Haushaltsentwurf des Kanzlerkandidaten:Olaf Scholz will bei Staatsfinanzen weiter "klotzen"

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Olaf Scholz legte am Mittwoch in Berlin seinen vorerst letzten Haushaltsplan vor. (Foto: Markus Schreiber/AP)

Der Finanzminister hat gerechnet: Die nächste Legislaturperiode wird teuer. Erst in zehn Jahren könne Deutschland wieder die europäischen Stabilitätskriterien erfüllen. Wann die Schulden der Krise abgetragen sind, sagt er auch vorher.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Keine fünf Minuten hat Olaf Scholz am Mittwoch gebraucht, um auf seine Kernbotschaft zu kommen. Der Bundesfinanzminister war zu früh und gut gelaunt in der Bundespressekonferenz angekommen, offiziell, um den Budgetentwurf für 2022 und die Finanzplanung bis 2025 zu präsentieren. Tatsächlich nutzte er die Gelegenheit, die Pläne gleich zum Regierungsprogramm für die nächste Koalition zu erheben. Sie seien für alle ambitionierten Vorhaben der Zukunft in Deutschland, ob Klimaschutz, Digitalisierung oder Wachstum, "der entscheidende Pfad", sagte Scholz. "Alles andere ist Wolkenkuckucksheim."

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An Tagen wie diesem kann der Finanzminister, der ja in Personalunion auch Kanzlerkandidat der SPD ist, daran glauben, dass es zumindest rein rechnerisch klappen könnte mit dem Einzug ins Kanzleramt. Die Freude hatte schon am Morgen begonnen, in der Kabinettssitzung: "Einstimmig, ich betone, einstimmig" hätten die Ministerkollegen die Budgetplanungen beschlossen. "Das ist wichtig für die Debatten, die sich im Wahlkampf noch so entspinnen können", so Scholz. Solle mal keiner aus CDU und CSU sagen, er habe von nichts gewusst. Oder, wie Friedrich Merz (CDU) in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, ankündigen, sich im Herbst mal die Zahlen anzuschauen. "Die liegen jetzt alle transparent auf dem Tisch."

An Tagen wie diesem dürfte es die Union besonders schmerzen, dass die SPD im Finanzministerium sitzt. Scholz kann - anders als die Konkurrenz - nachweisen, dass er die nächste Legislaturperiode schon bis zum Ende durchgedacht hat. Seine Finanzplanung reicht bis 2025, dem Jahr der planmäßig nächsten Bundestagswahl. Seht her, hört man den Kandidaten sagen, ich weiß, worüber ich rede. Und ich weiß, wo die anderen falschliegen. Beispielsweise die Grünen, die ja die Klimaneutralität mit sehr hohen Schulden finanzieren und dafür die Schuldenbremse ändern wollen. "Das wird wie ein Kartenhaus zusammenbrechen, weil es dafür keine verfassungsgebende Mehrheit gibt."

So etwas wie der Weg in eine Normalität

Hat er auch bei der Union nachgerechnet, ob nicht ein starker Aufschwung, den er ja selbst für möglich hält, größere Entlastungen möglich machen könnte? So wie es die Union in ihrem Wahlprogramm angekündigt hat? "Nein", sagt Scholz. "Was die Union so plant, ist etwas, was sich mathematisch nicht darstellen lässt." Es sei denn, sie wolle irgendwo stark kürzen. "Das ist nicht seriös."

Der Budgetplan 2022 und die Finanzplanungen bis 2025 sind so etwas wie der Weg in eine Normalität, die nicht mehr von Corona dominiert wird. Für 2022 sollen noch mal 100 Milliarden zusätzliche Kredite aufgenommen werden, insgesamt ist der Bundeshaushalt für das kommende Jahr mit 443 Milliarden Euro kalkuliert. Es wäre "total fatal", in den sich abzeichnenden Aufschwung hinein zu sparen, sagt Scholz. Er werde weiterhin "nicht kleckern, sondern klotzen".

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Von Cerstin Gammelin

Scholz hat die Budgets so bauen lassen, dass von 2023 an Gelder für den Klimaschutz, für Digitales, Soziales, Bildung und Investitionen eingeplant sind - und dennoch die Schuldenbremse wieder eingehalten werden kann. Das klingt ambitioniert, denn der verfassungsrechtlichen Schuldenregel zufolge dürften 2023 nur rund fünf Milliarden Euro an neuen Schulden aufgenommen werden - eine drastische Differenz zu den von Scholz geplanten 100 Milliarden Euro neuen Krediten im Jahr 2022. Das geht nur, weil lange gebunkerte Rücklagen aufgelöst und gut gefüllte Töpfe wie der Klimafonds angezapft werden können.

"In zehn Jahren", sagt Scholz, werde Deutschland wieder die europäischen Stabilitätskriterien einhalten. Wem das zu lange dauert, empfiehlt er einen Blick auf die Entwicklung nach der globalen Finanzkrise 2008/09. Danach habe es - unter einem CDU-Finanzminister - auch zehn Jahre gedauert, bis die Schuldenquote 2019 wieder unter 60 Prozent, bezogen auf das Bruttoinlandprodukt, gelegen habe. In der nächsten Legislaturperiode muss mit der Tilgung begonnen werden, zunächst mit zwei Milliarden Euro jährlich, die ab 2026 auf 20 Milliarden Euro anwachsen. "Das ist eine Herausforderung, aber schaffbar." In 30 Jahren will der Bund alles abgezahlt haben.

Andere seien nicht so ambitioniert. Das Land Nordrhein-Westfalen habe die Tilgung seiner Schulden auf 50 Jahre gestreckt. Dort ist der Kanzlerkandidat der Union, Armin Laschet, Ministerpräsident.

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