Treffen sich zwei bedeutende Männer. "Es ist eine Ehre für mich", sagt Napoleon Bonaparte. "Nein, es ist eine größere Ehre für mich", sagt Boris Gruschenko. "Nein, es ist eine größere Ehre für mich", sagt Napoleon. "Nein, es ist eine größere Ehre für mich", sagt Gruschenko. "Nein, es ist eine größere Ehre für MICH!", bellt Napoleon. "Nun, vielleicht haben Sie recht", sagt Gruschenko. "Vielleicht ist es eine größere Ehre für Sie."
Man kann es so lösen wie Woody Allen in "Die letzte Nacht des Boris Gruschenko". Man kann es natürlich auch machen wie Armin Laschet und Markus Söder nach der gemeinsamen Vorstellung des Parteiprogramms. Laschet: deutet dorthin, wo sich der Bühnenausgang befindet oder die Osteopathin, die ihm den Lächelkrampf wieder aus den Mundwinkeln massiert. Söder: bewegt sich explizit in die andere Richtung, auf Laschet zu. Laschet: ist verwirrt. Söder: fährt den Arm aus. Laschet: ist verwirrt (Handschlag, Schulterklopfen, Fauststößchen, Namaste oder was?). Ach, schau an, doch Ellenbogen!
Was waren das für herrliche Zeiten, als es den politischen Handschlag noch gab. Kein gestisches Rumgeeiere, kein fades Zwei-Maskenträger-stehen-nebeneinander-rum-und-winken-Gewürge. Sondern Symbolpolitik, lautlos und deutlich, damit die Journalisten schon mal was zu schreiben haben, wenn man sich gleich ins Hinterstübchen zurückzieht und die lästigen Sachfragen bespricht. Wer drückt am heftigsten zu? Wer lässt am längsten nicht los? Wessen Hand liegt oben? Treffen sich über den Händen auch die Augen, und, falls ja, wer blickt wen am entschlossensten, lässigsten, staatsmännischsten nieder? Der politische Handschlag ist die elementarste Form der Martial Arts.
Er ist außerdem genuin maskulin, vielleicht die letzte Bastion, die dem in Regierungsverantwortung stehenden Mann geblieben ist. Von 16 Jahren Merkel jedenfalls bleibt kein nennenswertes Handwrestling in Erinnerung, nicht einmal von der eisernen Lady Margret Thatcher ist ein ebensolcher Handschlag überliefert. Die Herren jedoch: Tschakka!
Weltweit respektiert: der "Händedruck des Schreckens" von Emanuel Macron
Donald Trump schüttelte einmal 19 Sekunden lang die Hand des japanischen Regierungschefs Shinzō Abe, tätschelnde Oberhand inklusive; man konnte Abe in dieser Zeit dabei zusehen, wie seine Erwartungen an die Begegnung mit dem mächtigsten Mann der Welt auf einen einzigen kläglichen Wunsch zusammenschnurrten: Kann ich bitte meine Hand wiederhaben? Kanadas Premier Justin Trudeau wiederum gelang im Weißen Haus ein Husarenstück, das dem hinausgezögerten Elfmeterschuss im Fußball entspricht: Er ergriff Trumps Rechte einen Wimpernschlag verspätet, worauf er die Oberhand behielt und dafür weltweit Achtungspunkte einfuhr. Seinen absoluten Meister jedoch fand Trump im Franzosen Emmanuel Macron. Bei ihrem ersten Zusammentreffen am Rande des Nato-Gipfels in Brüssel führten sie eine Schraubstockvariante mit weiß hervortretenden Fingerknöcheln vor, über die der Spiegel später rätselte: "Ist das noch ein Handschlag - oder schon ein Ringkampf?" Am Ende unterlag der US-Dominator durch manuelles K.o. klar in fünf Sekunden. Macron darf sich seither etwas darauf einbilden, im Besitz des weltweit respektierten "Händedruck des Schreckens" zu sein.
Dann kam die Pandemie, das Staatstheater blieb geschlossen. Das war vernünftig, vorbildlich und von epischer Trostlosigkeit - bis der 16. Juni heraufdämmerte. Drei Sekunden, seltsam verhalten, nahezu schlapp: Dem Handschlag zwischen Joe Biden und Wladimir Putin war anzumerken, dass die Herren händisch inzwischen ein wenig aus der Übung sind. Berührungsphobiker registrierten außerdem, dass in diesen drei Sekunden Myriaden (möglicherweise gar multiresistente) Keime den Wirt wechselten. Dennoch ist der Handschlag von Genf ausdrücklich zu begrüßen. Politiker, die eine Sache wenigstens ein paar Sekunden lang wirklich im Griff haben - wird man das in Zukunft womöglich wieder öfter erleben?