder so aber würde jeder Lektor heute bei der Lektüre des Eszterhas-Manuskripts leise weinen vor Angst und Verzweiflung.

Eszterhas' Buch ist eine irre Zeitzeugengeschichte über das Hollywood der Achtziger- und Neunzigerjahre, über Orgien, Jähzorn und Eifersucht, an deren Ende man sich nicht darüber wundert, dass Figuren wie Weinstein sich so lange ungeschoren austoben konnten. Eszterhas, der mittlerweile mit seiner Familie weit weg von Hollywood in Cleveland, Ohio lebt, erzählt von den Männerbünden, die die Filmindustrie mit ihren Machtspielchen dominierten, und bei denen er so lange lustvoll mitmachte, bis es ihm selbst zu viel wurde.

Er war sehr stolz darauf, dass sein Haus in Malibu eine bessere Meerlage hatte als das von Bob Dylan: "Meines stand auf einer eigenen Klippe, Bob hatte keine eigene Klippe." Er rammte "das Kampfmesser, das ich gelegentlich bei mir trage" in einen Konferenztisch, wenn ihm jemand blöd kam. Er beschreibt seinen One-Night-Stand mit der "Basic Instinct"-Hauptdarstellerin Sharon Stone als nur "ganz nett" - aber dass er, als Drehbucharchitekt des Films, der sie weltberühmt machte, einfach das Gefühl hatte, "dass ich sie verdient hatte". So.

Mit der Kamera unter den Rock? Das nennt man heute "Upskirting". Steht im Strafgesetzbuch

Damals stand Eszterhas im Mittelpunkt des Medieninteresses. Er war der Mann, der für sein "Basic Instinct"-Drehbuch die höchste Summe bekam, die zum damaligen Zeitpunkt je für ein Skript über den Tisch wanderte - drei Millionen Dollar. Er wurde nicht müde, jedem zu erzählen, dass er nur 13 Tage gebraucht habe, um es zu schreiben.

Heute weiß man aber auch, dass die damals noch unbekannte Sharon Stone durch den Film zwar berühmt, aber nicht glücklich wurde. In ihrer kürzlich erschienenen Autobiografie sagt sie, dass sie bei der Szene, bei der sie die Beine überschlug, ohne einen Slip zu tragen, reingelegt worden sei. Regisseur Paul Verhoeven, noch so ein berüchtigter Hollywoodmacho, der Eszterhas' Buch verfilmte, habe ihr gesagt, sie solle die Szene unten ohne drehen, damit das Licht der Scheinwerfer nicht auf ihrem weißen Höschen reflektiere. Dass er ihr mit der Kamera zwischen die Beine filmen wollte, davon sei nie die Rede gewesen. Sollte das stimmen, handelt es sich also um eine antike Form des "Upskirtings", das heute in vielen Ländern im Strafgesetzbuch steht.

Basic Instinct

Verkommen ist, wer hier an etwas Phallisches denkt: Sharon Stone, Michael Douglas und der legendäre Eispickel.

(Foto: Studiocanal)

Ein nur für den Bruchteil einer Sekunde zu sehendes weibliches Geschlecht wirkt nach der erfolgreich abgeschlossenen Youpornorisierung der Welt heute harmlos. Aber damals war es diese Szene, die zum Gesprächsstoff wurde, zum money shot, der den Film zum Verkaufsschlager machte. Dass man ihr in der restaurierten Fassung nun hochauflösend auf die Vulva schauen könne, darüber sei sie nur mäßig erfreut, sagte Stone jetzt in einem Interview.

Ist "Basic Instinct" also ein Manifest des Sexismus und der Misogynie? Schon als der Film über eine des Mordes verdächtige Schriftstellerin (Sharon Stone), die einen abgehalfterten Cop (Michael Douglas) verführt, ins Kino kam, vertraten nicht wenige Menschen die Meinung, dass sich vermutlich sogar ein Ziegelstein besser in eine Frauenfigur hineinversetzen könne als Joe Eszterhas.

Emanzipierte Frauen als promiskuitive Mörderinnen zu zeigen, bedient die ganz alten Hexenängste

Trotzdem kann man die Figur, die Sharon Stone spielt, nicht nur für damalige, sondern teils auch noch für heutige Hollywoodverhältnisse als subversiv beschreiben. Sie ist beruflich, finanziell und sexuell unabhängig. Sie sieht ihr größtes Glück nicht in der Gründung einer Kleinfamilie. Sie steht außerdem als Frau im Mittelpunkt des Films, was ebenfalls ungewöhnlich war. Außer in "Das Schweigen der Lämmer" drehte sich damals in Hollywood alles noch um eingeölte Schwarzeneggers.

Warum so eine Figur dann ausgerechnet in einem Film zur Legende wird, in dem sie sich als promiskuitive Eispickel-Serienmörderin entpuppt, was neben all ihren modernen Eigenschaften doch wieder klassische männliche Hexenängste bedient? Das hat, wie immer wenn ein Film sehr erfolgreich ist, nie allein mit der Fantasie der Macher zu tun, sondern auch mit den Millionen Zuschauerinnen und Zuschauern, die unters Kleid starren. Wie sagte der französische Filmkritiker André Bazin so schön: Das Kino schafft für unseren Blick eine Welt, die auf unser Begehren zugeschnitten ist.

Basic Instinct, die restaurierte Fassung, ab 17. Juni auf DVD, Blu-ray und Ultra HD Blu-ray (StudioCanal).

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