Atheisten-Kampagne in London:Gottlos ist geil

In London fahren bald Busse mit atheistischen Werbesprüchen. Die finanzielle Unterstützung ist groß. Und sogar die Kirchen begrüßen die gottlose Initiative.

Wolfgang Koydl

London - Gott - wenn es ihn denn gibt - wird sich beruhigt zurücklehnen können, wenn er von seinem Himmelsthron aus hinabblickt auf seine Schäfchen in Großbritannien. Sie mögen ihn zwar nicht mit feuriger Inbrunst verehren, sondern eher mit lauwarmer Verlegenheit. Schließlich gehen selbst Geistliche hier, wie der Schriftsteller Ronald Blythe festhielt, "in die Kirche wie ins Badezimmer: mit einem Minimum an Aufhebens und, wenn möglich, ohne Erklärungen". Gleichwohl dürfte Gottes Position weitgehend unangefochten sein. Denn nun wurde bekannt, dass sich nicht einmal die britischen Atheisten sicher sind, ob es ihn nicht gibt.

Atheisten-Kampagne in London: Vom Januar 2009 an läuft in London die "Atheist Bus Campaign".

Vom Januar 2009 an läuft in London die "Atheist Bus Campaign".

(Foto: Screenshot: www.justgiving.com/atheistbus)

"Gott ist tot", hatte Friedrich Nietzsche donnernd festgestellt - apodiktisch, deutsch, und mit beinahe alttestamentarischer Endgültigkeit. Richard Dawkins, Oxford-Professor, Autor des anti-religiösen Bestsellers "Der Gotteswahn" und seitdem gleichsam weltweiter Apostel des Atheismus, ist sich immerhin "so gut wie sicher", dass Gott nicht existiert. Aber das Fußvolk von Britanniens Gottesleugnern?

"Wahrscheinlich gibt es keinen Gott", heißt es auf Transparenten, die von kommendem Januar an von der "Atheist Bus Campaign" auf rote Londoner Busse geklebt werden sollen. Auf diese hasenfüßige Aussage folgt dann noch der fromme Wunsch: "Jetzt hören Sie auf, sich Sorgen zu machen und genießen Sie Ihr Leben."

Die Komikerin und Autorin Ariane Sherine, die vor sechs Monaten den Anstoß für die Kampagne gegeben hatte, ist trotz des wachsweichen Slogans mehr als zufrieden mit ihrem Erfolg. Binnen Stundenfrist waren weitaus mehr Spendengelder geflossen, als für den Werbefeldzug gegen Gott ursprünglich veranschlagt gewesen waren. Insgesamt knapp 48 000 Pfund konnten verbucht werden - fast das Neunfache der zunächst angestrebten Summe.

"Nur der Himmel ist die Grenze"

Sherine, die von einem religiösen Slogan auf einem Doppeldecker-Bus zu der Gegenkampagne angeregt worden war, will jetzt noch höher hinaus: "Wir könnten das nun landesweit aufziehen, mit Postern in der U-Bahn, mit verschiedenen Slogans und auf mehr Bussen. Nur der Himmel ist die Grenze - außer natürlich, dass es dort nichts gibt."

Der Spendenfluss hatte freilich erst begonnen, nachdem Atheisten-Papst Dawkins zugesagt hatte, alle eingehenden Beiträge bis zu einer Höhe von 5500 Pfund aus eigener Tasche zu verdoppeln. "Die Religion hat sich daran gewöhnt, immer und überall einen Freifahrschein zu haben", hatte er die geplante Buswerbung kommentiert. "Diese Kampagne wird Leute zum Denken bringen - und Denken ist Anathema für jede Religion."

Die Kirchen widersprechen ihm natürlich: Britanniens Methodisten etwa begrüßen die Bus-Transparente ausdrücklich deshalb, weil sie "die Leute zum Nachdenken über Gott ermutigen". Auch Paul Woolley, der Chef der gemeinsam von anglikanischer und katholischer Kirche gegründeten Denkfabrik Theos hält es für eine "brillante Idee": "Solche Kampagnen beweisen, wie aktive Atheisten oft großartig Werbung für das Christentum machen."

So angetan war Theos, dass die Organisation 50 Pfund spendete. "Am Anfang tat uns die Kampagne fast schon ein wenig leid", erinnerte sich Woolley, weil in den ersten Monaten niemand für seine anti-religiösen Überzeugungen in die eigene Tasche zu greifen bereit war. "Aber als wir den Slogan sahen, trauten wir unseren Augen nicht", fügte er hinzu. "Das Poster ist ganz schwach - wo kommt dieses "wahrscheinlich" überhaupt her?"

Die Antwort auf diese Frage hatte Ariane Sherine bereits gegeben. Sie ließ sich, wie sie schrieb, von der dänischen Großbrauerei Carlsberg inspirieren, die in einer Werbung ihr Produkt vorsichtshalber auch nur das "wahrscheinlich beste Bier der Welt" nennt. Sicher ist sicher, und die Konkurrenz ist allzeit wachsam. Nur dass Gott, wenn es ihn denn gibt, keine Anwälte bemühen würde. Wahrscheinlich.

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