"Alte Schule":Gabriele von Arnim

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Gabriele von Arnim, 1946 geboren, studierte Politologie und Soziologie in Hamburg und Frankfurt. Sie war journalistisch für Zeitungen, Magazine, Hörfunk und Fernsehen tätig, hat sich gegen Rechtsextremismus engagiert und schreibt Erzählungen. Kürzlich erschien ihr Buch "Das Leben ist ein vorübergehender Zustand" über die letzten Jahre mit ihrem schwerkranken Mann. Am 28. Juni liest sie daraus im Literaturhaus München, abrufbar unter Rowohlt.de. (Foto: Ralf Hiemisch/Rowohlt)

Lernen ist? Zu begreifen, dass Wissen und Denken nicht dasselbe sind, antwortet die Autorin im SZ-Fragebogen.

Erste Reihe oder letzte Bank?

Mal so mal so - habe mich immer brav und widerspruchslos dort hingesetzt, wo ich sitzen sollte.

Influencer oder Follower?

Eindeutig Follower. Ich war wegen einer Krankheit zwei Jahre nicht in der Schule gewesen und wusste danach nicht mehr, wie mit anderen Kindern umgehen - ich war jahrelang fürchterlich schüchtern.

Mein Hobby in der Pause?

Möglichst in der Klasse bleiben - da war es wärmer als auf den Fluren. Spielen konnte ich ohnehin nicht mit meinem eingeschienten Bein.

Meine größte Stunde?

Als Humpelkind buhlte ich verzweifelt um Anerkennung und spielte den unverschämten Klassenclown, der die Lehrer provozierte. Gelang. Und war todtraurig.

Das würde ich gern vergessen:

Genau dieses peinliche Buhlen des einsamen Kindes um Anerkennung.

Ein Denkmal gebührt ...

... meinem Volksschullehrer Herrn Lorenzen. Weil er fröhlich war und zugewandt. Er hat jede und jeden von uns gut gelaunt wahrgenommen. Für ihn habe ich geschwärmt. Für ihn habe ich gelernt.

Lernen ist ...

... zu begreifen, dass Wissen und Denken nicht dasselbe sind. Neugierig in die Welt zu gucken. Zuzuhören, nachzufragen, zu zweifeln, zu scheitern.

Noten sind ...

... überschätzt. Weil sie nichts aussagen über soziale Kompetenzen, über die Fähigkeit, andere und sich selbst ehrlich und mit freundlichem Blick wahrzunehmen.

Schule müsste ...

... den Unterricht so sinnlich und lebensnah gestalten, dass man Lust hat, Neues zu erfahren und lernt, gern und eigenwillig zu denken, Widerspruch zu wagen. Sie müsste unbedingt das Unterrichtsfach Demokratie einführen und Schülern begreiflich machen, wie kostbar es ist, in einem freien Land zu leben - und dass die Demokratiedöser genau so gefährlich sind wie die Demokratieverächter.

Entschuldigen muss ich mich bei ...

... meiner Englischlehrerin in der Oberstufe. Ich habe sie ab und zu grinsend bloßgestellt, weil mein Englisch besser war als ihrs.

Entschuldigen muss sich bei mir ...

... niemand aus Schulzeiten. Erinnerungen sind trügerisch - aber ich glaube, dass sie hier stimmen.

Zur Schule hat jeder was zu sagen. War ja jeder da. Deshalb gibt es einmal die Woche "Alte Schule.

© SZ vom 21.06.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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