Deutsche Nationalelf:Die Sache mit den Standards

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Ecke für Deutschland - aber ein paar Pässe später Tor für Portugal: Cristiano Ronaldo (in Rot) erzielt das 1:0. (Foto: Federico Gambarini/dpa)

Das groteske erste Gegentor gegen Portugal bietet eine Menge Lernstoff fürs DFB-Team. Es herrscht Nachholbedarf bei Ecken und Freistößen - auf beiden Seiten.

Von Christof Kneer, München

Beim Spiel gegen Frankreich fühlte man sich mal kurz an die gute alte Zeit erinnert. Es gab Freistoß für Deutschland, Toni Kroos und Thomas Müller standen bereit. War da nicht mal was? Müller lief an, lief am Ball vorbei und auf die französische Abwehrmauer zu, auf einmal fing er an zu wackeln, hektische Zuckungen im Oberkörper, dann lief er an der Mauer vorbei.

Allerdings wird es diese Szene in keinen Jahresrückblick schaffen, nicht mal in den Zusammenschnitten kam sie vor. Müller schmiss sich ja auch nicht auf den Boden wie damals, im WM-Achtelfinale 2014 gegen Algerien, er blieb irgendwann einfach stehen. Der Freistoß von Kroos blieb allerdings damals wie heute an der Mauer hängen.

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Deutschland und die Standards, das war ein großes Thema damals, und jetzt ist es das wieder, nur auf andere Weise. Es geht im Moment weniger um die Eck- und Freistöße der eigenen Mannschaft, sondern um die der anderen. "Wir müssen die Standardsituationen in den Griff bekommen", mahnte Joshua Kimmich nach dem 4:2, "wenn die Portugiesen gefährlich wurden, war es fast immer nach Standards." Am gefährlichsten wurden sie nach einem Eckball für Deutschland. Kroos lief an, Kimmich lief ihm entgegen. Sollte das etwa eine kurze Ecke werden? Ein paar scharfe Spielzüge später stand es 1:0 für Portugal.

Die Nachbetrachtung des Gegentor bleibt den Spielern nicht erspart

Dieses durchaus groteske Gegentor bietet nun eine Menge Lernstoff fürs Teamquartier. Die Nachbetrachtung wird den Spielern nicht erspart bleiben, sie werden sehen, wie der offensive Kai Havertz eine Art Absicherung bildet und dem portugiesischen Konter hinterläuft, sie werden sehen, wie Joshua Kimmich offenbar keine Absicherung bildet und noch viel später hinterherläuft.

Tatsächlich ist dieser Moment eine akademische Herausforderung fürs Team gewesen, es vermischten sich zwei Lektionen: Die Zuteilung bei Eckbällen entspricht natürlich nicht der normalen defensiven Grundordnung, "und bei diesen Übergängen passieren Fehler, und wir verlieren die Leute aus den Augen", sagte Kimmich.

"Sehr viel Wert auf Standards" wolle er legen, hat Löw vor der EM gesagt. Sie werden nochmal ein bisschen nacharbeiten müssen.

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