Großbritannien:Kurzsicht

Das politische Fieber in Nordirland steigt. Der Brexit hat eine Infektion ausgelöst, die nur eine kurieren kann: die EU.

Von Stefan Kornelius

Es braucht Weitsicht, um die Neuauflage einer europäischen Tragödie zu erkennen - und möglichst zu verhindern. In Nordirland überschlagen sich die Ereignisse: Die DUP, größte probritische Partei und Teilhaberin in der Regierung mit der katholischen Sinn Féin, hat sich auf einen Zerstörungszug begeben. Seit der Verlegung der Zollgrenze mitten in die Irische See hat sie sich radikalisiert. Sie hat ihre Vorsitzende und Co-Regierungschefin hinausgeworfen. Der Nachfolger, einer der Zündler, hielt sich keine drei Wochen im Amt. Bleibt die Vernunft weiter ausgeschaltet, muss neu gewählt werden. Die DUP würde dann wohl deutlich verlieren - und sich weiter radikalisieren. Wohin das führt, lehrt die irische Geschichte.

Der Konflikt zwischen Protestanten und Katholiken, mithin den Anhängern einer Vereinigung mit Irland und den London-treuen Unionisten, konnte nur durch ein mit viel Blut geschriebenes Abkommen zur Machtteilung gelöst werden. Möglich wurde es, weil die Mitgliedschaft Irlands und Großbritanniens in der EU die physische Grenze zwischen der Provinz und der Republik Irland irrelevant gemacht hat. Nun ist die Grenze wieder da, und in den Köpfen werden die Zäune gezogen.

So grotesk es klingt: Nur die EU kann diesen Konflikt entschärfen - indem sie nach einer Umsetzung für das Zollabkommen sucht, die allen Seiten praktikabel erscheint und somit der Kleingeistigkeit all der britischen und nordirischen Nationalisten Größe und Weitsicht entgegenstellt.

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