Zum Tod von Richard Gruner:Der den Namen gab

Richard Gruner war Mitgründer des deutschen Zeitschriftenriesen Gruner + Jahr sowie Spiegel-Teilhaber - aus Angst vor Kommunisten floh er nach Vaduz. Er wurde zum Superreichen.

Hans-Jürgen Jakobs

Wenn ihn jemand im Alter nach seinem fabelhaften Reichtum fragte, hatte er eine einfache Antwort parat: "Die letzten 100 Millionen sind am einfachsten." Sein Humor war von trockener Art. Am meisten aber hat seine Umwelt ein ausgeprägter Geschäftssinn beeindruckt - der vor mehr als vier Jahrzehnten entscheidend half, einen Großverlag europäischen Zuschnitts zu gründen.

Bucerius, Gruner, Jahr senior

Drei Große des Verlagswesens: Gerd Bucerius, Richard Gruner und John Jahr senior (von links).

(Foto: Foto: G+J)

Richard Gruner ist der Gruner aus Gruner + Jahr (G+J). Ein Drucker, der sich in den sechziger Jahren mit Gerd Bucerius und John Jahr zusammentat, um mit den jeweiligen Zeitschriften, die Brigitte oder Stern hießen, eine leistungsstarke Großfamilie zu gründen.

Unter einem Apfelbaum, bei Erdbeerkuchen mit Sahne im Garten von Jahrs Villa, schworen sie sich Ende Juni 1965 Treue. Gruner übernahm mit 39,5 Prozent die meisten Anteile. Zuvor war er als Minderheitsgesellschafter das kaufmännische Korrektiv zu Stern-Verleger Bucerius und dessen Chefredakteur-Ikone Henri Nannen gewesen. Über Druckaufträge schöpfte Gruner den Rahm ab.

Weil in den politisch bewegten späten sechziger Jahren Revolutions-Gedöns sein Ohr erreichte, weil die Sozialdemokraten mit dem reformbewegten Willy Brandt immer mächtiger wurden, und überhaupt, der Kommunismus noch eine Größe war, beschloss Verleger Gruner im Symboljahr 1968, lieber dem operativen Geschäft zu entsagen. Er fürchtete Räterepublik und Enteignung. Also verkaufte er Anfang 1969 seinen G+J-Anteil kurzerhand an seine Mitgesellschafter.

Der Stern beispielsweise sei dabei, "die erste westdeutsche Redaktionskommune zu werden", geißelte er 1969 - die Illustrierte gab sich damals ein Redaktionsstatut.

Das Manöver Gruners machte den Einstieg von Reinhard Mohn und dessen Gütersloher Bertelsmann AG am stolzen Hamburger Zeitschriftenhaus möglich. Das war auf einmal eine Konzerntochter unter der Fuchtel ostwestfälischer Controller. Ohne Gruner wäre das nicht möglich gewesen.

Geschätzte 180 Millionen Mark hat der Kommunistenhasser damals kassiert. Es kamen noch einmal 40 Millionen Mark für ein Viertel am Spiegel-Verlag des Rudolf Augstein hinzu. Gruner war 1961 zum Partner des Nachrichtenmagazin-Gründers geworden und hatte dort sogar die Geschäfte führt - bis er den Job auf Geheiß Augsteins aufgeben musste. Der Journalist hatte sogar die Gerichte bemüht, weil ihm die geplante Neugründung G + J ganz und gar nicht behagte. Er witterte Konkurrenz.

220 Millionen Mark, das war Ende der sechziger Jahre, Anfang der siebziger Jahre, viel Geld. Der Mann mit der Kommunisten-Phobie legte fortan seinen stattlichen Verkaufserlös klug an und ließ das Vermögen wachsen und wachsen. Im Paradies der Sitzgesellschaften und Stiftungen, im kleinen Liechtenstein, wo die Berge hoch und die Steuersätze niedrig sind, fand Richard Gruner eine neue Heimat.

Einmal, Anfang 1971, beschwerte er sich per Leserbrief aus Vaduz über eine Steuerflucht-Geschichte im Magazin Spiegel, das ihm schließlich einmal zu 25 Prozent gehört hatte: "Alle meine Steuern in Deutschland habe ich gezahlt - und die auf den Verkauf meiner Anteile am Spiegel und anderer Beteiligungen auch. Warum also sollte ich nicht dort leben, wo ich es für richtig halte?" Begeistert lobte er Liechtenstein aus: Jeder Staat könne "sich glücklich schätzen, wenn seine Institutionen je jenen Grad von Integrität erreichen, die das regierende Haus, das Parlament und die Verwaltung des Fürstentums auszeichnet."

Der Letzte aus dem alten Clan

Von Vaduz aus betätigte sich Gruner als internationaler Investor, der es nach einigen Jahren zum DM-Milliardär brachte. Das eidgenössische Magazin Bilanz listete ihn unter den 300 Reichsten, die in der Schweiz und in Liechtenstein leben. Zeitweise war er größter Einzelaktionär von America Airlines, auch bei Continental Airlines mischte er mit. Die Flugbranche hatte es ihm angetan, schließlich war er begeisterter Hobby-Pilot mit einer eigenen Mystere 10.

Zum Tod von Richard Gruner: Einer der seltenen öffentlichen Auftritte: Richard Gruner, Ehefrau Flora, Heike Jahr und John Jahr junior (v.l.n.r.), der im Jahr 2006 verstorben ist.

Einer der seltenen öffentlichen Auftritte: Richard Gruner, Ehefrau Flora, Heike Jahr und John Jahr junior (v.l.n.r.), der im Jahr 2006 verstorben ist.

(Foto: Foto: G+J / Verleihung HNP 2006)

Grenzen kannte sein Kapital nicht, und so kaufte er sich unter der Anteilnahme der Boulevardpresse in der Fifth Avenue in New York ein schickes Appartement, das einst Aristoteles Onassis gehört hatte. Die USA hätten immer bewiesen, so Gruner 1978, "wie die Dinge ins Lot zu bringen sind".

Manhattan, das war weit weg von Itzehoe, wo er einst eine Druckerei besaß, die er von seinem Vater geerbt hatte. Richard Gruner senior war bei einem Unfall ums Leben gekommen. 1946, mit 21 Jahren, hatte sich der Filius in der kargen Nachkriegszeit in die Geschäfte einfinden müssen.

Mit seiner Frau Flora Freiin von Langen genoss er jahrzehntelang die Freiheit des gehobenen Geldanlegers. Gelegentlich packte ihn noch verlegerischer Ehrgeiz, und so überlegte er 1971 allen Ernstes, zusammen mit seinem Freund Claus Jacobi einen rechtsliberalen Anti-Spiegel zu machen. Jacobi schien als auflagenerfolgreicher Ex-Spiegel-Chefredakteur prädestiniert. Aus dem Modell wurde nichts. Dafür aber verlegte Gruner zeitweilig in Zürich das Sonntags-Journal.

An die alte Wirkungsstätte in Hamburg, da, wo G + J begann, zog ihn nichts zurück. Nur einmal, 2006, war Richard Gruner noch da - aus Freundschaft zu John Jahr junior. Bei der Verleihung des Henri-Nannen-Preises feierte der reiche Onkel aus Liechtenstein mit. Und endlich gab es Bilder von dem Mann, der Mediengeschichte geschrieben hat.

Der amtierende G+J-Vorstandschef Bernd Buchholz erklärt: "Seinem Lebenswerk zollen wir großen Respekt." Gruner sei "mit seinem Namen heute und in Zukunft in diesem Haus präsent".

Inzwischen sind alle tot aus der Gründergeneration von G + J: John Jahr senior genauso wie sein Sohn, Verleger Bucerius und auch Bertelsmann-Patron Mohn. Richard Gruner war der Letzte aus dem alten Clan. Der Mann, der Gruner + Jahr den Namen gab, starb am vergangenen Mittwoch in Liechtenstein im Alter von 84 Jahren.

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