Olympia 2021:Resignation macht sich breit

Anti-Olympics group's members display banners as they stage a rally next to the village plaza of the Tokyo 2020  Olympic and Paralympic Village while media take part in a press tour inside the facility in Tokyo

Unmissverständliche Botschaft: Aktivisten in Tokio beziehen Stellung zu den bald stattfindenden Olympischen Sommerspielen

(Foto: Kim Kyung-Hoon/Reuters)

Nun also doch: Bis zu 10 000 Zuschauer sollen täglich die Olympischen Spiele besuchen dürfen, dabei sinken die Infektionszahlen in Tokio keineswegs rapide - die Einreise der teilnehmenden Länder wirft dazu neue Fragen auf.

Von Thomas Hahn, Tokio

Die Pressekonferenz zur offenen Zuschauerfrage bei den Sommerspielen in Tokio begann mit etwas Verspätung. Seiko Hashimoto, die Präsidentin des Organisationskomitees Tocog, entschuldigte sich, aber nannte keine Gründe. Man durfte also spekulieren, dass beim vorigen Online-Meeting mit Hashimoto, der japanischen Olympia-Ministerin Tamayo Marukawa, Tokios Gouverneurin Yuriko Koike sowie mit Thomas Bach und Andrew Parsons, den Präsidenten des Internationalen Olympischen bzw. Paralympischen Komitees, noch etwas Gesprächsbedarf herrschte.

Aber dann war Seiko Hashimoto da und verlas die Entscheidung derart staubtrocken, als wolle sie der Welt noch die letzte Vorfreude auf die Sommerspiele austreiben. Dabei teilte sie sogar mit, dass bei dem Riesenereignis in gut einem Monat Zuschauer erlaubt sein werden. Nämlich immerhin halb so viele wie auf die Ränge einer Sportstätte passen und höchstens 10 000. Über die Zuschauer-Limits bei den Paralympics werde bis 16. Juli entschieden.

Ein bisschen Stimmung soll es also doch geben bei den Sommerspielen, die am 23. Juli im Tokioter Olympiastadion mit der olympischen Eröffnungsfeier beginnen sollen. Schon im März hatte Japans Regierung erklärt, wegen der Pandemie keine Fans aus dem Ausland in den Inselstaat zu lassen, was dem Charakter des Weltsportfests einen beträchtlichen Schlag versetzte. Und die Möglichkeit, auch keine Einheimischen in die Stadien der Spiele zu lassen, war eine ernsthafte Erwägung für alle, die den Infektionsschutz ernst nehmen, die Spiele aber nicht mehr verhindern können.

Japans rechtskonservative Regierung und deren Gäste aus dem Kosmos der Ringe-Vermarktung sind schwer zu belehren

Tomin-to, die Tokio-Bürger-First-Partei der Gouverneurin Koike, plädierte zum Beispiel für die zuschauerlose Lösung. Ebenso der international bewährte Epidemie-Experte Shigeru Omi, der dem Coronavirus-Unterausschuss der japanischen Regierung vorsitzt. Am vergangenen Freitag hatte der auf einer Pressekonferenz gesagt, Olympia ohne Zuschauer sei "erstrebenswert". Und wenn doch welche erlaubt würden, müssten es zumindest weniger sein, als derzeit in Japan bei Fußballspielen oder anderen Veranstaltungen zugelassen werden.

Das hat nicht geklappt. Wieder einmal mussten der Experte Omi und seine Kollegen feststellen, dass Japans rechtskonservative Regierung und deren teure Gäste aus dem Kosmos der Ringe-Vermarktung im Dienste der gültigen Fernsehverträge schwer zu belehren sind. Premierminister Yoshihide Suga und sein Kabinett beteiligen den Coronavius-Unterausschuss nicht an der Olympia-Planung. Omi versucht schon länger, den Einwänden der Fachwelt Gehör zu verschaffen, weil das Weltsportfest mit Zehntausenden von Aktiven, Funktionären und Medienschaffenden eine kaum zu kontrollierende Schleuder verschiedener Coronavirus-Mutanten werden könne.

Aber: Nichts zu machen. Shigeru Omi sprach am Freitag für insgesamt 26 Fachleute, als er eine Reihe von Sicherheitsvorkehrungen gegen das Virus vorschlug, wie zum Beispiel grundsätzlich nur lokale Anwohner auf die Ränge zu lassen. Die Absage der gesamten Spiele hätten sie auch schon auf ihre Vorschlagsliste nehmen wollen, sagte Omi - aber es dann gelassen, weil Premierminister Suga beim G7-Gipfel in Cornwall unter den Regierungschefs der Industrienationen verbreitet habe, die Spiele würden stattfinden wie geplant.

Vor den Olympischen Spielen in Tokio

International bewährt, aber von der Regierung nicht wirklich gehört: Epidemie-Experte Shigeru Omi.

(Foto: -/dpa)

Resignation macht sich breit unter den Kritikern. Für sie rollt Olympia wie eine unaufhaltsame Walze auf die Metropole zu. Die Folgen kann sich jeder ausdenken. Seit Montag ist der Corona-Notstand in Tokio und anderen Präfekturen zwar beendet, nur einzelne Beschränkungen gelten noch. Das Impfprogramm nimmt nach dem sehr trägen Beginn erkennbar Fahrt auf. Aber dass die Zahl der Infektionsfälle unaufhaltsam in den Keller sinken, kann man nicht sagen. Vollständig geimpft sind - Stand Montagabend - 7,2 Prozent der 126 Millionen Menschen in Japan. Und in einer Umfrage der Nachrichtenagentur Kyodo erklären 86 Prozent der Befragten, dass sie Sorge haben, wegen der Spiele würden die Infektionszahlen wieder stark ansteigen.

Wer an Olympia denkt, denkt jedenfalls gerade noch nicht sofort an Sport. Viele Olympia-Reisende, die noch zu Hause sind, machen gerade Bekanntschaft mit dem beträchtlichen bürokratischen Aufwand, der vor dem Abenteuer im olympischen Tokio steht. Schon gibt es erste Beschwerden, weil bei den pandemischen Spielen nicht alle so gleich behandelt werden, wie es sein sollte. Nach Medienberichten hat Indiens Olympia-Verband dem Tocog einen geharnischten Brief geschrieben, weil Japan Indien wie anderen Ländern, die von besonders ansteckenden Coronavirus-Mutanten betroffen sind, strengere Einreise-Bedingungen auferlegt.

Indiens Olympia-Team darf demnach drei Tage nach der Einreise keine Trainingsspiele oder -einheiten mit anderen Mannschaften abhalten. "Hochgradig unfair", schreiben Verbandspräsident Narinder Batra und Generalsekretär Rajeev Mehta in einem Statement. Und ihren ersten Corona-Fall haben die Spiele auch schon. Am Sonntag meldete Kyodo mit Verweis auf Regierungsquellen, dass ein Mitglied der Olympiamannschaft Ugandas am Flughafen Narita wegen eines positiven Tests nicht ins Land durfte.

42 Prozent der exklusiven Tickets seien schon verkauft, zu viele, also wird ausgelost

Seiko Hashimoto und auch Tocog-Geschäftsführer Toshiro Muto wirken von alledem unbeeindruckt. Sie pauken ihr Programm durch. Am Montag erzählte Seiko Hashimoto zum Beispiel von der neuen Ticketlotterie für die exklusiven Plätze in den Arenen. 42 Prozent der Tickets seien schon verkauft - zu viele. Also wird ausgelost, wessen Eintrittskarte gültig ist. Toshiro Muto berichtete, dass die Gesamtzahl der Tickets auf 2,72 Millionen reduziert würde, was die Ticket-Einnahmen von den ursprünglich eingeplanten 90 Milliarden Yen, 687 Millionen Euro, um mehr als die Hälfte verringere.

Sofern es nicht noch schlimmer kommt. Als Zeichen ihrer Umsicht sagten sowohl Premierminister Suga als auch Gouverneurin Koike vor der Fünferrunde am Montag, dass man Olympia-Zuschauer auch wieder ausladen können müsse, wenn die Corona-Lage schlechter wird. Und darauf verständigte sich die Runde der Spiele-Schaffenden bei ihrem Gespräch dann auch. Möglicherweise startete die Pressekonferenz deshalb mit etwas Verspätung.

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